Körperkult und Schönheitswahn : wider den Zeitgeist

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Bibliographische Detailangaben
Autor:Gugutzer, Robert
Erschienen in:Aus Politik und Zeitgeschichte
Veröffentlicht:2007, 18, S. 3-6, Lit.
Format: Literatur (SPOLIT)
Publikationstyp: Zeitschriftenartikel
Medienart: Elektronische Ressource (online) Gedruckte Ressource
Sprache:Deutsch
ISSN:0479-611X, 2194-3621
Schlagworte:
Online Zugang:
Erfassungsnummer:PU201103002017
Quelle:BISp

Abstract

Über die Diagnose herrscht allenthalben Einigkeit: Die Menschen in den postmodernen Gesellschaften pflegen einen Körperkult und sind dem Schönheitswahn verfallen. Sie rennen in Fitness- und Schönheitsstudios, trainieren wie verrückt auf Straßen, Feldwegen und Wiesen, piercen, branden und tätowieren sich an allen denk- und auch undenkbaren Körperstellen, legen sich auf Sonnenbänke und unters Messer von Schönheitschirurgen, lassen sich Botox unter die Haut spritzen und Silikon einsetzen, halten Diät und schlucken Schlankheitspillen, suchen Experten für Ernährung und Typberatung auf, machen Urlaub in Wellness-Farmen oder Beauty-Camps und geben Unsummen für Kosmetika, Körperpflegemittel, Mode und einen sportlichen Lifestyle aus. Ob jung oder alt, Frau oder Mann, gebildet oder ungebildet, wohlhabend oder auch nicht, alle sozialen Gruppen sind bei den angeführten Körperpraktiken vertreten, wenngleich es natürlich Unterschiede in Art und Umfang gibt. Ein augenfälliges Merkmal dieser weithin anerkannten Diagnose ist, dass es sich bei ihr weniger um eine sachlich-neutrale Analyse denn um eine wertende Stellungnahme handelt. Körperkult und Schönheitswahn sind keine wertfreien Begriffe, sondern eindeutig negativ konnotiert. Sie werden typischerweise in gesellschaftskritischer Absicht genutzt, um damit zu signalisieren, wie oberflächlich, narzisstisch und egozentrisch doch unsere Gesellschaft ist. Eine Gesellschaft, die sich dem Körperkult und Schönheitswahn verschrieben hat, ist offensichtlich krank - so der Tenor der Zeitgeistkritik. Wie zutreffend dieser gesellschaftskritische Befund ist, sei dahingestellt. Unstrittig dürfte jedoch sein, dass Körperkult und Schönheitswahn zwei der am häufigsten - und typischerweise in einem Atemzug - verwandten Alltagsbegriffe zur Kennzeichnung zeitgenössischer Körperpraktiken sind. Was aber sagt das über unsere Gegenwartsgesellschaft aus, dass im aktuellen Körperdiskurs zwei Begriffe eine Vormachtstellung innehaben, die auf eine moralische Abwertung abzielen? Eine Antwort hierauf lässt sich finden, wenn man die kognitiv-moralischen Konzepte in den Augenschein nimmt, auf welche Körperkult und Schönheitswahn implizit Bezug nehmen. Einleitung