Fußball als milieubildende Kraft im Wandel der Zeit

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Bibliographische Detailangaben
Autor:Rautenberg, Michael
Erschienen in:Doppelpässe : eine sozialwissenschaftliche Fußballschule
Veröffentlicht:Weinheim: Juventa-Verl. (Verlag), 2008, S. 24-29, Lit.
Format: Literatur (SPOLIT)
Publikationstyp: Sammelwerksbeitrag
Medienart: Gedruckte Ressource
Sprache:Deutsch
Schlagworte:
Online Zugang:
Erfassungsnummer:PU200811003814
Quelle:BISp

Abstract

Vom 14. bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts war das Fußballspiel ein „simples, wildes und unreguliertes Volksspiel, das nach ungeschriebenen, tradierten Regeln gespielt wurde“, die von Ort zu Ort variierten. Erst durch die großen Einhegungen seit dem 18.Jahrhundert und die rasante industrielle Entwicklung mit ihren Folgen, aber auch durch die Einrichtung der Polizei 1835, wurde der volkstümliche Fußball in England sowohl auf dem Land als auch in den Städten nahezu ausgerottet. Das Fußballspiel überlebte jedoch an den englischen Public Schools, den Privatschule und Universitäten in Cambridge, Shrewsbury, Rugby, Eton etc. Dabei diente im Rahmen des sog. „Prefect-Fagging-Systems“ bzw. „Primaner-Fuchs-Systems“ das Fußballspiel den älteren Schülern dazu, die Regeln des Zusammenlebens an der Schule klarzustellen und ihre Machtposition zu verdeutlichen. Als das Fußballspiel dann zwischen 1830 und 1860 langsam begann, sich zu einem Spiel mit festeren und nun auch schriftlich fixierten Regeln zu entwickeln, entschärfte es sich auch nach und nach in seinem Grad an erlaubter Brutalität und Gewalt. Aber auch wenn das Spiel nun gezähmter war, so war es nach wie vor ein Ort, an dem Männlichkeit ausgelebt werden konnte. Fußball wurde nun immer mehr ein Sport der Arbeiterklasse, was durch die seit dem Ende des 19. Jahrhunderts verkürzten Arbeitszeiten und der Verbesserung der sozialen Situation der Arbeiter gefördert wurde. Der Fußball ermöglichte zudem die Herstellung neuer Zugehörigkeiten und Verbindlichkeiten nach der Zerstörung traditioneller Lebenszusammenhänge durch die fortschreitende Industrialisierung. Als authentischster Entstehungsort von Arbeiterfußballvereinen gilt zumindest in England die Kneipe, worauf auch die untrennbare Verbindung des ungehemmten Alkoholgenusses und Fußballs zurückzuführen ist. Auch beim Wandel des Fußballs vom Aktiven- zum Zuschauersport hat die Kneipe ihre zentrale Stellung nicht verloren und gilt noch immer als zentraler Kommunikationsort der Fans, „quasi als sozialer Kontenpunkt zwischen Wohnung und Stadion“. Waren die Profispieler und die Zuschauer bis in die 1950er und 60er Jahre noch eng verbunden, weil sie aus demselben Milieu stammten und sich hinsichtlich ihres Lebensstils ähnelten, so drifteten Spieler und Fanmilieus mehr und mehr auseinander, als die Obergrenzen für die Spielergagen fielen und die mediale und kommerzielle Vermarktung des Fußballs einsetzte. Verf. zufolge fließen beide Milieus aber in der Kulmination des Spiels im Stadion wieder zusammen. Schiffer (unter Verwendung wörtlicher Textpassagen)