Gutachten "Systematische Manipulationen im Radsport und Fußball" (ergänzt im April 2017) : Wissenschaftliches Gutachten zu neuen Erkenntnissen zum Doping in der Bundesrepublik Deutschland im Zusammenhang mit dem Wirken von Armin Klümper. Mainz 2015 (letzte Erweiterung im April 2017)

Gespeichert in:
Bibliographische Detailangaben
Autor:Singler, Andreas
Mitarbeiter:Heitner, Lisa
Veröffentlicht:Freiburg i. Br. 2017
Forschungseinrichtung:Universität Freiburg / Universitätsklinik / Expertenkommission zur Aufklärung von Dopingvorwürfen gegenüber Ärzten
Format: Internetquelle (Fachinfoführer Sport)
Medienart: Elektronische Ressource (online)
Dokumententyp: Fachbuch, Bericht, Studie
Dateiformat:pdf
Organisationstyp:Forschungsprojekte
Sprache:Deutsch
Schlagworte:
Online Zugang:
Erfassungsnummer:WE020170500032
Quelle:BISp

Abstract des Autors

Lange Zeit war der Nachweis von Dopingmaßnahmen in der Geschichte des westdeutschen Sports lediglich auf der Basis von Einzelbefunden möglich. Systematisches Doping auf eine für den Westen Deutschlands spezifische Weise konnte zwar theoretisch angenommen werden, die genauen Ausmaße waren jedoch zum großen Teil nicht exakt bestimmbar. Durch die Arbeit der Evaluierungskommission Freiburger Sportmedizin ist es gelungen, hierzu ein präziseres Bild zu zeichnen.
Nach Auswertung der Ende 2014 dem Staatsarchiv Freiburg übergebenen Athleten der Staatsanwaltschaft Freiburg zum 1984 eröffneten und 1989 mit einer Geldstrafe abgeschlossenen Strafverfahren gegen Prof. Dr. Armin Klümper, Sporttraumatologische Spezialambulanz der Universitätskliniken Freiburg, ist es nun möglich, nicht nur flächendeckende Dopingaktivitäten des Bundes Deutscher Radfahrer (BDR) unter Anleitung von Klümper zu beweisen. Bewiesen werden kann nun auch die Finanzierung dieses Dopings durch den Verband und damit letztlich durch das Bundesministerium des Inneren. Selbst Minderjährige sollten auf diesem Wege mit Anabolika gedopt werden.
Zum zweiten ist nunmehr erstmals der sichere Befund möglich, dass Anabolikadoping und andere medizinisch eindeutig nicht indizierte Manipulationsmaßnahmen, auch im Profifußball eine signifikante Rolle spielten. Betroffen davon war der damalige Bundesligaverein VfB Stuttgart in größerem Umfang und der SC Freiburg, bei dem eine Anabolikalieferung zur Auffüllung eines Medikamentenkoffers 1979 nachweisbar ist. Dabei kam jeweils das Anabolikum Megagrisevit zum Einsatz, das auch von der von Klümper behandelten, 1987 verstorbenen Leichtathletin Birgit Dressel zeitweise eingenommen wurde.
Im Fußball frappieren über die Frage hinaus, ob und in welcher Größenordnung hier Doping auch mit Anabolika historisch eine Rolle gespielt haben, die von den Vereinen umfangreichen finanzierten, ausdrücklich für Gesunde gedachten Medikationen im Umfang von mehreren Zehntausend DM pro Jahr in den späten 1970er und frühen 1980er Jahren. Da sie zumindest teilweise ganz offenkundig nicht medizinisch indiziert waren, waren sie aus medizinethischer Sicht als ärztliches Doping anzusehen, unabhängig davon, ob sie im Sport zum damaligen Zeitpunkt sportrechtlich als Doping gelistet waren oder nicht. Der von den Vereinen betriebene pharmakologische Betreuungsaufwand verweist auf eine verbreitete Praxis des Medikamentenmissbrauchs im Fußball insgesamt, die geeignet war, vielen Spielern den Weg in die Medikamentenabhängigkeit zu ebnen. Am Beispiel des SC Freiburg lässt sich u.a. anhand des Umgangs mit starken Schmerzmitteln darüber hinaus aufzeigen, dass die Praxis der medizinisch nicht indizierten Behandlungen nicht nur eine Problematik der 1970er oder 80er Jahre darstellte. Auch nach der Jahrtausendwende sind, parallel zum Freiburger Radsportskandal, derartige Medikationen durch einen zurückgetretenen Mannschaftsarzt gegenüber dem als dopingkritisch geltenden Trainer beklagt worden.
Sicher bewiesen ist nunmehr, dass Doping und andere medizinisch nicht indizierte Manipulationen in der BRD keineswegs nur der individuellen Verantwortung einzelner Sportler überstellt war, sondern dass es über einzelne Sportverbände oder Sportvereine mitunter zentral organisiert und finanziert wurde. Ausdrücklich sei festgehalten, dass eine Zuordnung von Medikationen an einzelne, konkret zu benennende Spieler nach Auswertung der Akten der Staatsanwaltschaft Freiburg nicht möglich ist. Gezeigt werden können aber erstmalig die Strukturen des Dopings und des ärztlich-ethisch ebenso verwerflichen sonstigen Medikamentenmissbrauchs im Fußball am Beispiel der hauptverantwortlichen Mitwirkung von Prof. Dr. Klümper inklusive der Finanzierung solcher Aktivitäten durch die Vereine. Im Zuge einer Überprüfung des Gutachtens im April 2017 und einer neuerlichen Durchsicht der Freiburger Strafakten fiel erschwerend noch auf, dass Klümper mehrfach zwischen 1979 und 1984 menschliches Wachstumshormon (Crescormon) bezog, teils während bereits gegen ihn ermittelt wurde. Dieses Medikament musste damals noch aus den Hypophysen von Leichen gewonnen werden und wurde 1985 wegen gravierender möglicher Gesundheitsrisiken vom Markt genommen. Seine einzige Indikationsstellung bestand in der Behandlung von Minderwuchs bei Kindern, sofern dieser durch eine Insuffizienz der Hypophyse ausgelöst war.
Das im Vergleich zu synthetischen Anabolika vielfach teurere Wachstumshormon wurde über die Klümper zur Last gelegten Rezeptbetrügereien bezogen. Insofern lässt sich hier eine gewisse Vorgeschichte zu den mutmaßlichen Dopingbehandlungen Klümpers mit Wachstumshormon in den 1990er Jahren aufzeigen.
Festgestellt werden konnte zuletzt auch noch, dass Dr. Georg Huber aus der Abteilung Sport- und Leistungsmedizin seit etwa 1980 in das Betrugssystem Klümpers zeitweise eingebunden war. Nachgewiesen werden kann in diesem Zusammenhang auch eine bisher nicht aufgefallene Bestellung des Anabolikums Megagrisevit durch Huber um die Jahreswende 1980/81. Das vielfach zu beklagende institutionelle Versagen in der Causa Klümper gipfelte 1984 und danach in der Weigerung der Staatsanwaltschaft Freiburg, wegen Körperverletzung im Zusammenhang mit dem Massendoping Klümpers zu ermitteln, obwohl sogar Hinweise auf Minderjährigendoping im Radsport Vorlagen. Dieses dramatische Versäumnis stellt eines von vielen unaufgeklärten Problemen dar, die dringend der Arbeit eines Untersuchungsausschusses im baden-württembergischen Landtag überstellt werden sollten. Wissenschaftliche Methoden reichen für eine vollständige Aufklärung solcher offenen Fragen nicht aus.
Nach Auswertung der Ende 2014 dem Staatsarchiv Freiburg übergebenen Aleten der Staatsanwaltschaft Freiburg zum 1984 eröffneten und 1989 mit einer Geldstrafe abgeschlossenen Strafverfahren gegen Prof. Dr. Armin Klümper, Sporttraumatologische Spezialambulanz der Universitätskliniken Freiburg, ist es nun möglich, nicht nur flächendeckende Dopingaktivitäten des Bundes Deutscher Radfahrer (BDR) unter Anleitung von Klümper zu beweisen. Bewiesen werden kann nun auch die Finanzierung dieses Dopings durch den Verband und damit letztlich durch das Bundesministerium des Inneren. Selbst Minderjährige sollten auf diesem Wege mit Anabolika gedopt werden.
Zum zweiten ist nunmehr erstmals der sichere Befund möglich, dass Anabolikadoping und andere medizinisch eindeutig nicht indizierte Manipulationsmaßnahmen, auch im Profifußball eine signifikante Rolle spielten. Betroffen davon war der damalige Bundesligaverein VfB Stuttgart in größerem Umfang und der SC Freiburg, bei dem eine Anabolikalieferung zur Auffüllung eines Medikamentenkoffers 1979 nachweisbar ist. Dabei kam jeweils das Anabolikum Megagrisevit zum Einsatz, das auch von der von Klümper behandelten, 1987 verstorbenen Leichtathletin Birgit Dressel zeitweise eingenommen wurde.
Im Fußball frappieren über die Frage hinaus, ob und in welcher Größenordnung hier Doping auch mit Anabolika historisch eine Rolle gespielt haben, die von den Vereinen umfangreichen finanzierten, ausdrücklich für Gesunde gedachten Medikationen im Umfang von mehreren Zehntausend DM pro Jahr in den späten 1970er und frühen 1980er Jahren. Da sie zumindest teilweise ganz offenkundig nicht medizinisch indiziert waren, waren sie aus medizinethischer Sicht als ärztliches Doping anzusehen, unabhängig davon, ob sie im Sport zum damaligen Zeitpunkt sportrechtlich als Doping gelistet waren oder nicht. Der von den Vereinen betriebene pharmakologische Betreuungsaufwand verweist auf eine verbreitete Praxis des Medikamentenmissbrauchs im Fußball insgesamt, die geeignet war, vielen Spielern den Weg in die Medikamentenabhängigkeit zu ebnen. Am Beispiel des SC Freiburg lässt sich u.a. anhand des Umgangs mit starken Schmerzmittein darüber hinaus aufzeigen, dass die Praxis der medizinisch nicht indizierten Behandlungen nicht nur eine Problematik der 1970er oder 80er Jahre darstellte. Auch nach der Jahrtausendwende sind, parallel zum Freiburger Radsportskandal, derartige Medikationen durch einen zurückgetretenen Mannschaftsarzt gegenüber dem als dopingkritisch geltenden Trainer beklagt worden.
Sicher bewiesen ist nunmehr, dass Doping und andere medizinisch nicht indizierte Manipulationen in der BRD keineswegs nur der individuellen Verantwortung einzelner Sportler überstellt war, sondern dass es über einzelne Sportverbände oder Sportvereine mitunter zentral organisiert und finanziert wurde. Ausdrücklich sei festgehalten, dass eine Zuordnung von Medikationen an einzelne, konkret zu benennende Spieler nach Auswertung der Akten der Staatsanwaltschaft Freiburg nicht möglich ist. Gezeigt werden können aber erstmalig die Strukturen des Dopings und des ärztlich-ethisch ebenso verwerflichen sonstigen Medikamentenmissbrauchs im Fußball am Beispiel der hauptverantwortlichen Mitwirkung von Prof. Dr. Klümper inklusive der Finanzierung solcher Aktivitäten durch die Vereine. Im Zuge einer Überprüfung des Gutachtens im April 2017 und einer neuerlichen Durchsicht der Freiburger Strafakten fiel erschwerend noch auf, dass Klümper mehrfach zwischen 1979 und 1984 menschliches Wachstumshormon (Crescormon) bezog, teils während bereits gegen ihn ermittelt wurde. Dieses Medikament musste damals noch aus den Hypophysen von Leichen gewonnen werden und wurde 1985 wegen gravierender möglicher Gesundheitsrisiken vom Markt genommen. Seine einzige Indikationsstellung bestand in der Behandlung von Minderwuchs bei Kindern, sofern dieser durch eine Insuffizienz der Hypophyse ausgelöst war.
Das im Vergleich zu synthetischen Anabolika vielfach teurere Wachstumshormon wurde über die Klümper zur Last gelegten Rezeptbetrügereien bezogen. Insofern lässt sich hier eine gewisse Vorgeschichte zu den mutmaßlichen Dopingbehandlungen Klumpers mit Wachstumshormon in den 1990er Jahren aufzeigen.
Festgestellt werden konnte zuletzt auch noch, dass Dr. Georg Huber aus der Abteilung Sport- und Leistungsmedizin seit etwa 1980 in das Betrugssystem Klümpers zeitweise eingebunden war. Nachgewiesen werden kann in diesem Zusammenhang auch eine bisher nicht aufgefallene Bestellung des Anabolikums Megagrisevit durch Huber um die Jahreswende 1980/81. Oas vielfach zu beklagende institutionelle Versagen in der Causa Klümper gipfelte 1984 und danach in der Weigerung der Staatsanwaltschaft Freiburg, wegen Körperverletzung im Zusammenhang mit dem Massendoping Klümpers zu ermitteln, obwohl sogar Hinweise auf Minderjährigendoping im Radsport Vorlagen. Dieses dramatische Versäumnis stellt eines von vielen unaufgeklärten Problemen dar, die dringend der Arbeit eines Untersuchungsausschusses im baden-württembergischen Landtag überstellt werden sollten. Wissenschaftliche Methoden reichen für eine vollständige Aufklärung solcher offenen Fragen nicht aus.