Soziale Herkunft und kulturelles Kapital von Spitzensportlern: Ein Sportartenvergleich in europäischer Perspektive

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Bibliographische Detailangaben
Leiter des Projekts:Gebauer, Gunter (Freie Universität Berlin / Institut für Sportwissenschaft / Arbeitsbereich Sportsoziologie / Philosophie des Sports, Tel.: 030 8382735)
Mitarbeiter:Braun, Sebastian
Forschungseinrichtung:Freie Universität Berlin / Institut für Sportwissenschaft / Arbeitsbereich Sportsoziologie / Philosophie des Sports
Finanzierung:Bundesinstitut für Sportwissenschaft (Aktenzeichen: 070406/98)
Format: Projekt (SPOFOR)
Sprache:Deutsch
Projektlaufzeit:01/1998 - 12/1998
Schlagworte:
Erfassungsnummer:PR019990106145
Quelle:BISp-Förderliste

Zusammenfassung

Wenn man über eine stärkere Nutzung der Talentreserven in Deutschland nachdenkt, insbesondere wenn man eine Ausgestaltung des Förderungssystems anstrebt, sind möglichst genaue Kenntnisse über die soziale Herkunft von Spitzensportlern und deren kulturelles Kapital außerordentlich wertvoll. In unserer Studie über "Die soziale Umwelt von Spitzensportlern - ein Vergleich des Spitzensports in Deutschland und Frankreich" hat sich die komparative Anlage der Untersuchung als sehr fruchtbar erwiesen: Erst vor dem Hintergrund eines andersartigen Sportsystems erkennt man die Besonderheiten des eigenen. Es wird untersucht, in welchem Maße die untersuchten Länder Frankreich und Deutschland ihre Talentreserven nutzen und inwieweit das Engagement im Spitzensport das kulturelle Kapital der Athleten positiv oder negativ beeinflußt.

(Zwischen)Ergebnisse

Die modisch gewordene Behauptung, die soziale Herkunft spiele gegenwärtig im Sport keine Rolle mehr, impliziert Blindheit gegenüber der sozialen Selektion, die durch das Engagement im Spitzensport bewirkt wird. In unserer Studie haben wir diese Effekte detailliert untersucht: Die Spitzensportler der Sportarten Fechten, Rudern, Leichtathletik, Handball, Judo und Turnen rekrutieren sich aus den höheren und mittleren sozialen Klassen und schließen Angehörige unterer Klassen weitgehend aus. Weit entfernt davon, eine Art "automatischer" Wirkung von sozial hoch bewerteten Sportarten zu sein, wie man noch in unserer ersten Studie über "Die soziale Umwelt von Spitzensportlern" am Beispiel der Sportarten Fechten, Rudern und Leichtathletik hätte meinen können, zeigt dieser Effekt einen - meist unwissentlichen - Verzicht darauf, die Talentreserven unterer sozialer Klassen zu nutzen. Das ganze Ausmaß dieser Vernachlässigung erkennt man erst in komparativer Perspektive: Im Vergleich zu Deutschland ist es in Frankreich durchaus gelungen, einen erheblichen Anteil der Spitzensportler dieser Disziplinen aus den unteren Klassen zu rekrutieren. Es spricht vieles dafür, daß deren Interesse am Spitzensport insbesondere durch spezifische Maßnahmen des staatlich-zentralistisch gelenkten und finanzierten Sportsystems wenn nicht geweckt, so doch erhalten wird. Spitzensportlern wird dort die Möglichkeit gegeben, aufgrund ihrer Leistungen und Erfolge eine berufliche Ausbildung und Stellung - meist im Sportsystem - zu erhalten. Dieses Aufstiegsmotiv, das nach unserer Untersuchung tatsächlich von vielen Sportlern realisiert wird, macht einen beträchtlichen Karriereanreiz aus.