Der Heldengesang des jungen Peter Handke: Zum Gedicht "Die Aufstellung des 1. FC Nürnberg vom 27.1.1968"

Gespeichert in:
Bibliographische Detailangaben
Autor:Hieber, Jochen
Erschienen in:Anstoss: Die Zeitschrift des Kunst- und Kulturprogramms zur FIFA WM 2006, Nr. 1 (November 2004)
Veröffentlicht:Berlin: Nationale DFB Kulturstiftung WM 2006 (Verlag), 2004, S. 106, Lit.
Format: Literatur (SPOLIT)
Publikationstyp: Sammelwerksbeitrag
Medienart: Gedruckte Ressource
Sprache:Deutsch
Schlagworte:
Online Zugang:
Erfassungsnummer:PU201001001361
Quelle:BISp

Abstract

Handkes Gedicht „Die Aufstellung des 1. FC Nürnberg vom 27.1.1968“ bezieht sich auf das Spiel des 1. FC Nürnberg in der ersten Hauptrunde des DFB-Pokals gegen Bayer Leverkusen, den damaligen Tabellenführer der Regionalliga West, das Nürnberg mit 2:0 gewann. Ins Gedicht erhoben hat die Aufstellung jenes Tages Ewigkeitswert erlangt. Aus einer von allerlei Zufälligkeiten geprägten Formation ist eine Ehrentafel des Fußballs geworden. Sie handelt von konkreten Helden und weist doch mehrfach über sie hinaus. So wird man die Namen dieser Spieler noch kennen, wenn niemand mehr lebt, der sie persönlich bezeugen könnte. Tragende Säulen der damaligen Mannschaft – der Torwart Roland Wabra, der Abwehrchef Ferdinand Wenauer und der Stürmer Heinz Strehl – sind bereits verstorben. Dank Handkes Gedicht leben sie jedoch für immer. Insofern ist dieses Gedicht auch ein Epitaph. In Handkes Gedicht ist auch ein inzwischen längst untergegangenes Spielsystem zu bewundern, bei dem vor dem Torhüter zwei Verteidiger für Ordnung sorgten, drei Mittelläufer vor allem defensive Aufgaben wahrnahmen und fünf Stürmer ungeheuren Druck auf das gegnerische Tor garantierten. Handkes Gedicht steht nicht nur in der lyrischen Tradition des Heldengesangs, sondern auch in der des Figurengedichts, dessen metrische Anlage durch Schrift- oder Druckbild äußere Form gewinnt und entweder einen irdischen Gegenstand oder eine metaphysische Idee abbildet. Nicht zu vergessen ist auch die Konkrete Poesie, die als jüngste Traditionslinie des figurativen Gedichts und damit als unmittelbare Folie für Handkes Poem vor gut vier Jahrzehnten durchaus Epoche machte und den barocken Sprach- und Bilderernst in ein lustvolles Buchstabenspiel oder gleich in den „aufgeklärten Nonsense“ überführte. Von all diesen Überlieferungssträngen finden sich unschwer Spuren im Gedicht des jungen Handke. Das Gedicht „Die Aufstellung des 1. FC Nürnberg vom 27.1.1968“ ist Handkes Lyrikband „Die Innenwelt der Außenwelt der Innenwelt“ (1968) entnommen. 1970 veröffentlichte Handke die Erzählung „Die Angst des Tormanns beim Elfmeter“, nicht nur ein Schlüsseltext der Literatur jener Zeit, sondern auch ein Meilenstein für die damals massiv beginnende intellektuell-literarische Aufwertung des Fußballs. Schiffer (unter Verwendung wörtlicher Textpassagen)