Evaluation eines multimodalen Behandlungsprogrammes für Patienten mit chronischen lumbalen Rückenschmerzen

Gespeichert in:
Bibliographische Detailangaben
Autor:Saur, Petra
Veröffentlicht:Aachen: Shaker-Verlag (Verlag), 1998, III, 265 S., Lit.
Forschungseinrichtung:Universität Göttingen
Hochschulschriftenvermerk:Zugl.: Göttingen, Univ., Habil.-Schr., 1998
Format: Literatur (SPOLIT)
Publikationstyp: Monografie
Medienart: Gedruckte Ressource
Dokumententyp: Hochschulschrift Habilitationsschrift
Sprache:Deutsch
ISBN:3826545109
Schlagworte:
Online Zugang:
Erfassungsnummer:PU199906309698
Quelle:BISp

Abstract

In einem standardisierten, ambulanten, multimodalen Rehabilitationsprogramm fuer Patienten mit chronischen lumbalen Rueckenschmerzen (GRIP) wurden Patienten mit chronischen lumbalen Rueckenschmerzen (CLBP) untersucht. Die insgesamt 8-woechige Behandlung, bestehend aus einer dreiwoechigen Vorphase und einer fuenfwoechigen Hauptphase, wurde in Kleingruppen durchgefuehrt. In einer optionalen zweiwoechigen Nachbehandlungsphase erfolgte eine schrittweise Wiederaufnahme der Arbeitstaetigkeit bei gleichzeitiger Betreuung im Programm. Das Vorprogramm fand an drei Tagen pro Woche 4 Stunden taeglich statt und beeinhaltete ein Aufwaermtraining mit anschliessendem Muskeldehnungsprogramm, kalisthenischen Uebungen und Unterrichtseinheiten. Die sich dem Vorprogramm anschliessende Hauptphase wurde fuenf Tage pro Woche durchgefuehrt. Jeder Tag bestand aus einer 7-stuendigen Behandlungszeit, die aus den Behandlungsinhalten Aufwaermtraining, Stretching und Krafttraining, Ausdauertraining, Entspannungstraining, verhaltenstherapeutische Gruppenpsychotherapie und Haltungs- und Bewegungstraining bestand. Soziodemographische, schmerzanamnestische, arbeitsspezifische, psychologische Parameter, somatische Befunde und Kraftparameter wurden vor Beginn des GRIP (T1), am Ende des Programmes (T2), ein halbes Jahr (T3) nach Abschluss des Programmes und 1 Jahr (T4) nach Programmende durchgefuehrt. Ein zentrales Anliegen des Behandlungsprogrammes und daher ein wesentlicher Parameter fuer die Effektivitaet des Programmes war die Rueckkehr an den Arbeitsplatz und damit die Wiederherstellung der Arbeitsfaehigkeit. Weitere Erfolgsparameter waren die Schmerzreduktion, die subjektive Erfolgseinschaetzung und die Zufriedenheit mit der Behandlung. Es nahmen 46 Frauen und 44 Maenner mit CLBP an der Untersuchung teil. Das mittlere Alter der Patientinnen betrug 41,5 Jahre, das der Patienten 42,1 Jahre. Die Patientinnen hatten durchschnittlich 143 Monate und die Patienten 170 Monate kontinuierliche lumbale Rueckenschmerzen und waren im Jahr vor der Untersuchung im Mittel 7,5 Monate arbeitsunfaehig. Die Patienten wiesen depressive Symptome und psychovegetative Beschwerden auf und waren koerperlich wie subjektiv beeintraechtigt. Das Verbleiben am Arbeitsplatz wurde von beiden Geschlechtern gleich haeufig positiv und oder negativ eingeschaetzt. Jeweils 18 Frauen und Maenner glaubten, an den Arbeitsplatz zurueckkehren zu koennen, waehrend die restlichen Patienten dies bezweifelten. Als Kontrollgruppe wurden 92 Probanden ohne Rueckenschmerzen (48 Maenner, 44 Frauen) untersucht. Der Vergleich zwischen den Patienten und der Probandengruppe vor Programmbeginn ergab bei einer gleichen Verteilung der Berufsgruppen bei den Patienten haeufiger Stressfaktoren am Arbeitsplatz als bei der symptomlosen Gruppe. Weiterhin waren die Frauen und Maenner mit CLBP in der Beweglichkeit der Wirbelsaeule sowie der Rumpf- und Hebekraft eingeschraenkter als ihre Vergleichsgruppe. Keine Unterschiede zeigten die beiden Gruppen bezueglich der Anzahl der ausgefuehrten Rumpfbeugeruebungen und der Armkraft. Der Erfolg des Programmes wurde anhand verschiedener Parameter nachgewiesen. 57% der Patientinnen und 68% der Patienten gaben zum Zeitpunkt T2 sowie 69% der Patientinnen und 57% der Patienten zum Zeitpunkt T4 keine oder reduzierte Schmerzen an, die restlichen Programmteilnehmer berichteten ein Gleichbleiben oder eine Zunahme der Schmerzen. Waehrend zu Programmende 91% der Frauen und 98% der Maenner den Erfolg als gut bezeichneten, bewerteten ein Jahr spaeter 90% der Frauen und 83% der Maenner den Erfolg als gut. 91% der Patientinnen und 95% der Patienten gaben an, mit dem Programm zufrieden gewesen zu sein. Die Dauer der Arbeitsunfaehigkeit, Anzahl der in Anspruch genommenen Arztbesuche und physiotherapeutischen Behandlungen im Jahr vor Programmbeginn hat sich bei beiden Geschlechtern im Vergleich zu dem Zeitraum im Jahr nach Programmende hoch signifikant reduziert. Zum Zeitpunkt der 1-Jahres-Katamnese hatten von 29 Frauen und von 35 Maennern, die 1 Jahr nach dem Programm befragt wurden und vor dem Programm arbeitsunfaehig waren, 72,4% Frauen und 62,9% Maenner ihre Arbeitsfaehigkeit wiederhergestellt. Beide Geschlechter waren gleich erfolgreich. Der Vergleich der ein Jahr nach Programmende zum Arbeitsplatz zurueckgekehrten Patienten (BTW) mit denen, die eine weiterbestehende Arbeitsunfaehigkeit aufwiesen (NBTW), zeigt zum Zeitpunkt vor Programmbeginn lediglich geringe Unterschiede. Mehr Patientinnen und Patienten der BTW-Gruppe als der NBTW-Gruppe glaubten, nach dem Therapieprogramm wieder zum Arbeitsplatz zurueckkehren zu koennen. Die NBTW-Frauen hatten haeufiger vor Programmbeginn einen Rentenantrag gestellt, wiesen gehaeuft eine gestoerte Hueftbeweglichkeit und ein niedriges Drehmoment in der Flexion auf. Maenner mit einer langen Arbeitsunfaehigkeits- und Kurdauer im Jahr vor Programmbeginn und einem hohen anfaenglichen psycho-vegetativen Beschwerde-Score waren gehaeuft in der NBTW-Gruppe zu finden. Alle anderen vor Programmbeginn gemessenen Parameter unterschieden die beiden Gruppen nicht voneinander. Fuer die Frauen mit CLBP liess sich die Rueckkehr an den Arbeitsplatz zu 100% vorhersagen, wenn vor dem Programmbeginn eine kurze Arbeitsunfaehigkeitsdauer vorlag, kein Rentenantrag gestellt wurde, keine negativen Erwartungen bezueglich der Rueckkehr an den Arbeitsplatz bestanden, die Hueftbeweglichkeit normal war, eine hohe Anzahl Back-up-Uebungen ausgefuehrt werden konnte und eine geringe Beeintraechtigung bei konkreten Aktivitaeten vorlag. Fuer die Maenner mit CLBP liess sich die Rueckkehr an den Arbeitsplatz zu 87,9% vorhersagen, wenn vor dem Programmbeginn eine kurze Arbeitsunfaehigkeits- und Kurdauer vorlag, kein Rentenantrag gestellt wurde, keine negativen Erwartungen bezueglich der Rueckkehr an den Arbeitsplatz bestanden, die Hueftbeweglichkeit normal war und ein geringer Beschwerde-Score angegeben wurde. Im Vergleich mit anderen multimodalen CLBP-Therapieprogrammen stellte sich das GRIP als ein Programm dar, das alle multimodalen Behandlungsbausteine beinhaltete und das biopsychosoziale Therapiespektrum vollstaendig abdeckte. Der Behandlungserfolg wurde bei beiden Geschlechtern durch subjektive Parameter und die Dauer der Arbeitsunfaehigkeit vorhergesagt, somatische Variablen scheinen fuer die Praediktion der Rueckkehr zum Arbeitsplatz von geringerer Bedeutung zu sein. Verf.-Referat (gekuerzt)