Masuren im Ruhrgebiet. Polacken und Proleten und der Mythos des FC Schalke 04. Anmerkungen zu Problemen gesellschaftlicher Integration am Beispiel eines Sportvereins

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Bibliographische Detailangaben
Autor:Gehrmann, Siegfried
Erschienen in:Quo vadis, Fussball? : vom Spielprozess zum Marktprodukt
Veröffentlicht:Hildesheim: Verl. Die Werkstatt (Verlag), 2000, S. 84-101, Lit.
Format: Literatur (SPOLIT)
Publikationstyp: Sammelwerksbeitrag
Medienart: Gedruckte Ressource
Sprache:Deutsch
Schlagworte:
Online Zugang:
Erfassungsnummer:PU200210003035
Quelle:BISp

Abstract

Nach Kleßmann (1978) gelten als Bestimmungsgründe der gesellschaftlichen Integration u.a. das Ausmaß der dauerhaften Beziehungen der Einwanderer zu den Einheimischen und der Teilnahme and bestehenden sozialen Organisationen sowie der Grad erfolgreicher Rollenerfüllung im öffentlichen Leben der neuen Umgebung. Der Höhepunkt der masurischen Einwanderung ins Ruhrgebiet lag zwischen 1880 und 1910. Selbst wenn man unterstellt, dass es sich bei diesen Einwanderern um jüngere Menschen handelte, darf man annehmen, dass diese zumindest im aktiven Fußballsport kaum eine große Rolle gespielt haben. Denn diese Sportart wurde erst nach dem Ersten Weltkrieg zu einem Massenphänomen mit einer ständig steigenden Zahl von Vereinen. Es waren somit zumeist Masuren der zweiten Generation, die sich einem Sportverein anschlossen, also Menschen, die bereits im Ruhrgebiet geboren, mit der deutschen Sprache aufgewachsen und so bis zu einem gewissen Grade an die neue Heimat angepasst waren. Im Unterschied zu anderen Clubs aus der Ruhrgebietsregion lässt sich beim F.C. Schalke 04 lückenlos die personelle Besetzung der 1. Mannschaft rekonstruieren und damit anhand der polnischen Namen der meisten Spieler deren masurische Herkunft in hohem Maße wahrscheinlich machen. Besonders mit den Erfolgen zwischen 1933 und 1942 (sechsfacher Gewinn der deutschen Meisterschaft) schufen sich die Schalker in ihrer näheren Heimat einen Nimbus von einer ganz außergewöhnlichen Kraft. Viele Menschen, die als "Polacken und Proleten" an ihrer sozialen Deklassierung litten und denen man aus den sog. besseren Kreisen gewöhnlich nur Geringschätzung und Verachtung entgegenbrachte, erfüllte es mit unbändigem Stolz, als sich Sportler aus ihren Reihen (allen voran Ernst Kuzorra und Fritz Szepan) höchstes Ansehen erwarben. Der F.C. Schalke 04, der sich in den Jahren seines Aufstiegs gegen eine ressentimentgeladene Umwelt behaupten musste, wurde für sie zum Symbol der eigenen Leistungskraft und Lebenstüchtigkeit. Schiffer