Zwischen Faszination und Langeweile - Sport in den Massenmedien

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Bibliographische Detailangaben
Autor:Hoffmann, Alexander von
Erschienen in:Der Satz "Der Ball ist rund" hat eine gewisse philosophische Tiefe. Sport, Kultur, Zivilisation
Veröffentlicht:Berlin: Transit Buchverl. (Verlag), 1983, S. 104-112, Lit.
Format: Literatur (SPOLIT)
Publikationstyp: Sammelwerksbeitrag
Medienart: Gedruckte Ressource
Sprache:Deutsch
Schlagworte:
Online Zugang:
Erfassungsnummer:PU200512003065
Quelle:BISp

Abstract

Kein anderer Bereich journalistischer Tätigkeit fesselt so zuverlässig, so dauerhaft ein engagiertes Massenpublikum wie die Sportberichterstattung. Die drei wichtigsten Elemente dieser Faszination sind Genuss, Unterhaltung und Identifikation. Mit Genuss ist die Freude an der Ästhetik des perfekt ausgeübten Sports gemeint, wobei nur die optische Berichterstattung diesen Genuss bieten kann. Unterhaltung meint immer auch ganz einfache Vorführungen, die ein zuschauendes Publikum von Existenzsorgen ablenken, es in nichtalltägliche, verfremdete Gefühlswelten versetzen, ihm das Abreagieren aufgestauter Emotionen und Anspannungen erlauben. Mit Unterhaltung ist das gemeint, was Menschen seit jeher in den Arenen, auf den Jahrmärkten, in den Theatern, Zirkussen, Kinos gesucht und gefunden haben. In diesem Verständnis bietet Sportberichterstattung hochrangige Unterhaltung. Sie vermittelt das typische Unterhaltungselement der Spannung, des ungewissen Ausgangs. Sie ist wie eine immerwährende Krimiserie, nur viel, viel besser, weil sie authentisch ist. Sie ermöglicht im Sinne typischer Unterhaltung das Dabeisein, ohne involviert zu sein, das Engagement ohne Verantwortungs- und Leistungsdruck, ohne Schuldgefühle und ohne Folgen. Drittens macht insbesondere die Fernsehsportberichterstattung die Sportler durch Interviews, Porträts und durch Großaufnahmen zu Individuen, mit denen sich der Zuschauer identifizieren kann, auch wenn er sie nicht persönlich kennt, und deren Individualität er sich auch dann bewusst ist, wenn er sie während des Sportereignisses nur als ferne Akteure sieht. Aber es gibt auch ein mögliches Risiko, das diese Form des Journalismus trotz aller positiven Seiten in eine Sackgasse führen könnte. Das Risiko steckt im Gegenstand, im perfektionierten Hochleistungssport selbst: Auf die Spitze getriebene Perfektion kann dazu führen, dass ihre Wirkung ins Negative umschlägt. Sportberichterstattung wird zu spannungsloser Schau, wenn diese total inszeniert und vorhersehbar, hinaufperfektioniert auf einen nahezu roboterhaften Einheitsstandard ist. Die Leistungen in den Spitzengruppen jeder Profisportart liegen heute nahezu ununterscheidbar dicht nebeneinander. Selbst im Fußball, der als Mannschaftssportart ja offene und variable Strukturen hat, ist die Einheitsperfektion mittlerweile weit gediehen, und statt der Hundertstelsekunden findet sich dort die wuchernde Vielzahl der Unentschieden oder 1:0-Ergebnisse. Und auch dort ist kaum noch erkennbar, warum eine von zwei gleich perfekten Mannschaften gewinnt oder verliert. Angesichts dessen sollten Sportjournalisten mehr auf die Suche gehen nach Formen von Sport, bei denen die voraussehbare und deshalb eines Tages möglicherweise Langeweile und Verdruss erregende Einheitsperfektion nicht im Mittelpunkt steht. Schiffer (unter Verwendung wörtlicher Textpassagen)/Inhaltsverzeichnis