"Geistige Arbeit" als körperlicher Vollzug : Zur Perspektive einer vom Sport ausgehenden praxeologischen Sozialanalyse

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Bibliographische Detailangaben
Autor:Schmidt, Robert
Erschienen in:Body turn : Perspektiven der Soziologie des Körpers und des Sports
Veröffentlicht:Bielefeld: Transcript-Verl. (Verlag), 2006, S. 297-320, Lit.
Format: Literatur (SPOLIT)
Publikationstyp: Sammelwerksbeitrag
Medienart: Gedruckte Ressource
Sprache:Deutsch
Schlagworte:
Online Zugang:
Erfassungsnummer:PU200811004075
Quelle:BISp

Abstract

Dieser Beitrag orientiert sich an einer praxisorientierten Fassung des Sozialen. Dabei wird am Beispiel des Boxens die sportliche Praxis soziologisch analysiert. Die gewonnenen Erkenntnisse werden im Folgenden auf das Programmieren von Software transformiert, um auf diese Weise auch geistige Arbeit zu untersuchen. Hiernach werden die Erkenntnisse der vorliegenden Analyse in Bezug zum "practical turn" der Sozialwissenschaften gesetzt. Dabei werden im ersten Abschnitt die Ergebnisse unterschiedlicher Soziologen und ihrer Untersuchungen im Boxmilieu - Mead, Wacquant und Bourdieu - dargestellt. Mead sieht Prozesse wechselseitiger Verhaltensanpassung und unterstreicht Gestisches in der Interaktion am Beispiel der Finte. Wacquant streicht seine Veränderungen und Erfahrungen seiner Untersuchung heraus, die er selbst als Proband und Amateurboxer über Jahre hinweg erfahren hat. Bourdieu setzt seinen Akzent auf Aktion und Reaktion, d.h. er beschreibt einen Boxer, der die Hinweise des Gegners erkennt und seine Handlungen dementsprechend umsetzt. Diese Ansätze und Erkenntnisse der Soziologie des Boxens werden verglichen. Zusammenfassend kommt Verf. zum Ergebnis, dass Intentionalismus, Verbundenheit von Geist, Gestik und Körperbewegung sowie Transindividualität vorliegen. Im weiteren Verlauf des Beitrags werden die erlangten Erkenntnisse auf das Feld der Computerprogrammierung angewendet. Auch hier kommt Verf. nach einer kurzen Darstellung der Studie, einer Lokalisation und Beschreibung der Probanden zu dem Schluss, dass jeder Programmierer trotz geistiger Arbeit sein Handeln durch Gestik preisgibt. Es finden interaktive Formen der Verständigung sowie Zusammenarbeit statt. Lösungen werden gemeinsam besprochen, Formen der Arbeit sind durch Rhythmik und Gestik im praktischen Vollzug erkennbar. Programmieren ist nach Meinung des Verf. eine geistige Arbeit, die sich auf körperlich-mentales, praktisches Wissen stützt. Die Büroarbeit nimmt nach Verf. „den Körper aus dem Spiel", die Gestiken verraten das Handeln ihrerseits. Ein kontrafaktisches Ansetzen dieser Erkenntnisse und beobachtbaren Vollzüge könnte nun im Sinne einer praxeologischen Sozialanalyse neue Wege der Analyse von geistiger Arbeit eröffnen. Abschließend diskutiert der Verf. diesen Zusammenhang bezüglich des "practical turn" der Sozialwissenschaften anhand der Darstellung unterschiedlicher Ausführungen der allgemeinen Literatur. Orthmann