Historische und politische Aspekte von Sport und Zuwanderung in Deutschland

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Autor:Blecking, Diethelm
Erschienen in:Politik im Sport : Dokumentation des Symposiums "Sportpolitik als wissenschaftliche Entwicklungsregion" am 18./19. Juni 2009 in Göttingen
Veröffentlicht:Hildesheim: Arete-Verlag (Verlag), 2010, S. 96-112, Lit.-Verz. S. 179-195, Lit.
Format: Literatur (SPOLIT)
Publikationstyp: Sammelwerksbeitrag
Medienart: Gedruckte Ressource
Sprache:Deutsch
Schlagworte:
Online Zugang:
Erfassungsnummer:PU201102001620
Quelle:BISp

Abstract

Ein z. Zt. noch kaum bewohntes bzw. spärlich eingerichtetes Zimmer im Haus der historischen Migrationsforschung bezeichnet in Deutschland die Adresse der Sportgeschichte. Kaum eine Hand voll von Autoren hat sich bisher mit der Thematik beschäftigt, obwohl gerade die Themen der historischen Migrationsforschung im Sport die sowohl modische als auch berechtigte Forderung nach transnationaler Geschichte einzulösen imstande sind und die für die Migrationsforschung zentrale Frage der Integration von Einwanderern unter verschiedenen Aspekten auch im Mittelpunkt der Sportforschung steht. Historische Migrationsforschung hat immer die Mythen über Herkunft, ethnische Zugehörigkeit und ihre politische Instrumentalisierung wissenschaftlich aufgeklärt und kritisiert. Historische Migrationsforschung im Sport ist deshalb auch zu allererst ein Unternehmen, das mit der Dekonstruktion von vorwissenschaftlichen Erzählungen über die Rolle von informellem und organisiertem Sport im Kontext von Migrationsbewegungen und der Entstehung von Minderheiten beschäftigt ist. Der zäheste Mythos und Nährboden für historische Legendenbildung ist dabei, nicht nur in Deutschland, sondern u. a. auch im Nachbarland Frankreich mit seiner bedeutenden Zuwanderung, die Vorstellung, Sport sei ein probates Mittel, ja geradezu ein Selbstläufer zur Bewältigung der Integrationsprobleme zwischen Zuwanderern und der alteingesessenen Bevölkerung. Statements, die angebliche historische "Erfahrungen" zitieren, gehören in diesem Kontext zum Standardrepertoire von Politikern verschiedener Provenienz. Diese Behauptungen dienen in großem Umfang der Geschichtspolitik, d.h. der Beschwichtigung der Bevölkerung, was die Lösung der gravierenden Integrationsprobleme angeht, und teilweise auch als Appell an die jüngere Zuwanderung, sich ähnlich konstruktiv zu verhalten, wie die Menschen während der älteren Wanderungsbewegungen sich angeblich bemüht hätten. In der Tat aber weisen die Migrationsbewegungen vor dem Ersten Weltkrieg und die Zuwanderung seit 1955 Strukturähnlichkeiten auf, sodass die temporale historische Perspektive bei der Diskussion um Sport und Migration in Deutschland eine wichtige Voraussetzung bleibt. Im Zentrum dieser Betrachtung steht deshalb auch ein Überblick über die Zusammenhänge von Sport und Migration während der ersten großen Zuwanderung in die Industriegebiete des Deutschen Reiches durch polnischstämmige Menschen vor 1914 und eine Fortschreibung dieses Überblicks für die Migrationsbewegungen nach dem Zweiten Weltkrieg bis zum wiedervereinigten Deutschland. Dabei rückt hier die größte Gruppe der Migranten, die türkische Zuwanderung in den Mittelpunkt des Interesses. Aus dem Text