Das Lieblingsspiel der Massen. Fußball in der Sowjetunion vom Ende der 1920er Jahre bis zum Gewinn des Europacups der Nationen 1960

Gespeichert in:
Bibliographische Detailangaben
Autor:Heidbrink, Thomas
Erschienen in:Überall ist der Ball rund : zur Geschichte und Gegenwart des Fußballs in Ost- und Südosteuropa
Veröffentlicht:Essen: Klartext-Verl. (Verlag), 2006, S. 41-59, Lit.
Format: Literatur (SPOLIT)
Publikationstyp: Sammelwerksbeitrag
Medienart: Gedruckte Ressource
Sprache:Deutsch
Schlagworte:
Online Zugang:
Erfassungsnummer:PU201001001538
Quelle:BISp

Abstract

Im Zentrum dieses Artikels steht die Entwicklung des sowjetischen Fußballs seit den frühen 1930-er Jahren bis zum Gewinn des Europapokals der Nationen im Jahr 1960. Die Entwicklung des Vereinsfußballs in der UdSSR lässt sich in zwei deutlich unterscheidbare Phasen untergliedern. Das Stichjahr dafür war das Jahr 1936, in dem eine landesweite Liga eingeführt wurde. Grundlegend unterscheidet sich der sowjetische Vereinsfußball in zwei Punkten vom westeuropäischen Fußball. Zum einen sind hier die strukturellen Unterschiede in der Entwicklung des sowjetischen Vereinsfußballs zu nennen, zum anderen die ganz unterschiedlichen klimatischen Bedingungen in West- und Osteuropa. Ein oft sehr milder Winter ermöglicht den westeuropäischen Vereinen eine Saison, die im Spätsommer beginnt und über den Winter hinweg bis ins späte Frühjahr hinein andauert. In der UdSSR war Fußball, bedingt durch die strengen Wintermonate, hingegen ein reiner Sommersport. So läuteten die ersten Fußballspiele der Saison nicht nur den Sommer ein, sondern waren auch für den sowjetischen Fußballfan nach einem fußballlosen Winter ein besonderes Ereignis, vergleichbar mit der Saisoneröffnung der amerikanischen Baseballliga. Eine nationale Fußballmeisterschaft gab es in der UdSSR bis zum Jahr 1936 nicht. Es existierte zwar eine Art Meisterschaftsrunde in Form ausgewählter All-Star-Teams verschiedener, gegeneinander antretender Städte. Von einer einheitlichen sowjetisch-nationalen Meisterschaft im heutigen Sinne konnte aber keine Rede sein. Abgesehen von den All-Star-Team-Spielen fanden Fußballspiele in der Sowjetunion vor 1936 fast ausschließlich auf Stadtebene statt. Mehrere hundert Klubs nahmen an verschiedenen stadtinternen, meist unprofessionell durchgeführten Meisterschaften teil. Dies hatte zur Folge, dass nur in sehr unregelmäßigen Zeitabständen am Ende der Saison ein nationales Vereinsfußballfinale in Moskau ausgetragen werden konnte. Die beiden erfolgreichsten Mannschaften der Saison qualifizierten sich automatisch für das Endspiel in der Hauptstadt. Bis Mitte der 1930-er Jahre wurden zahlreiche Stadien mit einer Kapazität von mindestens 20.000 Zuschauern in fast allen größeren Städten gebaut. Erst diese räumlichen Veränderungen verhalfen dem Fußballsport zum absoluten Durchbruch im ganzen Land und im Jahr 1936 stand der Gründung einer sowjetischen Fußballliga nach westlichem Vorbild nichts mehr im Wege. Zusätzlich zum Ligafußball wurde noch im selben Jahr ein Pokalwettbewerb ins Leben gerufen. Nach dem Überfall des nationalsozialistischen Deutschland auf die Sowjetunion am 22. Juni 1941 stellte die sowjetische Fußballliga ihren Spielbetrieb ein. Bereits fünf Tage nach der bedingungslosen Kapitulation Deutschlands, am 13. Mai 1945, begann in der Sowjetunion die siebte gesamtsowjetische Fußballsaison. In der Nachkriegszeit blühte die sowjetische Fußballkultur schnell wieder auf. Zu Spielen zwischen den großen Moskauer Vereinen und Spitzenteams aus der Provinz wie Dinamo Tiflis kamen regelmäßig 70.000-90.000 Zuschauer in das für lediglich 55.000 Zuschauer ausgelegte Moskauer Dinamo-Stadion. In den 1960-er Jahren verwirklichten sich schließlich die mit der Gründung der nationalen Fußballliga verbundenen politischen Ziele: Der sowjetische Ligafußball wurde zu einem integrativen Element im sowjetischen Vielvölkerstaat. Das erste offizielle internationale Fußballspiel unter dem Dach der FIFA bestritt die Sowjetunion im Mai 1952 gegen Polen. Insgesamt bestritt die UdSSR 391 Spiele, von denen sie 217 gewann und nur 78 Spiele verlor. 96 Spiele endeten unentschieden. Die Auswahlmannschaft der UdSSR gewann im Jahr 1991 ihr letztes Länderspiel mit 3:0 Toren gegen Zypern. Trotz dieser positiven Bilanz konnte die UdSSR keinen wichtigen internationalen Titel, abgesehen vom Gewinn der olympischen Fußballturniere in den Jahren 1956 und 1988 sowie dem Gewinn des Europapokals der Nationen im Jahr 1960, erringen. Der sowjetischen Nationalmannschaft gelang es nie, zu den großen Nationen des Profifußballs aufzuschließen. Schiffer (unter Verwendung wörtlicher Textpassagen)