Weiterentwicklung einer systematischen Leistungsdiagnostik für die Leistungsfaktoren: allgemeine und spezielle physische, mentale und technisch-taktische Faktoren in der Sportart Fechten

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Bibliographische Detailangaben
Leiter des Projekts:Steinacker, Jürgen Michael (Universität Ulm / Universitätsklinikum / Sektion Sport- und Rehabilitationsmedizin, Tel.: 0731 500 45300, juergen.steinacker at uniklinik-ulm.de)
Mitarbeiter:Weichenberger, Mario; Liu, Yuefei; Amend, Silvia (Olympiastützpunkt Tauberbischofsheim)
Forschungseinrichtung:Universität Ulm / Universitätsklinikum / Sektion Sport- und Rehabilitationsmedizin
Finanzierung:Bundesinstitut für Sportwissenschaft (Aktenzeichen: 080604/11-12)
Format: Projekt (SPOFOR)
Sprache:Deutsch
Projektlaufzeit:05/2011 - 05/2013
Schlagworte:
Erfassungsnummer:PR020120100050
Quelle:Jahreserhebung

Zusammenfassung

I Vorhabenziele: Unsere Expertise zur Evaluation der trainingsmethodischen Konzeption des DFB zeigte Defizite und einen großen Bedarf an fechtspezifischer Leistungsdiagnostik. Ziel des beantragten Projektes ist der Aufbau einer komplexen Leistungsdiagnostik und deren Erprobung für den Fechtsport. Dazu sollen leistungsbestimmende Parameter identifiziert und deren Bedeutung für die Wettkampfleistung analysiert werden. Dies sind vor allem allgemeine und spezielle physische Faktoren sowie technisch-taktische und mentale Fähigkeiten. Bestehende Diagnoseverfahren sollen überprüft und optimiert, neue Tests entwickelt und evaluiert werden.
II Arbeitsplanung: Fechtspezifische Leistungsfaktoren werden durch bestehende Tests und Expertenbefragung identifiziert. Etablierte Testverfahren, von denen wir bereits einige entwickelt haben, sollen optimiert und weiterentwickelt werden. Für die Diagnostik der Schnelligkeit und technisch-taktischer Elemente solle ein dreidimensionales Bewegungsanalyse-System und eine fechtspezifische Reaktionspuppe eingesetzt werden. Mentale Faktoren wie das Stress-Erholungsverhältnis und deren Einfluss auf die Leistungsfähigkeit werden untersucht. Abschließend werden der Stellenwert der untersuchten Faktoren sowie deren Wechselwirkung identifiziert.
III Geplante Ergebnisverwertung: Die im Projekt entwickelte komplexe Leistungsdiagnostik dient zur Untersuchung von Fechtern im Deutschen Fechterbund im Nachwuchs- und im Spitzenbereich. Da das sportliche Anforderungsprofil im Fechten sehr komplex ist, verspricht eine Differenzierung einzelner Teilleistungsfähigkeiten eine verbesserte und objektive Analyse der Leistungsfähigkeit von Athleten. Es werden Referenzwerte ermittelt, die Trainern und Athleten die Identifikation individueller Stärken und Schwächen ermöglichen. Im Quer- und Längsschnitt ergibt sich die Möglichkeit zur Beurteilung der individuellen Entwicklung und zum frühzeitigen Erkennen von Fehlentwicklungen. Trainer und Athleten werden auf diese Weise bei der Formulierung von Trainingszielen und bei der systematischen Trainingssteuerung unterstützt. Talente können frühzeitig erkannt und optimal gefördert werden.

(Zwischen)Ergebnisse

Die Sportart Fechten zeichnet sich durch zahlreiche Einflussfaktoren und eine hohe Komplexität der Wettkampfleistung aus. Durch Interviews mit den Bundestrainern und weiteren Experten des Fechtsports sowie durch Wettkampfbeobachtung wurden die speziellen Anforderungen und wesentlichen Aktionen im Fechtsport analysiert, wobei die Schnelligkeit, die Technik und die mentalen Fähigkeiten als essentielle Fähigkeiten identifiziert wurden. Basierend auf den gewonnenen Erkenntnissen wurden fechtspezifische Testverfahren für diese Fähigkeiten entwickelt und bei den Bundes- und Landeskader-Athleten des Deutschen Fechter-Bundes (DFeB) eingesetzt. Die Schnelligkeit der uni- und bidirektionalen Beinarbeit wurde durch unspezifische Sprints und durch fechtspezifische Beinarbeits-Tests bei 219 Fechterinnen und Fechtern gemessen. Es zeichnet sich ein Zusammenhang zwischen der Schnelligkeit der Beinarbeit und dem Leistungsniveau von Fechtern ab, der für unspezifische Sprints offensichtlich nicht besteht. Für die Diagnostik der Reaktionsschnelligkeit wurde ein dreidimensionaler Fechtdummy mit zehn Trefferflächen entwickelt, der als Signalgeber für die fechtspezifischen Schnelligkeits- und Technikanalysen dient. Der Dummy ist transportabel, wodurch ortsunabhängige Tests möglich sind. Abhängig von der Disziplin (Degen, Florett, Säbel) können die Trefferflächen gezielt angesteuert werden und ermöglichen einfache und komplexe Reaktionstests. Die fechtspezifische Technik- und Schnelligkeitsanalyse erfolgte durch den Einsatz mehrerer mobiler Infrarot-Kameras, die flexible Untersuchungen direkt in den Fechtzentren ermöglichen. Bis zu sechzehn aktive Infrarot-Marker wurden an zuvor definierten Positionen am Athleten angebracht. Die Fechter führten verschiedene fechtspezifische Aktionen aus, bei denen zuvor definierte Trefferflächen auf dem Fechtdummy getroffen werden sollten. Mit Hilfe der aufgezeichneten Signale und einer speziellen Software können die Aktionen der Athlet dreidimensional betrachtet und analysiert werden. Neben einer umfassenden Technikanalyse können Reaktions- und Aktionszeiten, Positionen, Geschwindigkeiten und Winkel in Echtzeit analysiert werden. Die Auswertung und Analyse der komplexen Datensätze von insgesamt 60 Bundes- und Landeskader-Fechtern wird in den nächsten Wochen abgeschlossen sein. Die Analyse des Erholungs-Belastungs-Managements stellte die Grundlage zur Untersuchung der mentalen Fähigkeiten dar. Es wurden Trainingspläne und -protokolle ausgewertet, Trainer befragt und der Erholungs-Belastungs-Fragebogen (Kellmann & Kallus, 2000) eingesetzt. Es zeichnet sich ein deutliches Ungleichgewicht zwischen Belastungs- und Regenerationsmaßnahmen ab. Der EBF Sport wurde von den Athletinnen und Athleten gut angenommen und ist geeignet, Überbeanspruchungen bei Fechtern frühzeitig zu erkennen. Mit Hilfe der Aufzeichnung von Herzfrequenzvariabilität und körperlicher Aktivität sowie einer Trainerbefragung erfolgte die Analyse der psychologischen Stressbelastung im Training und Wettkampf. Die Auswertung wird in den nächsten Wochen abgeschlossen sein. Zur Erfassung der individuellen bewussten mentalen Gefechtsvorbereitung der Fechterinnen und Fechter wurde ein Fragebogen für Fechter entwickelt, der unmittelbar vor Gefechten eingesetzt wird. Der Fragebogen wurde von den Athleten gut angenommen und scheint für den Praxiseinsatz gut geeignet. Die Datenauswertung ist noch nicht abgeschlossen. In Zukunft sollen die Daten zeitnah aufbereitet und den Athleten und Trainer zur Verfügung gestellt werden. Die regelmäßige Durchführung der neu entwickelten diagnostischen Verfahren bei den Fechterinnen und Fechtern des DFeB ermöglicht eine objektive Erfassung der konditionellen, mentalen und technischen Leistungsfaktoren sowie eine Beurteilung der Entwicklung in diesen Bereichen. Dadurch wird die komplexe Leistungsdiagnostik zu einem wichtigen Mittel zur Unterstützung von Athleten und Trainern im langfristigen Trainingsaufbau.