Endogene Opiate, "Runners High" und "Laufsucht" : Aufstieg und Niedergang eines "Mythos"

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Bibliographische Detailangaben
Autor:Stoll, Oliver
Erschienen in:Leipziger sportwissenschaftliche Beiträge
Veröffentlicht:28 (1997), 1, S. 102-120, Lit.
Format: Literatur (SPOLIT)
Publikationstyp: Zeitschriftenartikel
Medienart: Gedruckte Ressource
Sprache:Deutsch
ISSN:0941-5270
Schlagworte:
Online Zugang:
Erfassungsnummer:PU199804300864
Quelle:BISp

Abstract des Autors

Der Beitrag hat zum Ziel, die "Endorphin-Theorie" als Erklaerungsmodell zur Entstehung des "Runners High" kritisch zu beleuchten. Zunaechst wird die Entstehung dieses Ansatzes nachgezeichnet, und anschliessend werden die wichtigsten sportspezifischen Studien zu diesem Thema diskutiert. Zusammenfassend laesst sich feststellen, dass die Endorphin-Theorie bzw. die Ergebnisse verschiedener Studien zu diesem Forschungsbereich mit massiven Problemen behaftet ist. Die hier rezipierten Studien lassen den Schluss zu, dass, wenn ueberhaupt Endorphin zu Stimmungssteigerungen fuehren soll, nur die Sportler und Sportlerinnen davon profitieren, die in einem Intensitaetsbereich von ueber 4 mmol/l Laktat trainieren bzw. wettkaempfen. Es laesst sich aus der Meta-Analyse von Schlicht (1994) weiterhin feststellen, dass die Endorphin-Sekretion sowohl bei trainierten, als auch bei untrainierten Personen, bei maximaler als auch bei geringer Belastung zunimmt. Die Konzentration haengt von der Dauer und der Intensitaet der Belastung ab. Mit steigender Intensitaet der Belastung werden hoehere Konzentrationen von Beta-End-IRM gemessen. Ohnehin werden statistisch bedeutsame Beta-End-IRM-Anstiege erst ab Belastungen ueber eine halbe Stunde gemessen. Weiterhin weist Schlicht (1994) darauf hin, dass ein moeglicher Zusammenhang zwischen "Runners High" waehrend der Belastung und Opioid-Konzentrationen nur ueber verlaufsbezogene Daten hergestellt werden kann. Nachbelastungswerte koennen lediglich mit einem psychischen Zustand nach der Belastung verknuepft werden. Bis auf eine Ausnahme wurde dies von kaum einer Studie geleistet. Hinzu kommt, dass die meisten Studien mit methodischen Maengeln belastet sind. Hierzu gehoert neben der Ignorierung der circadianen Rhythmik der Hormonsekretion sowie der Nichtberuecksichtigung des Menstruationszyklus bei den weiblichen Versuchspersonen in den meisten Studien, die Vernachlaessigung grundlegender pharmakologischer Probleme. Bei der Messung von Beta-Endorphin haben wir es mit einer noch nicht ausreichenden Diagnostik zu tun (Kreuzreaktivitaet). Hinzu kommt der bisher noch nicht ausreichende Forschungsstand im Bereich des Rezeptorverhaltens (Up- und Down-Regulierung, Rezeptorfelder in bestimmten Gehirnarealen). Selbst die Studien, die versuchten, mit einer Naloxonblockade zu arbeiten sind methodisch unzureichend, da Beta-Endorphin immer hoeher affin bindet als Naloxon und so eine kompetitive Verdraengung von Beta-Endorphin nicht vollstaendig gelingen kann. Es sei weiterhin darauf hingewiesen, dass ausnahmslos alle Studien das Beta-Endorphin aus dem Plasma der Peripherie extrahierten und dann auf Konzentrationen von Beta-End-IRM im Gehirn schliessen. Abschliessend wird eine Studie vorgestellt, die nachweisen konnte, dass Stimmungssteigerungen nicht nur nach sportlicher Aktivitaet stattfinden, die noetig ist um z.B. Beta-Endorphin-Sekretionen zu provozieren, sondern dass z.B. Entspannungstraining (das keine sportliche Aktivitaet beinhaltet) die gleichen positiven Stimmungssteigerungen zur Folge hat. Diese Tatsache legt die Vermutung nahe, dass generell physiologische Erklaerungsansaetze zur Erklaerung positiver Stimmungsveraenderungen nicht ausreichen. Aus diesen Gruenden erscheint Verf. die "Endorphin-Theorie" als Erklaerungsmodell fuer euphorische Stimmungsveraenderungen durch Sport als nicht adaequat. So schliesst Verf. sich zunaechst Schlicht (1994) an, der ausfuehrt: "Endorphine bilden derzeit eine spektakulaere, auch eine moegliche, aber noch keine hinreichend bewaehrte Erklaerung fuer Stimmungssteigerungen anschliessend an sportliche Belastung". Betrachtet man die Endorphin-Theorie unter streng pharmakologischen und naturwissenschaftlichen Gesichtspunkten, verliert dieser Ansatz immer mehr an Bedeutung. Verf.-Referat