Zum Problem der Anpassung der Muskulatur in der Substruktur der Muskelzelle als Funktion der Trainingsbelastung - Konsequenzen für die Erklärung der Phänomene Ermüdung/Erholung und chronischer Überbelastung/Übertragung

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Bibliographische Detailangaben
Autor:Mader, Alois
Erschienen in:Muskel-Ermüdung. Forschungsansätze in der Trainingswissenschaft. Jahrestagung 1999 der dvs-Sektion "Trainingswissenschaft". Zweites Jenaer Kolloquium zur Trainingswissenschaft 25./26. Juni 1999
Veröffentlicht:Köln: Sport u. Buch Strauß (Verlag), 2001, S. 185-213, Lit.
Format: Literatur (SPOLIT)
Publikationstyp: Sammelwerksbeitrag
Medienart: Gedruckte Ressource
Sprache:Deutsch
Schlagworte:
Online Zugang:
Erfassungsnummer:PU200210002856
Quelle:BISp

Abstract

In den Sportwissenschaften und in der Sportmedizin werden Trainingsanpassungen mit dem Jakowlew-Harre-Schema (JH-Schema) der Superkompensation erklärt. Ohne Anbindung an reale physiologische und biochemische Prozesse auf der Zellebene ist dieses Schema jedoch nur eine Kurve der Dynamik eines weder zeitlich noch inhaltlich genau bestimmbaren Satzes allgemeiner Parameter zur Beschreibung der aktuellen Leistungsfähigkeit, mit einer Minderung während der Belastung (Ermüdung, Erschöpfung) und einer allerdings fraglichen Überkompensation in der nachfolgenden Erholungsphase. Bleibende Trainingseffekte würden demnach in der Summation vieler Überkompensationseffekte bestehen, die in der Steigerung der physischen Leistungsfähigkeit münden. Das vorhandene Unverständnis der normalen Anpassungsprozesse wird überlagert von dem Problem der Erklärung länger anhaltender Prozesse, die unter den Begriffen der temporären und chronischen Überbelastung (Overreaching) oder des Übertrainings (Overtraining) subsumiert werden. Auch temporäre Leistungsminderungen als Folge der Trainingsbelastung können auf der Ebene des JH-Schemas nicht differenziert werden. Es bleibt unklar, ob es sich um energetische Effekte, z.B. durch Substratverarmung, um andere Prozesse, wie z.B. hormonale Dysbalancen, oder zentralnervöse Ermüdung usw. handelt, oder ob eine mikroskopisch nicht sichtbare oder sichtbare Beschädigung der Struktur in Teilen der beanspruchten Muskulatur vorliegt. Da die Mechanismen der durch Training hervorgerufenen Anpassungsprozesse auf der Grundlage des JH-Schemas nicht wirklich verstanden werden können und die Akzeptanz anderer Möglichkeiten zur Erklärung von Anpassungsprozessen gering ist, hat eine intensive Forschung in den scheinbar übergeordneten hormonalen und zentralnervösen Prozessen des Problems von Ermüdung/Erschöpfung und Erholung eingesetzt. In diesem Zusammenhang wird versucht, aus experimentellen Untersuchungen Konstellationen von Parametern abzuleiten, die z.B. hinreichend typisch für die Erkennung eines nach klinischen Kriterien definierten klassischen Übertrainingssyndroms sind. Die Phänomene der Ermüdung und Erschöpfung bzw. des temporären und chronischen Übertrainings haben sicherlich viele komplexe Komponenten der Interaktion, z.B. zwischen zentralnervöser und hormonaler Reaktion des Gesamtorganismus und der peripheren Muskulatur als Träger der sportlichen Leistung. In der Praxis fehlt es jedoch an identifizierbaren Prozessen und messbaren Parametern für eine einfache kausale Erklärung derart, dass, wenn der Wert eines "Ermüdungs- bzw. Erschöpfungsmarkers" aus dem "Normalbereich" ausgelenkt ist, dies einen solchen Zustand anzeigt. Einige Ansätze zur Möglichkeit kausaler Erklärungen der genannten Phänomene sind der Inhalt dieses Artikels. Diese liegen 1. in einem genaueren Verständnis der Energetik muskulärer Leistungen, denen dynamische (physikalische) Prozesse der Erschöpfung energetischer Resourcen im metabolischen "Non steady state Bereich" der Energiebereitstellung zugrunde liegen; 2. in einem genaueren Verständnis der durch Training ausgelösten bzw. erzwungenen strukturellen Anpassungen auf de Zellebene. Diese betreffen auch die Erklärung des Phänomens der Unfähigkeit, ab einem gewissen Niveau der (individuell) erreichten Leistungsfähigkeit, weitere Steigerungen der Trainingsbelastungen mit positiven Trainingsanpassungen im Sinne einer Leistungssteigerung beantworten zu können. Zum Nachweis solcher Sachverhalte hält Verf. einen systemtheoretischen Ansatz und die Verwendung mathematischer Modelle für unabdingbar, da das komplexe Verhalten solcher Prozesse und Systeme nicht direkt logisch ohne das Hilfsmittel der mathematischen Beschreibung nachvollzogen werden kann. Schiffer