Wieviel Zaun braucht der Fan? Die Angst des DFB vor den Zuschauern
Autor: | Biermann, Christoph |
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Erschienen in: | "Holt Euch das Spiel zurück" Fans und Fußball |
Veröffentlicht: | Hildesheim: Verl. Die Werkstatt (Verlag), 1995, S. 45-56 |
Format: | Literatur (SPOLIT) |
Publikationstyp: | Sammelwerksbeitrag |
Medienart: | Gedruckte Ressource |
Sprache: | Deutsch |
Schlagworte: | |
Online Zugang: | |
Erfassungsnummer: | PU201001001217 |
Quelle: | BISp |
Abstract
Zäune in Fußballstadien gelten im Allgemeinen als Sicherheitsmaßnahme. Dass Zäune jedoch eine trügerische Sicherheit bieten, wurde vor allem durch das Hillsborough-Desaster von 1989 auf blutige Weise bewiesen. 95 Fans des FC Liverpool wurden in einem überfüllten Block des Stadions erdrückt. Schuld daran war u. a. ein Zaun, der die Flucht aus dem tödlichen Gedränge auf das Spielfeld verhinderte. Auch andere große Katastrophen des englischen Fußballs stehen im Zusammenhang mit dem Vorhandensein oder der Abwesenheit von Zäunen um das Spielfeld. Wahrscheinlich wäre die Zahl der Opfer bei Europapokalhalbfinale 1985 im Brüsseler Heysel-Stadion wesentlich geringer gewesen, hätten die Anhänger von Juventus Turin vor den Schlägern aus Liverpool aufs Spielfeld fliehen können. So starben 39 Menschen. Dass im Stadion von Bradford City vor der Haupttribüne, die im selben Jahr in Flammen aufging, keine Zäune standen, hat viele Menschenleben gerettet, denn eine große Zahl von Zuschauern konnte sich auf das Spielfeld retten. Während diese Erfahrungen in England dazu führten, dass nur noch wenige Spielfelder eingezäunt sind, veränderte sich die Sicherheitsphilosophie in Deutschland zunächst kaum. Neben dem Sicherheitsrisiko, das die Zäune für die Zuschauer darstellen, und der Sichtbehinderung haben sie aber auch noch eine symbolische Qualität: Klar und deutlich trennen sie zwischen der Welt der Spieler, Vereine und Funktionäre und der Welt der Fans. Die Gitter mit Stacheldraht oder Spitzen auf ihrer Krone machen die Entfremdung zwischen beiden Welten sichtbar. Außerdem definieren sie die Zuschauer als Problem. Es waren jedoch weniger die Fans selbst, die die Abschaffung der Zäune forcierten, sondern die Tatsache, dass sie nicht mehr in das Bild des sich modernisierenden Profifußballs passen. „Wie will man ein neues, zahlungskräftiges Mittelklasse-Publikum, das nicht bereit ist, seine Freizeit an einem Ort zu verbringen, der wie ein Gefängnis aussieht, ins Stadion locken?“ Schiffer (unter Verwendung wörtlicher Textpassagen)