MiSpEx: Quantitative Analyse der mechanischen Belastungen von Wirbelsäule, Rücken, Rumpf in verschiedenen Sportarten (Parallelstudie 11)

Gespeichert in:
Bibliographische Detailangaben
Leiter des Projekts:Brüggemann, Gert-Peter (Deutsche Sporthochschule Köln / Institut für Biomechanik und Orthopädie, Tel.: 0221 4982-5660 , brueggemann at dshs-koeln.de)
Mitarbeiter:Heinrich, Kai Karsten; Funken, Johannes
Forschungseinrichtung:Deutsche Sporthochschule Köln / Institut für Biomechanik und Orthopädie
Finanzierung:Bundesinstitut für Sportwissenschaft (Aktenzeichen: 080102B/11-14)
Format: Projekt (SPOFOR)
Sprache:Deutsch
Projektlaufzeit:05/2011 - 12/2014
Schlagworte:
Online Zugang:
Erfassungsnummer:PR020141200066
Quelle:Projektmeldung

Zusammenfassung

I. Vorhabensziel: Die systematische Analyse von Belastungen der Wirbelsäule, des Rückens und des Rumpfes in Training und Wettkampf bei sportartspezifischen Haltungen und Bewegungen.
II. Arbeitsplanung: Trainings- und Wettkampfanalysen: Mit diesem Untersuchungsvorhaben sollen sämtliche sportartspezifische Bewegungsmuster während des Trainings und des Wettkampfes identifiziert werden. Auf Basis der Ergebnisse der systematischen Analyse von Haltungen und Bewegungen des Projektpartners aus Bochum (PSA10) wurden Sportarten mit je bis zu 14 sportartspezifischen Bewegungen ausgewählt. Die Quantifizierung der mechanischen Belastung/Bewegung der Wirbelsäule erfolgt mittels kinematischer 3D-Bewegungsanalyse. Folgende Abschnitte der Wirbelsäule werden hinsichtlich der Drehmomente untersucht: obere BWS (Th1), untere BWS (Th10) und LWS (L5). Die Probanden/innen werden hierzu am Körper mit 70 lichtreflektierenden Markerpunkten versehen. Die sportartspezifischen Bewegungen werden von zehn Infrarotkameras aufgezeichnet, welche um den Bewegungsraum von etwa 3x3x3m³ aufgestellt werden. Die Datenaufnahme erfolgt mithilfe des Motion-Capture Systems Vicon Nexus. Mithilfe der digitalen Menschmodelle Alaska-Dynamicus (insys GmbH) und Anybody (AnyBody Technology A/S) werden die Bewegungen und die Belastungen der Wirbelsäule berechnet. Die auftretenden Belastungen werden mit der Literatur verglichen und eingeordnet.
III. Geplante Ergebnisverwertung: In Summe sollen die jeweils gewonnenen Erkenntnisse ein ganzheitliches Bild der Rückenschmerz-problematik und der physischen Belastungen in unterschiedlichen olympischen Sportarten zulassen und somit die Erarbeitung eines umfassenden Kataloges von Rumpf-Rückenbewegungen und Rumpf-Rücken-belastungen ermöglichen, der Rückschlüsse auf die Art der zu erwartenden Wettkampf- und Trainingsbelastungen zulässt.

(Zwischen)Ergebnisse

Auf Grundlage der vorausgegangenen Wettkampfanalysen wurden die wesentlichsten Bewegungsaktionen unter Laborbedingungen simuliert und mittels biomechanischer 3D-Analyse hinsichtlich der 3D Belastung von ausgewählten Wirbelsäulensegmenten untersucht. Die Berechnung der Drehmomente erfolgt mit dem digitalen mehrkörperdynamischen Menschmodell Alaska dynamicus 8. Im Wesentlichen kann anhand der ersten Ergebnisse und aus den Ergebnissen aus PSA10 zwischen Sprungsportarten, Sportspielen und Wurfsportarten unterschieden werden. Sprungsportarten: Die Sprungsportarten sind durch sich wiederholende dynamische Absprung- und Landebelastungen gekennzeichnet. In diesen Sportarten liegen die Belastungen in Abhängigkeit von der Disziplin und der Wettkampfs- bzw. Trainingsdauer im hochdynamischen Bereich. Insbesondere die starke Lordose der lumbalen Wirbelsäule beim Hochsprung birgt ein hohes potentielles Risiko für Rückenschmerz. Besonders deutlich wird dies bei der Betrachtung der Drehmomente während der Absprungphase um L5. Je nach Ausführung kann das L5-Segment mit 2-4 Nm/kg in der Sagittalebene, mit 2-3,5 Nm/kg in der Frontalebene und 1-1,5 Nm/kg in der Transversalebene belastet werden. Sportspiele: Die Sportspiele Handball, Fußball, Basketball, Hockey und Volleyball weisen durch ihr hohes Spieltempo, Krafteinwirkungen, Richtungswechsel und wiederholte sportartspezifische Bewegungsformen wie Sprünge oder problematische Körperhaltungen (z.B. Flexion der Wirbelsäule beim Hockey, Halswirbelsäulenextension beim Korbleger im Basketball, Rotation und Extension der Wirbelsäule bei Würfen) ein hohes potentielles Risiko für Rückenschmerzen auf. In der Spielsportart Volleyball konnten die größten Zwischenwirbelkräfte im Bereich der lumbalen Wirbelsäule in proximo-distaler Richtung gefunden werden. Die Bewegungen "tiefes unters Zuspiel" und "Angriffsschlag" konnten als besonders belastend identifiziert werden. Unter Berücksichtigung von Literaturwerten für die maximal von einem Wirbelkörper tolerierbare Kraft und der Annahme einer relativ hohen Knochendichte bei Athleten, liegen die ermittelten Zwischenwirbelkräfte jedoch auch bei diesen Bewegungen wahrscheinlich in einem tolerierbaren Bereich. Aus der Literatur ist weiterhin bekannt, dass nicht nur hohe Maximalkräfte sondern auch relativ geringe Kräfte mit hoher Wiederholungszahl zu Ermüdungsbrüchen im Knochen führen können. Da Volleyball eine Sportart ist, bei der eine große Anzahl Vertikalsprünge absolviert wird, sollte die Gesamtbelastung während einer Trainingseinheit in die weitere Forschung zum Thema Rückenschmerz im Volleyball miteinbezogen werden. Erste Ergebnisse deuten darauf hin, dass Trainingsprotokolle, die große Umfänge an Vertikalsprüngen beinhalten, nur dosiert eingesetzt werden sollten. Wurfsportarten: Der Körper und die Wirbelsäule werden stark einseitig belastet. Gerade während der Abwurfphase befindet sich die Wirbelsäule gleichzeitig in Lateralflexion, Extension und Rotation. Die Wirbelsäule ist hierbei asymmetrischen mechanischen Belastungen ausgesetzt. Zur Realisierung einer maximalen Abwurfgeschwindigkeit befindet sich das Achsenskelett am Ende der Ausholbewegung in einer starken Bogenspannung mit kombinierter Verwringung zwischen Oberkörper und Becken, welche sich als Hyperextension der Lendenwirbelsäule sowie Lateralflexion und Rotation zur Wurfseite auswirkt. Hochbelastend ist vor allem das Kugelstoßen. Hierbei wird eine starke Verwringung der Wirbelsäule hervorgerufen. Vorwiegend tritt hier eine starke Wirbelsäulenbelastung während der Stoßphase um L5 auf. Je nach Ausführung kann das L5-Segment mit 2,5-4 Nm/kg in der Sagittalebene, mit 1,5-2,5 Nm/kg in der Frontalebene und mit 0,5-1,0 Nm/kg in der Transversalebene belastet werden. Eine Besonderheit beim Kugelstoßen stellt die Trainingsform "Schocken" (Rückwärts) dar. Dabei wird die Kugel rückwärtig mit beiden Händen über Kopf bei gleichzeitiger starker Extension der Wirbelsäule geworfen. In dieser Situation konnten sehr hohe Belastungen aller drei Wirbelsäulensegmente Th1, Th10 und L5 vor allem in der Sagittalebene beobachtet werden. Sagittal: Th1: 1,5-2,5 Nm/kg, Th10: 2,5-3,0 Nm/kg, L5: 3,5-4,5 Nm/kg Laufsportarten: Diese zyklischen Sportarten sind durch sich ständig wiederholende dynamische Körperbewegungen gekennzeichnet. In diesen Sportarten werden die Bewegungen in Abhängigkeit von der Disziplin und der Wettkampfs- bzw. Trainingsdauer zum Teil bis zu mehreren Stunden durchgeführt. Insbesondere bei hochdynamischen Sprintsportarten treten hohe Belastungen vor allem in der Sagittalebene der Wirbelsäule auf. Während des Sprintstarts konnten Belastungen von 2-3 Nm/kg um Th10 und 4-5 Nm/kg um L5 beobachtet werden.