Forschungstrends in der Sportwissenschaft

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Bibliographische Detailangaben
Autor:Schmidtbleicher, Dietmar
Erschienen in:Ze-phir
Veröffentlicht:3 (1996), 1 (Forschungstrends I), S. 3-6
Format: Literatur (SPOLIT)
Publikationstyp: Zeitschriftenartikel
Medienart: Gedruckte Ressource Elektronische Ressource (online)
Sprache:Deutsch
ISSN:1438-4132, 1617-4895
Schlagworte:
Online Zugang:
Erfassungsnummer:PU201012009439
Quelle:BISp

Abstract

Frage 1: Wohin treibt die sportwissenschaftliche Forschung? Antwort: Ein erster klar erkennbarer Trend besteht in einer verstärkten Ökonomisierung und Kommerzialisierung der etablierten Sportwissenschaft. Obwohl die Forschung in der Sportwissenschaft i. d. R. an universitäre Einrichtungen oder vergleichbare Institutionen gebunden ist und nur in wenigen Gebieten, z. B. in der Sportgeräteentwicklung, auf dem freien Markt stattfindet, liefert dieser freie Markt in immer stärkerem Maße die Themen und die Forschungsaufträge: Zu nennen sind hier u. a. die großen Bereiche der Rehabilitation und Prävention, die Gesundheitsproblematik im weitesten Sinne, die Evaluation von Bedürfnissen und Trends im Sporttreiben der Bevölkerung, gezielte Erarbeitung von Trainingsmaßnahmen für bestimmte Berufsgruppen usw. Eine Konsequenz aus dieser Entwicklung könnte der Entschluss potenter Unternehmen sein, sich eigene Forschungseinrichtungen zu schaffen, um zukünftig kostengünstiger an neue Resultate zu gelangen. Für die Sportgeräteentwicklung trifft dies bereits zu. Die zugehörigen sportwissenschaftlichen Kenntnisse werden entweder noch in Auftrag gegeben oder bereits in eigenen Labors erforscht. Für die universitären Einrichtungen bedeutet dies eine klare Erweiterung ihrer Mittelrequirierung über die ohnehin nur noch marginal zu nennende staatliche Unterstützung. Zumindest die naturwissenschaftlich ausgerichtet arbeitenden Institutionen könnten ohne solche Drittmittel nicht mehr existieren. Der zweite Trend besteht darin, dass der DSB und die Landessportverbände inklusive aller organisierten Fachverbände, als wesentliche Partner der Sportwissenschaft, eine weitere Orientierung einfordern, die sich mit den Schlagworten „Anwendungsorientierung“ und „Erfolgsorientiertheit“ kennzeichnen lässt. Die Forderung nach direkter Umsetzung der Forschungsergebnisse wird zunehmend größer und der Geldgeber will einen kausal nachvollziehbaren Erfolg seines Engagements sehen. Der dritte Trend wird die „Bearbeitung aktueller Themen“ sein, d. h. die wissenschaftliche Forschung reagiert auf Entwicklungen und Phänomene, die die Gesellschaft hervorbringt. Sie liefert Erklärungen und Modelle zu diesen Phänomenen und trägt so zum besseren Verständnis bei. Frage 2: Wohin tendiert die Forschung innerhalb der sportwissenschaftlichen Teildisziplinen? Antwort: Seit der Etablierung der Sportwissenschaft an den deutschen Universitäten (erster Lehrstuhl für die Theorie der Leibeserziehung an der Universität Frankfurt/M. 1964 Prof. Dr. Fetz) hat eine starke Ausdifferenzierung in verschiedene Teildisziplinen stattgefunden, die sich zwei Gruppierungen zuordnen lassen: den geisteswissenschaftlich-soziologischen Fächern und den naturwissenschaftlichen Fächern. Derzeit haben die naturwissenschaftlichen Teildisziplinen (Bewegungs- und Trainingswissenschaften, Biomechanik und Sportmedizin) weder Legitimationsprobleme noch Schwierigkeiten, an die erforderlichen finanziellen Ressourcen zu gelangen. Ob zukünftig die geisteswissenschaftlichen-soziologischen Teildisziplinen in stärkerem Maße nachziehen werden oder noch mehr in den Hintergrund geraten, lässt sich nicht absehen. Frage 3: Welche Forschungsthemen werden zukünftig für die Identität der Sportwissenschaft und ihrer Teildisziplinen richtungsweisend sein? Antwort: Zunächst wird es im Sinne einer Kontinuität Themenfelder geben, die auch schon heute konstituierender Bestandteil der Sportwissenschaft sind. Hier wären Themen aufzulisten, die sich mit dem Ziel, den Inhalten und dem Vermittlungsaspekt von sportlichen Bewegungsabläufen in verschiedenen Anwendungsfeldern, wie dem Wettkampf und Leistungssport, dem vereinsorientierten Breitensport und dem studioorientierten Fitnesssport, dem Schulsport und dem Sport in der Rehabilitation und Prävention befassen. Darüber hinaus werden sich neue Anwendungsfelder herausbilden, deren Erschließung und Bearbeitung neue Forschungsthemen liefern werden, z. B. Sport als Wirtschaftsfaktor. Wenig gelöst ist auch die Frage, was die Menschheit am Phänomen Sport so fasziniert. Was lässt bestimmte Sportarten zu Medienrennern werden und andere aus dem Kanon der Sportarten verschwinden? Untrennbar mit der Sportwissenschaft verbunden ist schließlich das gigantische Experiment „Hochleistungssport“. Was können Menschen in einer Vielzahl von Beanspruchungsformen erreichen, wenn sie adäquaten Reizkonfigurationen ausgesetzt werden. In der Masse dürften von diesen Erkenntnissen alle Anwendungsfelder des Sports profitieren, und das unterstreicht die Bedeutung dieses Forschungsthemas. Frage 4: Wo liegen die weißen Flecken sportwissenschaftlicher Forschung? Antwort: Diese Frage lässt sich entweder ganz einfach beantworten oder nur sibyllinisch. Die einfachste Variante besteht darin, dass man sich am Bedarf orientiert, d. h. die meisten forschungsfördernden Institutionen haben Rahmenprogramme, in denen zukünftig zu bearbeitende Forschungsthemen, sog. weiße Flecken, aufgelistet und erläutert werden. Die etwas originellere Variante besteht darin, dass man für sich selbst den bisher aufgelisteten Themenbereich erweitert und die bearbeitete Thematik möglicherweise nach den ersten erfolgsversprechenden Resultaten in den Katalog der zukünftigen Forschungsthemen aufgenommen wird. Die originellste Lösung besteht darin, sich diese „weißen Flecken“ selbst zu schaffen, indem man Forschungsansätze, Methoden oder Methodenkombinationen entwickelt, die neue Sichtweisen auf aktuelle Probleme ermöglichen oder perspektivische Forschungsansätze in Aussicht stellt, die innovativ, kreativ und finanzierbar sind. Schiffer (unter Verwendung wörtlicher Textpassagen)