Täglich grüßt das Murmeltier : Stellensituation reloaded oder von der Dystopie zur Utopie in der Sportwissenschaft

Gespeichert in:
Bibliographische Detailangaben
Autor:Fehr, Ulrich
Erschienen in:Ze-phir
Veröffentlicht:29 (2022), 1 (#Hanna und die Sportwissenschaft), S. 8-13, Lit.
Format: Literatur (SPOLIT)
Publikationstyp: Zeitschriftenartikel
Medienart: Elektronische Ressource (online) Gedruckte Ressource
Sprache:Deutsch
ISSN:1438-4132, 1617-4895
Schlagworte:
Online Zugang:
Erfassungsnummer:PU202210006805
Quelle:BISp

Abstract des BISp

Dem Rat der Europäischen Union (1999) zufolge sind unbefristete Arbeitsverträge die übliche Form des Beschäftigungsverhältnisses. Sie tragen zur Lebensqualität der betreffenden Arbeitnehmer und zur Verbesserung ihrer Leistungsfähigkeit bei. Daran hat sich in den letzten 20 Jahren grundsätzlich nichts geändert. In Deutschland herrscht aber ausgerechnet für den Großteil der Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen systematisch das Unübliche vor. Während in allen anderen Bereichen das Teilzeit- und Befristungsgesetz in Umsetzung der EU-Richtlinie befristeten Beschäftigungsverhältnissen enge Grenzen setzt, setzt man ausgerechnet in der Wissenschaft auf existentielle Unsicherheit als Erfolgsfaktor. Selbst wenn man befristete Verträge trotz nachteiliger Behandlung im Vergleich zu Ausbildungsberufen und anderen außeruniversitären Beschäftigungsverhältnissen für die Promotionsphase als Teil einer verlängerten Ausbildung noch akzeptieren könnte, steht der tatsächlichen, durchschnittlichen Promotionsdauer in Deutschland von 5,7 Jahren, eine Befristungsdauer des aktuellen Vertrags von 1,8 Jahren gegenüber. Nach der Promotion ist die Befristungsdauer gerade einmal sechs Monate länger als während der Promotionsphase. Dies ist kein Beitrag zur Lebensqualität und eine fragliche Leistungsmotivation. Die Befristungsquote bei hauptberuflichem wissenschaftlichem und künstlerischem Personal unter 45 Jahren an Hochschulen liegt bei unglaublichen 92 %, wobei diese Personengruppe mit über 200.000 Menschen zudem auch noch die mit Abstand größte im deutschen Hochschulwesen ist. Nachwuchswissenschaftler und -wissenschaftlerinnen sind mit Abschluss der Promotion durchschnittlich 31 Jahre alt, in der Sportwissenschaft sogar noch zwei Jahre älter. Bis man Gewissheit hat, in seinem Beruf endlich ‚angekommenʽ zu sein und durch eine unbefristete Professur ein gesichertes Einkommen zu haben, ist man in Deutschland 41,7 (W2-Professur) bzw. 43,2 Jahre (W3-Professur) alt. In der Sportwissenschaft sind W3-Neuberufene sogar 45,4 Jahre alt. Das deutsche Hochschulsystem krankt auch in der Verwaltung. Auf knapp 270.000 hauptberufliche wissenschaftliche bzw. künstlerische Mitarbeitende kommen über 338.000 Verwaltungsangestellte, technisches und sonstiges Personal. Dennoch schlagen sich vielerorts Nachwuchswissenschaftler und -wissenschaftlerinnen mit Verwaltungstätigkeiten herum. Hat man es aber so richtig geschafft, dann herrscht nach Jahrzehnten der Entbehrung im unbefristeten Beamtenverhältnis nahezu Narrenfreiheit. Der Kontrast zum vorausgegangen Wissenschaftsprekariat ist frappierend. De facto gibt es keinerlei Kontrollinstanz, wenn man es nicht zu sehr übertreibt. Anwesenheit vor Ort ist irrelevant und die professoralen Verpflichtungen halten sich in Grenzen. Angesichts dieser Situation fordert Verf., dass fest im Beamtensattel sitzende Akteure des wissenschaftlichen Mittelbaus ihre sichere Position nutzen sollten, um für den wissenschaftlichen Nachwuchs einzutreten. Insbesondere Professoren und Professorinnen sollten die Selbstkontrolle in der Wissenschaft gegenüber ihren Kollegen und Kolleginnen auch bei Einstellungs- und Betreuungspraktiken wahrnehmen. (Schiffer (unter Verwendung wörtlicher Textpassagen))