Fernsehfußball als maskulines Melodrama

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Bibliographische Detailangaben
Autor:Spitaler, Georg
Erschienen in:Arena der Männlichkeit : über das Verhältnis von Fußball und Geschlecht
Veröffentlicht:Frankfurt a.M.: Campus-Verl. (Verlag), 2006, S. 140-154, Lit.
Format: Literatur (SPOLIT)
Publikationstyp: Sammelwerksbeitrag
Medienart: Gedruckte Ressource
Sprache:Deutsch
Schlagworte:
Online Zugang:
Erfassungsnummer:PU200912007792
Quelle:BISp

Abstract

Im Alltagsverständnis gibt es eine fast selbstverständliche Gender-Zuordnung zwischen zwei der erfolgreichsten TV-Genres gibt, nämlich dem „männlichen“ Fernsehsport (hier: Fußball) auf der einen Seite und melodramatischen, als „weiblich“ verstandenen, Formaten wie der Soap Opera auf der anderen Seite. Solchen Vorstellungen liegt eine allgemeinere Trennlinie in der Moderne zwischen dem sowohl von den Akteuren als auch vom Publikum her männlich kodierten Sport und popularkulturellen Genres des Melodramas bzw. dessen unterschiedliche Ausformungen in der Literatur, im Radio, Film oder bestimmten Fernseh-Formaten zugrunde. Sport beansprucht Geltung, Öffentlichkeit und Stärke. Sein Hauptschauplatz war und ist das agonal organisierte Stadion. Das Melodrama hingegen wird als fiktiv und „privat“ beschrieben – sein Ort ist das Kino oder das Heim – und wird mit Gefühlen in Verbindung gebracht. Dieser Genderbias beeinflusst auch den „kulturellen Wert“ der beiden Genres.: Wo etwa die Soap als eskapistisch und kulturell minderwertig gilt, verfügt der Sport auch in seiner „passiv“ konsumierten Form über ein weit respektableres Image. Um Gefühle geht es aber auch im Fußball. Auch der Fußball ist, nicht zuletzt in seiner medialen Vermittlung, in melodramatische Inszenierungen eingebunden, die Elemente spezifisch maskuliner Melodramen beinhalten. Vor diesem Hintergrund rekapituliert Verf. zunächst einige bestehende Theoretisierungen zu diesem Zusammenhang von Melodrama, Männlichkeit und Fernsehsport. Daran anschließend führt Verf. diese Überlegungen anhand eines Beispiels aus dem deutschen Fußball, der Diskussionssendung Doppelpass auf DSF, etwas konkreter aus. Im Fazit gelangt Verf. zur Erkenntnis, dass der Fußball im Fernsehen über eine Reihe von Eigenschaften verfügt, die ansonsten anderen, „feminisierten“ Formen des Melodramas zugeschrieben werden. „Dies betrifft erstens formale Kriterien – also etwa Serialität oder ‚Offenheit’ des Fernsehsports – sowie zweitens inhaltliche Aspekte sportlicher Texte bzw. ihrer journalistischen ‚Rahmung’ und Kommentierung – die Darstellung personalisierter Konflikte, das Angebot moralischer Lehren, vor allem im Hinblick auf Erklärungen von Erfolg und Scheitern. Drittens entspricht auch das Moment der Identifikation und emotionalen Anteilnahme durch das Sportpublikum recht genau jenen affektiven Beziehungen, die vorwiegend weibliche Fans zu anderen melodramatischen Genres herstellen. Dass der Fernsehsport im Gegensatz zu Formaten wie der Soap Opera, dem dramatischen Liebesfilm etc. aber eher selten mit Zuschreibungen wie ‚fiktiv’ oder ‚gefühlvoll’ in Verbindung gebracht wurde, verweist auf dichotome Konstruktionen männlicher und weiblicher ‚Affekte’ bzw. geschlechtsspezifischer Räume emotionaler Befreiung [...]. Es kann gleichzeitig als Beleg für jenen politisch höchst wirkungsmächtigen ‚modernen Mythos’ betrachtet werden, der auf den ‚Dichotomien Vernunft/Ratio contra Gefühl, Kognition contra Emotion, Kultur/Zivilisation contra Natur, Mann contra Frau beruht’ [...]. Dass es nach wie vor tatsächlich vorwiegend Männer sind, die sich den maskulinen Fußball-Melodramen hingeben, zeigt, dass unterschiedliche gesellschaftliche Geschlechtererfahrungen und -stereotypen auch Auswirkungen auf das Fernsehverhalten haben [...]. Es existiert also, wie Pierre Bourdieu [in seinem Buch „Die männliche Herrschaft“] (2005: 100) festgehalten hat, eine ‚zirkuläre Kausalbeziehung zwischen den objektiven Strukturen des sozialen Raumes und den Dispositionen, die sie bei den Männern wie bei den Frauen hervorbringen’. Im Alltagsverständnis existieren Vorstellungen von geschlechtlich zuzuordnenden Sendeangeboten, genauso wie Normalitätserwartungen und akzeptierte Formen des Medienkonsums. Das Vergnügen am medialen Fußballkonsum beruht auch auf der Nähe zu eigenen Lebenswelten oder Bezugspunkten im Alltag; es steht in Beziehung zu den Lebens- und Selbstkonzepten eines großteils männlichen Publikums [...].“ Schiffer (unter Verwendung wörtlicher Textpassagen)