Sportjournalismus oder die Unfähigkeit zur kritischen Distanz

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Bibliographische Detailangaben
Autor:Pilz, Gunter A.
Erschienen in:Die Kanten des runden Leders: Beiträge zur europäischen Fußballkultur
Veröffentlicht:Wien: Promedia Verlag (Verlag), 1991, S. 249-262, Lit.
Format: Literatur (SPOLIT)
Publikationstyp: Sammelwerksbeitrag
Medienart: Gedruckte Ressource
Sprache:Deutsch
Schlagworte:
Online Zugang:
Erfassungsnummer:PU200712003502
Quelle:BISp

Abstract

Sportjournalisten sollten fähig sein, den Sport in all seinen Schattierungen kritisch zu beleuchten und zu hinterfragen. Am Beispiel des Umgangs der Sportberichterstattung mit dem Problem der Gewalt und des Fair Play im Fußball zeigt Verf., dass Sportjournalisten diese Fähigkeit in weiten Bereichen nicht besitzen. Viele Sportjournalisten können ganz offensichtlich die Wandlungen des Wettkampf- und Leistungssports in Richtung eines immer unerbittlicher werdenden Existenzkampfes, in dem der Erfolg auch die Mittel heiligt, nicht erkennen oder wollen diese nicht offen legen. Dabei verhalten sie sich durchaus widersprüchlich, indem sie einerseits Fairneß predigen und Gewalt verurteilen, andererseits aber im Interesse des Erfolgs Regelverstöße fordern. Dieses Verhalten wurde als „Pilatus-Syndrom des Sportjournalismus“ beschrieben. Anhand von folgenden vier Umgangsformen der Sportjournalisten mit dem Phänomen der Gewalt verdeutlicht und diskutiert Verf. dieses Verhalten: 1. Verharmlosung der Gewalt und Unfairneß von Sportlern. 2. Dramatisierung und Entdramatisierung der Sportlergewalt. 3. Verherrlichung und Legitimierung von Gewalt und Unfairneß. 4. Dramatisierung, Verteufelung und Vermarktung der Zuschauergewalt. Es wird deutlich, dass Sportjournalisten Gewalt von Sportlern einerseits zur Wahrung des Klischees vom sauberen, fairen Sport verniedlichen, verharmlosen und herunterspielen, oftmals aber auch aufbauschen und verherrlichen, um diese dann wieder geschickt und ohne Bruch in das Image des fairen Sports einmünden zu lassen. Andererseits wird die Gewalt von Fans im Interesse der Vermarktung von Gewalt als ein Gut mit höchstem Nachrichten- und Unterhaltungswert dramatisiert und verteufelt. Das zentrale Problem scheint Verf. zufolge darin zu liegen, dass viele Sportjournalisten ein viel zu enges Verhältnis zu jenen eingegangen sind, über die sie berichten sollen. Die nicht zu verkennende Kumpanei zwischen Reportern, Sportlern und Funktionären ist demnach eine Hauptursache für die Unfähigkeit zur kritischen Distanz. Schiffer (unter Verwendung wörtlicher Textpassagen)