Malaria-Prophylaxe und Dopinganalytik : Klärung ungewöhnlicher analytischer Funde mit Hilfe der präventiven Dopingforschung

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Bibliographische Detailangaben
Autor:Thevis, Mario
Erschienen in:Impulse
Veröffentlicht:21 (2016), 1, S. 6-9
Format: Literatur (SPOLIT)
Publikationstyp: Zeitschriftenartikel
Medienart: Gedruckte Ressource Elektronische Ressource (online)
Sprache:Deutsch
ISSN:2192-3531
Schlagworte:
Online Zugang:
Erfassungsnummer:PU201607005225
Quelle:BISp

Abstract des BISp

Im Allgemeinen wird unter Dopinganalytik und präventiver Dopingforschung das Aufspüren verbotener Substanzen und Methoden der illegalen Leistungssteigerung sowie Weiterentwicklungen und Erweiterungen von Testmöglichkeiten verstanden. Ein wesentlicher Aspekt der modernen Anti-Dopingforschung ist jedoch auch der Schutz von Athletinnen und Athleten vor ungerechtfertigten Verdächtigungen und Anschuldigungen. Forschungsergebnisse können unmittelbar zur Entlastung von Sportlerinnen und Sportlern nach positiven Befunden ihrer Dopingkontrollen beitragen. Dies wird an einem Fallbeispiel dargestellt. So wurden im Frühjahr 2014 bei Routinedopingkontrollen einer Athletin und eines Athleten durch das WADA-akkreditierte Dopingkontrolllabor in Paris geringe Mengen des im Sport verbotenen Diuretikums Chlorazanil aufgefunden. Obwohl ein positiver Befund mit Diuretika an sich nicht ungewöhnlich ist, stellten die Chlorazanil-Funde jedoch ein Novum dar. Der Wirkstoff Chlorazanil wurde in den 1950erJahren als Diuretikum unter dem Handelsnamen Ordipan in den pharmazeutischen Markt eingeführt, besitzt heutzutage jedoch keine therapeutische Relevanz mehr und ist von zahlreichen alternativen Medikamenten abgelöst worden. Zudem wurde, seitdem 1988 Diuretika im Sport verboten wurden, weltweit kein einziger Fall mit Chlorazanil gemeldet, bis zum Frühjahr 2014. Vor diesen Hintergründen sahen es die WADA, das französische Dopingkontrolllabor sowie das Zentrum für Präventive Dopingforschung der Deutschen Sporthochschule Köln als begründet an, diesen analytischen Befund genauer zu beleuchten. Es zeigte sich, dass die Probennahme in west- bzw. zentralafrikanischen Ländern erfolgte. Die getesteten Personen gaben daher auch die nachvollziehbare Einnahme eines Malaria-Prophylaxe-Präparats namens Malarone an, welches die Wirkstoffe Proguanil und Atoquavone beinhaltet. Bereits die strukturelle Betrachtung des Proguanils bzw. eines Abbauprodukts im Vergleich zum Chlorazanil legte den Verdacht nahe, dass das vorgefundene Diuretikum durch die Einnahme des Proguanils hervorgerufen wurde. Genauere Untersuchungen ergaben, dass aus einem Hauptmetabolit des Proguanils, 4-Chlorophenybiguanid, in Urin Chlorazanil entstehen kann. In den fraglichen Sportlerurinen wurden neben Chlorazanil u. a. große Mengen 4-Chlorophenybiguanid vorgefunden, so dass die erhobenen Daten plausibel die Herkunft des Chlorazanils der Einnahme einer Malaria-Prophylaxe-Medikation zugeschrieben werden konnten. Dieses Beispiel zeigt, dass unter bestimmten Voraussetzungen, obwohl das Verhalten aller beteiligten Personen fehlerfrei war, AthletInnen ein dopingpositives Analyseergebnis produzieren können. Die Sportlerin und der Sportler, die betreuenden Mediziner und das Dopingkontrolllabor haben sich vollumfänglich regelkonform verhalten bzw. korrekte analytische Ergebnisse abgeliefert. Die bis dato unbekannte Umwandlung eines Proguanil-Metaboliten unter besonderen Umständen der wahrscheinlich erhöhten Formaldehyd-Ausscheidung konnte nachvollziehbar dargestellt werden und folgerichtig wurden die Athletin und der Athlet auch nicht sanktioniert. (Schiffer unter Verwendung wörtlicher Textpassagen)