Betrachtung der Sportvereine nach Themenfeldern: Prävention von und Intervention bei sexualisierter Gewalt im Sportverein

Gespeichert in:
Bibliographische Detailangaben
Autor:Hartmann-Tews, Ilse; Rulofs, Bettina; Feiler, Svenja; Breuer, Christoph
Erschienen in:Sportentwicklungsbericht 2015/2016. Bd. 1: Analyse zur Situation der Sportvereine in Deutschland
Veröffentlicht:Hellenthal: Sportverl. Strauß (Verlag), 2017, S. 195-242; Lit.-Verz.: S. 804-813, Lit.
Herausgeber:Bundesinstitut für Sportwissenschaft
Format: Literatur (SPOLIT)
Publikationstyp: Sammelwerksbeitrag
Medienart: Gedruckte Ressource
Sprache:Deutsch
Schlagworte:
Online Zugang:
Erfassungsnummer:PU201708006580
Quelle:BISp

Abstract des Autors

Der DOSS und seine Mitgliedsorganisationen haben sich 2010 bei der Mitgliederversammlung mit einer eigenen Erklärung (sog. Münchener Erklärung) zur Verantwortung für den Schutz von Kindern und Jugendlichen im Sport bekannt und eine Selbstverpflichtung zur Prävention sexualisierter Gewalt verabschiedet (vgl. DOSB, 2010). Rund fünf Jahre nach dieser Erklärung wurden im Rahmen der Vereinsbefragung zum Sportentwicklungsbericht Sportvereine zur Prävention von und Intervention bei sexualisierter Gewalt befragt, um zu untersuchen (1) wie die Basis des gemeinnützig organisierten Sports die Relevanz der Thematik einschätzt, (2) welche Maßnahmen sie zum Schutz der Kinder und Jugendlichen getroffen haben, (3) welche Unterstützung sie dabei bekommen oder benötigen und (4) wie sie mit Verdachts-Notfällen umgehen. Insgesamt schätzt knapp die Hälfte der Vereine das Thema der Prävention sexualisierter Gewalt im Sport als relevant ein. Gut ein Drittel gibt an, dass im eigenen Verein offen über diese Thematik gesprochen wird, fundierte Kenntnisse über die Thematik vorliegen und man sich aktiv gegen sexualisierte Gewalt im Sport einsetzt. Durchschnittlich haben die Vereine zwei von 14 vorgegebenen möglichen Präventionsmaßnahmen umgesetzt (MW=2,3). Allerdings existiert in gut einem Drittel der Vereine (37,5%) keine einzige Maßnahme, und es geben zwischen 40 und 75% der Vereine bei den einzelnen Maßnahmen an, dass sie auch nicht planen, eine solche Maßnahme einzuführen. Eine Differenzierung der Vereine nach strukturellen und angebotsspezifischen Faktoren zeigt, dass es systematische Zusammenhänge zwischen einzelnen Faktoren und der Einschätzung der Relevanz des Themas sowie der Implementierung von Präventionsmaßnahmen gibt. Größere Vereine sowie Vereine, die in größeren Gemeinden angesiedelt sind, die Träger der freien Jugendhilfe sind, die Kaderathlet/-innen in ihren Reihen sowie Frauen im Vorstand haben und über mindestens eine bezahlte Führungsposition verfügen, schätzen die Prävention von sexualisierter Gewalt im Sport eher als relevantes Thema ein und haben mehr Präventionsmaßnahmen implementiert als die anderen Vereine. In Bezug auf die Sportangebote zeigt sich bei den Einspartenvereinen ein positiver Effekt sowohl auf die Einschätzung der Relevanz des Themas Prävention sexualisierter Gewalt im Sport als auch auf die Anzahl der umgesetzten Präventionsmaßnahmen bei Vereinen, die asiatische Kampfsportarten anbieten (Aikido, Judo, Ju-Jutsu, Karate), oder spezifische Wassersportarten (Schwimmen, Rettungsschwimmen, Tauchen, Kanu/Kajak) oder auch Rollsport/lnlinesport. Unterstützung erhalten die Vereine bei ihrer Präventionsarbeit insbesondere aus dem Sportverbandssystem selbst, d.h. auf der Landesebene vom Landessportbund (LSB) bzw. der Sportjugend (52,8%). Von Bedeutung sind aber auch die Stadt-/Kreissportbünde (40,7%), die Fachverbände auf Bundes- und Landesebene (33,8%) und der DOSB bzw. die Deutsche Sportjugend (dsj) auf Bundesebene (29,4%). Insgesamt gaben 220 Vereine (1,7%) an, in den vergangenen fünf Jahren von Verdachts- bzw. Vorfällen sexualisierter Gewalt in ihrem Verein erfahren zu haben. Den meisten zuletzt bekannt gewordenen Verdachts- bzw. Vorfällen lagen verschiedene sexualisierte Handlungen zugrunde. Die am häufigsten genannten Vorkommnisse waren unerwünschte sexualisierte Berührungen am Körper und an Geschlechtsteilen, die von gut einem Drittel der betroffenen Vereine als Grundlage des konkreten Falls genannt wurden (35,4%), sowie darüber hinaus verschiedene Formen verbalisierter sexualisierter Gewalt in Form von Witzen, Sprüchen oder Schimpfwörtern (32,4% der betroffenen Vereine). Die in diesen Fällen von sexualisierter Gewalt betroffenen Personen (Opfer) sind überwiegend Mädchen und Frauen (73,1%) aber zu einem Viertel auch Jungen (26,9%) und überwiegend Minderjährige (86,6%). Es handelt sich bei ihnen überwiegend um Athlet/-innen des Vereins (56,5%) oder Übungsleiter/-innen und Trainer/-innen (24,2%). Die verursachenden oder verdächtigten Personen (Täter/-innen) sind überwiegend Jungen und Männer (98,4%) und volljährig (81,6%). Sie stammen hauptsächlich aus verschiedenen Bezugsgruppen im portverein, in erster Linie aus dem Kreis der Trainer/-innen und Übungsleiter/-innen (53,2%), darüber hinaus auch aus der Gruppe der Athlet/-innen (24,9%), wobei diese Zahlen auch Überschneidungen widerspiegeln. Mit Blick auf den aktuellen Stand des zuletzt bekannt gewordenen Verdachts-/Vorfalls zeigen die Antworten, dass sich 42,0% der Verdachts-Notfälle bestätigt haben und 30,7% nicht bestätigt haben. In 4% der Fälle laufen die Ermittlungen noch, und 23,3% der Verdachts-Notfälle konnten laut Angaben der betroffenen Vereine letztendlich nicht geklärt werden. In knapp der Hälfte der betroffenen Vereine (47,9%) hatte der Verdachts-Notfall deutliche und z.T. rechtliche Konsequenzen für die verdächtigte Person bzw. den/die Verursacher/-in innerhalb des Vereins. Hierzu gehören bspw. Rücktritt der Person aus ihren Funktionsrollen, Lizenzentzug oder Ausschluss aus dem Verein. Umgekehrt gab es auch in 16% der betroffenen Vereine bei dem letzten Fall eine Rehabilitation der unschuldig verdächtigten Personen.