Das neue Hochschulrahmengesetz (HRG): Auswirkungen für den wissenschaftlichen Nachwuchs

Gespeichert in:
Bibliographische Detailangaben
Autor:Wolters, Petra
Erschienen in:Ze-phir
Veröffentlicht:9 (2002), 1 (Neues Hochschulrahmengesetz), S. 7-14, Lit.
Format: Literatur (SPOLIT)
Publikationstyp: Zeitschriftenartikel
Medienart: Gedruckte Ressource Elektronische Ressource (online)
Sprache:Deutsch
ISSN:1438-4132, 1617-4895
Schlagworte:
Online Zugang:
Erfassungsnummer:PU201009006639
Quelle:BISp

Abstract

Am 23.2.2002 ist das Fünfte Gesetz zur Änderung des Hochschulrahmengesetzes in Kraft getreten. Die wichtigsten zwei Auswirkungen für den wissenschaftlichen Nachwuchs sind die Einführung der Juniorprofessur (§§ 47, 48) und die neuen Regelungen zur Befristung von Arbeitsverhältnissen (§§ 57 a ff.). Zur Juniorprofessur: Als Einstellungsvoraussetzungen für Professorinnen und Professoren (§ 44) werden neben einem abgeschlossenen Hochschulstudium, pädagogischer Eignung, der besonderen Befähigung zu wissenschaftlicher Arbeit (in der Regel Promotion) zusätzliche wissenschaftliche Leistungen gefordert. Die zusätzlichen wissenschaftlichen Leistungen sollen in der Regel im Rahmen der Juniorprofessur erbracht werden, wenngleich andere Wege, etwa die weitere Qualifikation als wissenschaftlicher Mitarbeiter oder eine Tätigkeit außerhalb der Hochschule, nicht ausgeschlossen sind (§ 44, Absatz 2). „Die Qualität der für die Besetzung einer Professur erforderlichen zusätzlichen wissenschaftlichen Leistungen wird ausschließlich und umfassend in Berufungsverfahren bewertet“ (ebd.). Damit ist die Habilitation als Kriterium zur Berufung auf eine Professur abgeschafft. Juniorprofessoren/-professorinnen können dann an derselben Universität auf eine Professur berufen werden, wenn sie nach ihrer Promotion die Hochschule gewechselt haben oder mindestens zwei Jahre außerhalb der berufenden Hochschule wissenschaftlich tätig waren (§ 45, Absatz 2). Das HRG überlässt dem Landesrecht, eine Art „tenure track“ nach amerikanischem Muster einzurichten, nämlich eine Professur nicht neu auszuschreiben, wenn ein Juniorprofessor oder eine Juniorprofessorin auf diese Stelle berufen werden soll (§ 45, Absatz 1). Einstellungsvoraussetzungen für eine Juniorprofessur: Abgeschlossenes Hochschulstudium, pädagogische Eignung und „besondere Befähigung zu wissenschaftlicher Arbeit, die in der Regel durch die herausragende Qualität einer Promotion nachgewiesen wird“ (§ 47). Altersgrenzen, wie sie bei den ersten Reformentwürfen im Gespräch waren, sieht das Gesetz nicht vor. Bei bislang ausgeschriebenen Juniorprofessuren wird gefordert, dass die Promotion nicht länger als fünf Jahre zurückliegt und dass außer einer herausragenden Promotion noch weitere wissenschaftliche Veröffentlichungen vorliegen. Juniorprofessoren/-professorinnen werden für zunächst drei Jahre zu Beamtinnen oder Beamten auf Zeit ernannt. Bewähren sie sich auf ihren Stellen, wird das Beamtenverhältnis um drei weitere Jahre verlängert (§ 48, Absatz 1). Bis zum 1.1.2010 besteht eine Übergangsregelung, nach der die Möglichkeit besteht, Habilitationsverfahren abzuschließen (§ 72, Absatz 1). Alle jetzt vorhandenen wissenschaftlichen Assistenten/Assistentinnen (C 1) und Hochschuldozenten/Hochschuldozentinnen (C 2) verbleiben in ihren Dienstverhältnissen (§ 74). Kritik: Die Initiative wissenschaftlichernachwuchs.de kritisiert, dass die Einrichtung der Juniorprofessuren zu Lasten der jetzigen Nachwuchsgeneration geht, weil die C 2-Stellen, auf denen schon Habilitierte Zeit bis zur Berufung überbrücken konnten, wegfallen. Generell fehlen Übergangsregelungen, die die schon in der Qualifizierungsphase befindlichen Wissenschaftler/innen in die Reform einbeziehen. Mancherorts werden freiwerdende C 3-Stellen in Juniorprofessuren umgewidmet. Für die Universitäten sind sie billiger und flexibler, während für den bereits qualifizierten Nachwuchs Stellen fehlen, auf die er sich bewerben könnte. Zu den Befristungen: Da wissenschaftliche Stellen an Universitäten zu mehr als zwei Dritteln befristet sind, sind die neuen rigiden Befristungsregelungen des HRG von enormer Bedeutung. Nicht-Promovierte können für bis zu sechs Jahre befristet beschäftigt werden (§ 57 b, Absatz 1). Nach abgeschlossener Promotion ist eine weitere Befristung bis zu sechs Jahren (in der Medizin bis zu neun Jahren) zulässig. Das bedeutet also, dass Nachwuchswissenschaftler/innen nach dem HRG maximal 12 Jahre (15 Jahre in der Medizin) befristet beschäftigt werden dürfen. Grundsätzlich ist es möglich, auf das Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) zurückzugreifen, wenn die Befristungsdauer nach dem HRG ausgeschöpft ist. Die wichtigsten Gründe, die zu einem weiteren befristeten Arbeitsvertrag berechtigen, sind: 1. vorübergehender betrieblicher Bedarf an der Arbeitsleistung, der einen Befristungstatbestand für Forschungsprojekte darstellt; 2. Befristung im Anschluss an eine Ausbildung oder ein Studium, um den Übergang des Arbeitnehmers in eine Anschlussbeschäftigung zu erleichtern; 3. Vergütung des Arbeitnehmers aus Haushaltsmitteln, die haushaltsrechtlich für eine befristete Beschäftigung bestimmt sind; 4. Drittmittel; 5. soziale Überbrückungsmaßnahmen. Kritik: Für diejenigen, die nach 12 Jahren im Hochschulgeschäft keine festen Stellen erreicht haben (und das sind in nicht wenige), spitzt sich die Lage dramatisch zu, denn auch Drittmittelprojekte, die oftmals von hoch qualifizierten, aber noch nicht dauerhaft beschäftigten Wissenschaftler/innen betrieben werden, fallen unter die 12-Jahres-Beschränkung (§ 57 c). Übergangsregelungen für aktuell Betroffene, die zu Beginn ihrer akademischen Laufbahn nichts von der Reform ahnen konnten, gibt es nicht. Alle ab dem 23.2.2002 geschlossenen befristeten Arbeitsverträge müssen die Befristungsdauer berücksichtigen (§ 57 f). Es gibt Fälle, in denen Universitäten die Befristung restriktiv gehandhabt haben. Habilitierten Wissenschaftlern/Wissenschaftlerinnen, die ein Drittmittelprojekt mitbrachten, wurde die befristete Beschäftigung verwehrt, da sie die 12-Jahres-Dauer ausgeschöpft hatten. Gerade die großen Drittmittelprojekte sind aber auf erfahrene, befristet eingestellte Mitarbeiter/innen angewiesen. Der „brain drain“ ins Ausland, den das BMBF gerade aufhalten wollte, könnte durch die 12-Jahres-Regel erst recht gefördert werden. Ministerin Bulmahn hält daran fest, dass die Befristungsregelungen zum Wohle der Nachwuchswissenschaftler/innen seien. Dass ihnen nur befristete Stellen geboten würden statt dauerhafte Beschäftigung sei unsozial und werde mit dem neuen Hochschulrahmengesetz nicht mehr möglich sein. Da es im Wissenschaftsbetrieb aber nicht genügend Dauerstellen gibt, kann man Bulmahns Argument, die neue Fristenregelung sei zum Schutz der Nachwuchswissenschaftler/innen gedacht, nicht gelten lassen. Vielmehr wird vielen die letzte Chance einer wenigsten befristeten Anstellung an Hochschulen genommen. Die Initiative wissenschaftlichernachwuchs.de fordert daher die Zurücknahme der 12-Jahres-Regel. Schiffer (unter Verwendung wörtlicher Textpassagen)