Massen, Mentalitäten, Männlichkeit: Fußballkulturen in Wien

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Bibliographische Detailangaben
Autor:Marschik, Matthias
Veröffentlicht:Weitra: Verl. Bibliothek der Provinz (Verlag), 2005, 158 S., Lit.
Format: Literatur (SPOLIT)
Publikationstyp: Monografie
Medienart: Gedruckte Ressource
Sprache:Deutsch
ISBN:3902416033
Schriftenreihe:Enzyklopädie des Wiener Wissens, Band 1 : Fußball
Schlagworte:
Online Zugang:
Erfassungsnummer:PU201001001524
Quelle:BISp

Abstract

Importiert als Schulspiel zur Ertüchtigung der männlichen Jugend in den 1880-er Jahren, wurde der Fußball um 1890 von in Wien tätigen Engländern aufgegriffen. Im Spannungsfeld zwischen bürgerlich-ökonomischem und sozialdemokratisch-politischem Fußball entstand ein weites Feld eines genuinen Arbeiterfußballs, der fast die ganze männliche Bevölkerung Wiens in seinen Bann zog und dabei als Popularkultur im Dreieck Wien-Prag-Budapest spezifisch wienerische Eigenschaften entwickelte. Mit dem Verbot des sozialdemokratischen Sports im Februar 1934 wurde die bürgerlich-zweckfreie, kapitalistische Variante des Fußballs durchgesetzt. Die Ära des Nationalsozialismus brachte zwar massive Eingriffe in Sportkonzepte und -praxen mit sich, die Massenkultur des Wiener Fußballs tangierte sie aber kaum. In einem Zusammenspiel von resistentem Fußball und instrumentalisierendem Regime blieb dieser Sport ein Wiener Phänomen und wurde zu einer wesentlichen Form des Aufbegehrens gegen die ‚Deutschen’. Auch noch der dritte Platz bei der WM 1954 war ein Ergebnis der Wiener Mischung aus letztem Einsatz und ballverliebtem ‚Scheiberspiel’. Erst Ende der 1950-er Jahre begannen veränderte Rahmenbedingungen die Wiener Fußballpraxen im Sinne einer ‚Verösterreichung’ zu beenden. Dieser Prozess wurde bald darauf durch eine ‚Europäisierung’ weitergeführt, die den Wiener Fußball in die zweite Reihe zurückstufte. Mit einer kurzen Unterbrechung an der Wende von den 1970-er zu den 1980-er Jahren musste sich der Wiener Fußball seitdem mit eine Schattendasein und einer meist nur lokalen Präsenz bescheiden. Doch trotz mäßiger Leistungen, massiven Zuschauerrückgängen und der Einbettung in europäische bzw. globale Strukturen, die ihm nur mehr Chancen des Reagierens auf internationale Entwicklungen offen lassen, ist der Wiener Fußball nicht untergegangen. Seine konkreten Manifestationen finden sich aber nur noch im lokalen Fußball und im Stadthallenturnier. Ideell hingegen lebt er in den Mythen und Geschichten rund um den Fußball weiter. Verf.-Referat (gekürzt)