Bundesliga-Fußballer als soziale Aufsteiger

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Bibliographische Detailangaben
Autor:Vetten, Horst
Erschienen in:Exquisiter Sport-Journalismus : Artikel und Analysen aus drei Jahrzehnten - ausgezeichnet mit dem Theodor-Wolff-Preis
Veröffentlicht:Berlin: Vistas Verl. (Verlag), 1993, S. 142-146
Format: Literatur (SPOLIT)
Publikationstyp: Sammelwerksbeitrag
Medienart: Gedruckte Ressource
Sprache:Deutsch
Schlagworte:
Online Zugang:
Erfassungsnummer:PU200512002690
Quelle:BISp

Abstract

Die typische Biografie eines Berufssportlers verläuft nach Verf. folgendermaßen: Ein junger Mann, kleinbürgerlichen Verhältnissen entstammend, lässt frühzeitig eine außerordentliche Begabung für Bewegungsabläufe erkennen. Er wird getrimmt und auf Hochleistung dressiert und dann bricht der Ruhm über ihn herein wie eine Naturgewalt. Noch nicht volljährig, liegt ihm eine Nation oder zumindest die beachtlich große Bezugsgruppe zu Füßen; er kommt zu Ehren und zu Geld, entrinnt seiner Herkunft, überspringt vom unteren Mittel seiner sozialen Schicht nicht nur die nächste Stufe, sondern gleich mehrere. Dann steht er, den Ball unter der Sohle, halb selbstgemacht, halb fremdgefertigt. Die Sozialpsychologie kennt den Begriff des Aufsteigers: Jemand hat es geschafft, ist eins weitergekommen, versucht sich anzupassen. Nicht selten ist Unsicherheit die Folge, der Mann verhält sich fremdbestimmt. Der Berufssportler ist in aller Regel ein solcher Aufsteiger, bspw. sind nahezu sämtliche deutschen Lizenzfußballspieler Aufsteiger. Das ist ein absolutes Novum: eine Berufsgruppe, die ausschließlich aus Emporkömmlingen besteht, die aber absonderlicherweise in ihrem Milieu bleiben. Die meisten bezahlten Sportler werden sich dieser ungewöhnlichen gesellschaftlichen Situation nicht bewusst. Kaum einer wüsste sie zu definieren, geschweige denn zu artikulieren. Dennoch funktioniert die menschliche Unterschwelle und setzt bezeichnende Kompensationsbestrebungen in Gang. So bleiben die Heroen, was ihre Intimsphäre angeht, beinahe ausnahmslos im Milieu, kaum einer heiratet nach oben. Nach außen hin werden jedoch vorgegebene Verhaltensformen sichtbar, wobei der Vorzeige-Konsum nur sekundäres Merkmal ist. Auch der Mensch verformt sich. Die meisten sind angepasste Neutren, die nur sagen, was der Reporter hören will, tun, was opportun ist, und nachleben, was die Popularität gerade vorschreibt. Schiffer (unter Verwendung wörtlicher Textpassagen)