Sportbedingte Gehirnerschütterungen : neue diagnostische Möglichkeiten

Gespeichert in:
Bibliographische Detailangaben
Autor:Helmich, Ingo
Erschienen in:Impulse
Veröffentlicht:21 (2016), 2, S. 7-13
Format: Literatur (SPOLIT)
Publikationstyp: Zeitschriftenartikel
Medienart: Gedruckte Ressource Elektronische Ressource (online)
Sprache:Deutsch
ISSN:2192-3531
Schlagworte:
Online Zugang:
Erfassungsnummer:PU201612008988
Quelle:BISp

Abstract des BISp

Sportbedingte Gehirnerschütterungen (GE) oder leichte Schädel-Hirn-Traumata (I.SHT) sind häufig im Sport und es gibt eine Vielzahl an Sportlern, die nach einem I.SHT nicht nur lange Zeit auf Sport verzichten, sondern sogar ihre Karriere dadurch beenden mussten. Die Task Force für Neurotrauma der Weltgesundheitsorganisation (WHO) definiert Gehirnerschütterungen als einen komplexen pathophysiologischen Prozess am Gehirn, der durch die Einwirkung mechanischer Kräfte auf das Gehirn ausgelöst wird. Kriterien zur klinischen Identifikation sind 1. Verwirrung/Desorientierung, Bewusstseinsverlust für 30 Minuten oder weniger, post-traumatische Amnesie für weniger als 24 Stunden und/oder flüchtige neurologische Auffälligkeiten; 2. ein Score auf der Glasgow-Koma-Skala von 13-15 ca. 30 Minuten nach dem Ereignis. Schätzungen des „Centers for Disease Control and Prevention“ (CDC) beziffern 1,6 bis 3,0 Millionen sportbedingte GE pro Jahr in den USA, mit zunehmender Inzidenz. Höchste Inzidenzraten finden sich in den Sportarten Boxen, American Football, Eishockey, Rugby, Fußball und Basketball. Da in Deutschland noch keine Daten zur Verbreitung von sportbedingten Gehirnerschütterung vorliegen, war das Ziel der Abteilung Neurologie, Psychosomatik und Psychiatrie der Deutschen Sporthochschule Köln, Daten zur Verbreitung von sportbedingten GE in den deutschlandtypischen Sportarten zu erheben und unterschiedliche Charakteristiken (z. B. Taktik, Spielposition etc.) zu erhöhtem Vorkommen auszumachen. Mittels einer Online-Befragung wurden 3.001 Sportler hinsichtlich der Verbreitung von GE in den Sportarten Fußball, Handball, Basketball und Volleyball untersucht. Die Resultate ergaben, dass insgesamt 18 % der Teilnehmer bereits eine GE in ihrer jeweiligen Sportart erfahren haben. Jedoch unterscheidet sich die Verbreitung signifikant zwischen den Sportarten: Fußball 25 %, Handball 24 %, Basketball 15 % und Volleyball 13 %. Während Fußballer und Handballer die meisten Gehirnerschütterungen im Amateursportbereich erfahren, passieren die meisten ISHT beim Volleyball auf professionellem Niveau; im Basketball im Freizeitspiel. Während Fußballer die meisten GE durch Kollisionen mit einem anderen Spieler erfahren, ereignen sich im Volleyball die meisten Ereignisse durch Kopftreffer mit dem Ball. Im Fußball sind Torhüter und defensive Mittelfeldspieler am häufigsten betroffen, im Volleyball die Libero- und die Außenpositionen. Die Resultate dieser Studie zeigen, dass unterschiedliche Faktoren das Vorkommen von Gehirnerschütterungen im Sport bedingen. Trotz der Vielzahl an Fällen wird in der Welt des Sports das ISHT nach wie vor bagatellisiert. Das Problem ist, dass es sich um eine Verletzung handelt, die auf den ersten Blick keine sichtbaren Spuren hinterlässt. Es ist daher notwendig, dass sensitive diagnostische Messmethoden im Sport eingesetzt werden. Die erste Diagnose sollte noch auf dem Spielfeld stattfinden. Daher sind portable, einfach einzusetzende Methoden für die Diagnose wichtig. Kliniker und Wissenschaftler benötigen jedoch weitere objektive Marker, um verlässliche Aussagen hinsichtlich des Gesundheitszustandes nach einer GE und Vorhersagen zum Wiedereinstieg in den Sport treffen zu können. Daher werden zunehmend Methoden der Neurobildgebung in Betracht gezogen. Die hierbei meist verwendete Methode stellt die Computertomographie (CT) dar. Eine günstigere, praktikablere Alternative zum MRT stellt die funktionelle NahlnfraRot-Spektroskopie (fNIRS) dar. Die fNIRS ist eine relativ neue, optische Methode zur Untersuchung der Gehirnoxygenierung. Da aber die fNIRS bisher nicht zur Diagnose sportbedingter Gehirnerschütterungen eingesetzt wurde, fand in der Abteilung Neurologie, Psychosomatik und Psychiatrie der Deutschen Sporthochschule Köln eine kontrollierte Studie hinsichtlich dem Vergleich von Athleten mit einer Gehirnerschütterung und vorhandener Symptomatik zu gesunden Kontrollprobanden und deren Gehirnoxygenierung mit fNIRS statt. Die Ergebnisse zeigen, dass Probanden mit einer Gehirnerschütterung und vorliegender Symptomatik weniger korrekte Antworten in Gedächtnisaufgaben erzielen, was mit verringerter Gehirnoxygenierung in frontalen Kortizes einhergeht. Im dorsolateralen präfrontalen Kortex der linken Hemisphäre zeigt sich überdies eine negative Korrelation zwischen (höheren) Symptomscores und der (verringerten) Gehirnoxygenierung während Arbeitsgedächtnis- aufgaben. Die vorliegenden Daten bestätigen damit Befunde aus vorherigen Studien mit fMRT und belegen, dass fNIRS eine neue diagnostische Möglichkeit für sportbedingte Gehirnerschütterungen bietet. (Schiffer unter Verwendung wörtlicher Textpassagen)