Zur Kontrolle des Leistungssports sowie der Sportwissenschaft durch das Ministerium fuer Staatssicherheit in der ehemaligen DDR

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Bibliographische Detailangaben
Autor:Spitzer, Giselher
Herausgeber:Gissel, Norbert
Erschienen in:Sportliche Leistung im Wandel. Jahrestagung der dvs-Sektion Sportgeschichte vom 22.-24. 9 1997 in Bayreuth
Veröffentlicht:Hamburg: Czwalina (Verlag), 1998, 1998. S. 125-143, Lit., Lit.
Format: Literatur (SPOLIT)
Publikationstyp: Sammelwerksbeitrag
Medienart: Gedruckte Ressource
Sprache:Deutsch
ISBN:3880203229
Schlagworte:
DDR
Online Zugang:
Erfassungsnummer:PU199906400088
Quelle:BISp

Abstract

Verf. stellt in einem Ueberblick einige Ergebnisse eines vom Sportausschuss des Deutschen Bundestages angeregten und vom Bundesinstitut fuer Sportwissenschaft in Koeln gefoerderten Forschungsauftrages zur ideologischen Kontrolle des Leistungssports in der ehemaligen DDR vor. Schon immer gehoerte nach Auffassung von Verf. die ideologische Erziehung zu den besonderen Aufgaben der verschiedenen Sportorganisationsformen - vor allem im sogenannten Leistungssport, wo Funktionaere ueber Trainer und Trainer ueber Sportler urteilen mussten. Zunaechst greift Verf. auf die historischen Quellen der "Sport-Akten" des Ministeriums fuer Staatssicherheit (MfS) zurueck. Diese enthalten umfangreiche, detaillierte Perspektiv- und Jahresplaene bis hin zur Ueberwachung einzelner Sportorganisationsysteme und Sportler (Opferakten). In Zusammenhang mit der sportorganisatorischen "MfS-Durchherrschung" gilt ausgehend von den 50er Jahren ein besonderes Augenmerk der Abteilung "V/6" und der "Linie Sport" (XX). Als Drehscheibe fuer die Gewinnung des MfS-Nachwuchses diente in der Folgezeit vor allem die Deutsche Hochschule fuer Koerperkultur in Leipzig als hervorragendes Sichtungsobjekt. Mitte der 60er Jahre begann das MfS damit, gezielt inoffizielle Mitarbeiter unter den Sportlern zu rekrutieren, um mit Hilfe dieser Ueberwachung das ideologische Bewusstsein der einzelnen Sportsysteme zu ueberpruefen. Diese "Hypertrophie" der flaechendeckenden Sportueberwachung erhielt einen ersten Hoehepunkt in der heimlichen Umgestaltung der Leistungssportsysteme im Vorfeld der Olympischen Spiele 1972 im Land des "Klassenfeindes": die Bundesrepublik Deutschland galt als klassisches Fluchtland. Verf. zeigt darueber hinaus auf, wie in Form einer aggressiven Absicherung des gesellschaftspolitischen Status quo die ehemalige DDR den Versuch unternahm, die eigenen Kader vor den Versuchungen des kapitalistischen Westens zu kontrollieren. Reisen zu Olympischen Spielen und Weltmeisterschaften ins westliche Ausland wurden zunehmend als eine Bedrohung fuer die erfolgreichen DDR-Athleten angesehen. Verf. weist in diesem Zusammenhang auf die intensive Ausforschung des Westens durch das MfS mit Hilfe seiner Agenten hin. Gleichsam versuchte man in den MfS-Kreisen die Sportwissenschaft sowie die Trainingspraktiken des Westens durch ehrenamtliche "IM-Reisekader" auszuforschen. Der ideologische Missbrauch staatlicher Macht in den Sportsystemen wird hier am Beispiel der Sportvereinigung SV "Dynamo" naeher dargelegt. Ein abschliessendes Augenmerk gilt dem Handlungsprofil der geheimdienstlichen "Inoffiziellen Mitarbeit" (IM). Lemmer