Zum Umgang mit sozialer Ungleichheit : ein Dilemma der soziologischen und sportsoziologischen Forschung in der DDR

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Bibliographische Detailangaben
Autor:Austermühle, Theobald; Hinsching, Jochen
Erschienen in:Sport und soziale Ungleichheit
Veröffentlicht:Stuttgart: Naglschmid (Verlag), 1998, S. 49-62, Lit.
Format: Literatur (SPOLIT)
Publikationstyp: Sammelwerksbeitrag
Medienart: Gedruckte Ressource
Sprache:Deutsch
Schlagworte:
DDR
Online Zugang:
Erfassungsnummer:PU200203000812
Quelle:BISp

Abstract des BISp

Die Geschichte der Sportsoziologie in der DDR am Beispiel der Forschungsansätze und -ergebnisse zur sozialen Ungleichheit belegt, in welchem Ausmass das Gesellschaftssystem die wissenschaftliche Forschung beeinflusst. Verständlicherweise war die soziale Ungleichheit vor dem Hintergrund des Marxschen Gleichheitsideals im Sinne 'freier Wohlfahrt aller Bürger', das zum Zwecke sozialistischer staatspolitischer Legitimation nachdrücklich postuliert wurde, als Thema nicht existent. Lediglich der Nachweis der Beseitigung aller Ungleichheiten nach Kriegsende und insbesondere nach Durchsetzung der Zwangskollektivierungen in der Landwirtschaft 1960, kann als relevantes Thema in diesem Kontext betrachtet werden. Soziale Gleichheit und Kollektivität waren für den Staatssozialismus besonders der siebziger Jahre das Deutungsschema, welches das Selbstbild der DDR-Gesellschaft und das Selbstverständnis des einzelnen Bürgers als Teil einer homogenen Gruppe dterminierte. 1980 beim Dritten Soziologenkongress der DDR wurde es jedoch als theoretisch und praktisch fragwürdig erklärt, das Konzept der 'sozialistischen Lebensweise' als Einheit von Lebensbedingungen und Lebenstätigkeiten allein mit der Zielstellung einer 'Homogenisierung' zu verabsolutieren. Statt dessen wurde die These, der sozialen Faktoren als Wachstumsfaktoren und Triebkräften des wissenschaftlich-technischen Fortschritts, nun leitend für die Forschungsdebatte. Hiermit setzte die Dokumentation einer stärkeren Individualisierung in der DDR-Gesellschaft ein. Am Beispiel einer Untersuchung bei Schülern zur Lebensgestaltung und zum ausserschulischen Sportengagement von 1978 wird deutlich, wie wenig die soziale Ungleichheitsforschung in der DDR Fuss fassen konnte. Ziel der Aussagen blieb immer die Betonung kollektivistischer Tendenzen und ihre mögliche Verstärkung. (SaSch)