Akademische Karrierechancen in der Sportpsychologie

Gespeichert in:
Bibliographische Detailangaben
Autor:Stoll, Oliver
Erschienen in:Ze-phir
Veröffentlicht:10 (2003), 1 (Aktuelle Stellenentwicklung an sportwissenschaftlichen Einrichtungen in Deutschland), S. 4-8, Lit.
Format: Literatur (SPOLIT)
Publikationstyp: Zeitschriftenartikel
Medienart: Gedruckte Ressource Elektronische Ressource (online)
Sprache:Deutsch
ISSN:1438-4132, 1617-4895
Schlagworte:
Online Zugang:
Erfassungsnummer:PU201008006580
Quelle:BISp

Abstract

In diesem Beitrag werden einerseits die beiden Befragungsstudien zum sportpsychologischen Nachwuchs aus den Jahren 1995 und 1997 kurz zusammengefasst sowie andererseits diese Ergebnisse verbunden mit den aktuellen Änderungen im HRG reflektiert. Diese Aufgabe erwies sich als nicht einfach. Die gesetzlichen Grundlagen sind zwar schon geschaffen, jedoch werden die Veränderungen im HRG nur sehr langsam umgesetzt. Es besteht darüber hinaus noch reichlich Diskussionsbedarf zu einzelnen Aspekten des Gesetzes (z. B. Rolle der Habilitation, Juniorprofessur und „tenure track“) und schließlich fehlt aktuelles Datenmaterial für den sportwissenschaftlichen Nachwuchs. Die Studie von Hossner (1997) stammt aus dem Jahr 1995. Die beiden Befragungen von Thomas Schack und Verf. sind aus den Jahren 1995 und 1997(Stoll & Schack, 1996; Stoll, Schack & Schmidt, 1998). Diese beiden Studien zur Lage des sportpsychologischen Nachwuchses entstammen einer kritischen Betrachtung der Erhebung von Hossner (1997), dessen Prognosen speziell für den Bereich Sportpsychologie als zu optimistisch empfunden wurden. Im Hauptergebnis konnte in den Studien von Stoll und Schack (1996) sowie Stoll, Schack und Schmidt (1998) Folgendes festgestellt werden: Insgesamt arbeiteten im Jahr 1997 35 Nachwuchs-Sportpsychologen an deutschen Universitäten. Ca. 50% der Befragten in Studie 2 waren auch in der Studie aus dem Jahr 1995 dabei (hohe Fluktuation). 19 Personen waren postgraduiert und 16 „Nachwüchsler“ gehörten den „Post-Docs“ an. Dieses Ergebnis deckte sich prinzipiell mit den Daten aus 1995. Betrachtet auf die zwei Jahre zwischen den beiden Messzeitpunkten konnte eine Beschleunigung der Qualifikationszeiten sowohl für den Studienabschluss (um ca. 1 Semester) als auch für die Zeit bis zur Promotion festgestellt werden (von 6.05 Jahre auf 5.8 Jahre). Eher kritisch fiel die relative Inaktivität im Bereich der sog. karriereunterstützenden Maßnahmen speziell der „Post-Docs“ in der Sportpsychologie auf (Publikationstätigkeit in Zeitschriften mit Peer-Review-Verfahren, etc.), demgegenüber konnten „netzwerkbildende Maßnahmen“ (Teilnahme an nationalen und internationalen Kongressen, Mitgliedschaft in wissenschaftlichen Organisationen) als zufriedenstellend eingestuft werden. Ein weiterer Hinweis für die „Post-Docs“ war die Tatsache, das eine „große Qualifikationswelle“ in den Jahren 1998 bis 2003 (insgesamt 13) anstand, welche nicht durch freiwerdende Professuren aufgefangen werden konnte (insgesamt 4). Aktuelle Tendenzen und Prognosen: 1. Da sich zwischen 1995 und 1997 die Anzahl der in der Sportpsychologie arbeitenden „Nachwüchsler“ nicht bedeutend verändert hat, ist zu vermuten, dass diese Anzahl ungefähr gleich geblieben ist (ca. 35). Darunter sind jedoch deutlich mehr Postgraduierte als Post-Docs (ca. 75% zu 25% im Vergleich zu 1997, ca. 55% zu 45%). 2. Die Qualifikationsdauer für Promotion (und evtl. Habilitation, sofern es diese noch geben wird) sinkt weiter (der Leistungsdruck steigt). 3. Die Anzahl von Sportpsychologie-Professuren in Deutschland ist leicht gestiegen (um mindestens zwei, nämlich Halle-Wittenberg und Kassel). 4. Die Prognosen aus den beiden Studien 1995 und 1997 lassen sich weitestgehend verifizieren (zur Zeit deutlich mehr habilitierte Personen als freie Professuren, Stagnation der Emeritierungen bis 2004, ab dann deutliche Entspannung des Stellenmarktes, wegen steigender Emeritierung älterer Kollegen). Bedeutung diese Prognosen im Licht der Veränderungen des HRG: Vor Antritt einer Juniorprofessur darf maximal sechs Jahre auf einer anderen Stelle an einer deutschen Hochschule gearbeitet worden sein. Die erhobenen Daten zeigen, dass (Stand 1997) eine Qualifikationszeit bis zur Promotion im Fach Sportpsychologie bei 5.8 Jahren liegt. Damit wären potenzielle Juniorprofessor-Bewerberinnen und -Bewerber sehr knapp an der Grenze dessen, was der Gesetzgeber vorgibt. Die Veränderungen im HRG entspannen somit keinesfalls die Situation für den sportpsychologischen Nachwuchs. Vielmehr erscheinen die „Nachwüchsler“ berechtigterweise nun noch mehr desorientiert bzw. insbesondere vom Gesetzgeber weiterhin „alleingelassen“. Habilitation oder nicht? Kummulativ habilitieren? Oder doch nur weiter fleißig Einzelbeiträge publizieren, aber wo und in welchen Zeitschriften? Welche Chancen bieten Juniorprofessuren wirklich? Wie groß ist die Chance eine solche zu bekommen und dann auch darüber hinaus den „tenure track“? Dies sind Fragen, die für sportwissenschaftliche Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler derzeit eine große Bedeutung haben. Der Leistungsdruck innerhalb des sportwissenschaftlichen Nachwuchses wird Verf. zufolge steigen, jedoch weniger unter dem Gesichtspunkt der formalen Weiterqualifikation (Habilitation), sondern vielmehr in Bezug auf die Qualität geleisteter und gut dokumentierter Forschung, die auch durch Publikationen in Zeitschriften mit Peer-Review-Verfahren bekannt geworden ist. Forschungsergebnisse sollten auch in guten englischsprachigen Zeitschriften publiziert werden. Es ist davon auszugehen, dass eine breite Fächerung zumindest in der Lehrkompetenz nachgewiesen werden muss, da es reine Sportpsychologieprofessuren immer seltener geben wird. Wahrscheinlicher sind Zusammenlegungen einzelner oder sogar aller sozialwissenschaftlichen Fachdisziplinen oder etwa, wie derzeit häufiger zu beachten ist, die Kombination Sportpsychologie/Bewegungslehre (Motorik). Besetzungskommissionen werden in Zukunft stark darauf achten, wo und was die Kandidatin/der Kandidat publiziert hat, wie und was er an Lehrerfahrung aufzuweisen hat und inwieweit Drittmittel eingeworben werden konnten. Schiffer (unter Verwendung wörtlicher Textpassagen)