Freunde hinter Stacheldraht - "Es gibt nur zwei Meister an der Spree, Union und Hertha BSC!"

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Bibliographische Detailangaben
Autor:Wiese, René
Erschienen in:Fußball in Geschichte und Gesellschaft : Tagung der dvs-Sektionen Sportgeschichte und Sportsoziologie vom 29.9.-1.10.2004 in Münster
Veröffentlicht:Hamburg: Czwalina (Verlag), 2006, S. 47-56, Lit.
Forschungseinrichtung:Deutsche Vereinigung für Sportwissenschaft / Sektion Sportgeschichte ; Deutsche Vereinigung für Sportwissenschaft / Sektion Sportsoziologie
Format: Literatur (SPOLIT)
Publikationstyp: Sammelwerksbeitrag
Medienart: Gedruckte Ressource
Sprache:Deutsch
Schlagworte:
DDR
Fan
Online Zugang:
Erfassungsnummer:PU200606001302
Quelle:BISp

Abstract

Unter den DDR-Fußballfans war es gängige Praxis, neben ihrem bevorzugten DDR-Oberliga-Verein einem Bundesliga-Verein die Treue zu halten. Die Fußballfans der DDR waren zum einen aus sportlichen Gründen davon überzeugt, dass in der Bundesliga der beste Fußball Europas gespielt wurde. Zum anderen lieferten ihnen die erfolgreichen bundesdeutschen Profimannschaften per se eine „Ersatzidentität“, zu der der erfolglose DDR-Fußball nicht in der Lage war. Hertha BSC zog somit viele Fans aus der DDR und Ostberlin in seinen Bann. Im speziellen Fall der Fans des 1. FC Union zu Hertha BSC kam die besondere Situation in der Hauptstadt der DRR hinzu. Der BFC Dynamo, der als protegierter Stasi-Verein in den 1980er Jahren zum Abonnement-Meister avancierte, war sportlich zum Vorzeigeklub der DDR-Hauptstadt geworden. Beliebter bei den meisten Fans in Ostberlin war jedoch der Köpenicker Konkurrenzverein 1. FC Union, der sportlich zwar ein Schattendasein führte, in seiner Underdog-Rolle jedoch viele Sympathiepunkte bei den Ostberlinern sammeln konnte. Im Westen galt Union als Oppositionsklub und hatte eine ähnliche Biografie wie Hertha BSC vorzuweisen. Als Reflex auf das Dauermeisterabonnement des BFC lautete daher ein Schlachtruf der Union-Fans: „Es gibt nur zwei Meister an der Spree, Union und Hertha BSC!“ Hertha BSC besaß in den Augen der Ostberliner ein ähnliches Underdog-Image wie Union. Vor diesem Hintergrund geht Verf. der Frage nach, wie unter den gesellschaftspolitischen Rahmenbedingungen eine gelebte Fankultur zwischen Ost und West in Form einer Fanfreundschaft stattfinden konnte und welche Handlungsspielräume sich den Fans in diesem staatlich besonders stark kontrollierten Gesellschaftsfeld eröffneten. Interessant ist auch der Hinweis, dass die Fanfreundschaft nach der „Wende“ immer mehr in Vergessenheit geriet. Noch 1991 ergab eine Umfrage des Fanzines „Fußball-Kurier“ unter den Hertha-Fans, dass 82,4 % dem 1. FC Union die Daumen drückten. Mehr als ein Jahrzehnt später ist aus der Fanfreundschaft eine Konkurrenz geworden. Was dem MfS nicht gelang, ist heute der neuen Rivalität der beiden Mannschaften im Profifußball-Geschäft geschuldet. Schiffer (unter Verwendung wörtlicher Textpassagen)