Poetik des Fußballs

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Bibliographische Detailangaben
Autor:Gebauer, Gunter
Veröffentlicht:Frankfurt a.M.: Campus-Verl. (Verlag), 2006, 179 S., Lit.
Format: Literatur (SPOLIT)
Publikationstyp: Monografie
Medienart: Gedruckte Ressource
Sprache:Deutsch
ISBN:3993379465
Schlagworte:
Online Zugang:
Erfassungsnummer:PU200605001072
Quelle:BISp

Abstract

Das Ziel dieses Buches besteht darin, Elemente zu zeigen, aus denen das Schauspiel des Fußballs heute entsteht. Unter dem von Verf. gewählten Gesichtspunkt sind diese Elemente poetischer Natur, zugleich aber auch tief in die Entwicklungen der heutigen Zeit eingewoben, so dass sie diese nicht nur reflektieren, sondern auch interpretieren. Eine Poetik des Fußballs verschließt daher nicht in schöngeistiger Attitüde die Augen vor dem Hässlichen, Gemeinen und moralisch Krummen des Spiels, sondern erkennt darin eine Quelle, der Lust, diesem zuzusehen. Im Drama des Fußballs findet man Elemente, die von anderen Dramen her bekannt sind, von den Dramen des Theaters, des Films und der Politik. Anders als in diesen entsteht seine Poesie aus einem gemeinen Spiel, das sich von der hohen Kultur abkehrt. Wenn man versucht, den eigentümlichen Zauber des Fußballs in Worte zu fassen, beginnt man am besten mit den Besonderheiten, die den Fußball von jedem anderen Drama unterscheiden: mit dem körperlichen Geschehen der handelnden Personen (Kap. 1). Hier erschließt sich die Poetik des Fußballs in einer Sichtweise, die das Spiel wieder so fremd erscheinen lässt, wie es im Kontext unserer Kultur ist. Die fremde Welt des Fußballs beginnt zu faszinieren, wenn man in sie eingeführt worden ist. Bei einem Kind oder Jugendlichen geschieht dies, wie in einem Akt der Initiation, durch den Vater, die älteren Brüder oder die Freunde (Kap. 2). In die Brüderschaften der Initiierten werden seit einiger Zeit auch Mädchen aufgenommen; es gibt immer mehr weibliche Fangruppen. Die Antwort auf die Frage, was Frauen und Mädchen an diesem Männersport interessiert (Kap. 3), ist schwierig, ohne sich dem Verdacht auszusetzen, aufgrund der eigenen Geschlechtszugehörigkeit befangen zu sein. Die Poesie des Fußballs befindet sich in unmittelbarer Nachbarschaft zu seinem religiösen Gehalt. Fußballfans bilden Gemeinden, denen das Spiel heilig ist und die ihre Lieblingsspieler zu Heiligen verklären (Kap. 4). Auf den Stadionrängen hat sich eine Religiosität verbreitet, die Elemente der katholischen Liturgie übernommen hat, sich aber gegen die christlichen Werte stellt. Mit der Nähe des Fußballs zur Politik verhält es sich anders. Sowohl Fußballliebhaber als auch Politiker suchen im Spiel ihrer Mannschaften ein Fundament und ein Exempel gemeinsamer Werte (Kap. 5). Von der Politik wird gern auf die Geregeltheit des Fußballspiels hingewiesen. Aber dies betrifft nur die Oberfläche. In der Tiefe der Ereignisse versuchen die Spieler mit listenreichen Strategien die Regelauslegung zu ihren Gunsten zu beeinflussen (Kap. 6). Fußball ist somit zum Spiel von Regelbeachtung und Regelverletzung geworden. Die Balance von Ordnung und Bruch mit der Ordnung ist nicht garantiert. Jedes Spiel kann kippen. Von dieser für Gewalt offenen Situation profitieren die Hooligans: Sie machen das Spiel zu einem Schlachtfeld (Kap. 7). Gegen die zivilisatorischen Wirkungen des Fußballs, der gerade kein Krieg ist, setzen sie den Mythos des Bösen. Sie gefährden die Errungenschaften des Spiels durch den Versuch, seine gewalttätigen Ursprünge wieder zu aktualisieren. Dies ist möglich, weil der Fußball ein kulturelles Gedächtnis ist. Er bewahrt Erinnerungen auf und ruft diese in die Gegenwart – Erinnerungen an Gewalt, an die Initiation in Kindheit und Jugend, an bedeutende Spiele und die Politik, die deren Hintergrund bildete, und an jene Fußballhelden, die mit unserem Leben verbunden sind. Schiffer (unter Verwendung des Vorworts)