Spieler kommen, Trainer gehen - Fans bleiben

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Bibliographische Detailangaben
Autor:Dembowski, Gerd
Erschienen in:Ballbesitz ist Diebstahl : Fans zwischen Kultur und Kommerz
Veröffentlicht:Hildesheim: Verl. Die Werkstatt (Verlag), 2004, S. 8-34, Lit.
Herausgeber:Bündnis Aktiver Fußballfans
Format: Literatur (SPOLIT)
Publikationstyp: Sammelwerksbeitrag
Medienart: Gedruckte Ressource
Sprache:Deutsch
Schlagworte:
Fan
Online Zugang:
Erfassungsnummer:PU200512002824
Quelle:BISp

Abstract

Fußball hat eine Tradition als Publikumssport, die noch über das vergangene Jahrhundert zurückreicht. Das besetzen der Ränge durch die Zuschauer stand zu Beginn des modernen Fußballs nicht zuletzt für die Aneignung eines eigenen, selbstkontrollierten Freiraumes. Fluchen, Trinken, Spucken, Faustrecht und andere betont männliche Attitüden fanden hier ihr Ventil. Das Erkämpfen autonomer, sozialer Freiräume spielte schon im massenaktiven „Folk Football“ eine nicht unwesentliche Rolle. Denn der sog. Volksfußball war auch ein Ersatz für Jagen und Fischen, das den „unteren Schichten“ verboten blieb. Wurden zuvor Feste zum Anlass von Spielen, so begannen die Stadtbewohner schließlich, das Spiel selbst zu einem Fest zu machen. Fußball entwickelte sich zu einem Ort, an dem sich das Bedürfnis nach ausgelassener Unordnung genauso wie angestaute Gefühle entladen konnten. Die Bedeutung des Zuschauersports stieg dermaßen schnell, dass schon 1881, anlässlich eines Cup-Finales, der erste Sonderzug durch Schottland fuhr: Startschuss einer Reisekultur, die die sog. Schlachtenbummler bis heute nicht nur an den Auswärtsspielort bringt, sondern auch ein Ritual der sich ständig neu konstituierenden Fanszenen ist. In Deutschland gelang der massenhafte Durchbruch des Fußballsports erst in den 1920er Jahren, als sich vermehrt Arbeiter diesem Spiel widmen konnten. Der Acht-Stunden-Tag machte es möglich und auch die Einführung von Fußball in den Schulsport spielte eine Rolle. Sahen 1903 nur 1200 Zuschauer das erste Endspiel um die Deutsche Meisterschaft, so waren es 1920 schon 35.000 und 1922 sogar 58.000. Wie nach dem Ersten, so erlebte auch nach dem Zweiten Weltkrieg der Fußball einen sozialen Massenboom. Im mühseligen Aufbau des Spielbetriebs bis zu den applaudierenden Zuschauern spiegelte sich die Suche nach eine Ausweg aus Orientierungslosigkeit genauso wie der Wunsch nach Wiederaufbau und Ablenkung vom schwierigen Alltag. Mit der WM 1974 in Deutschland drängten sich die Fans durch bauliche und preisliche Veränderungen erstmals regelmäßig in die Stadionkurven. Dort auf den Stehplätzen sammelten sich ungeordnet vorwiegend männliche Jugendliche, um sich und ihren Verein zu inszenieren. Es gründeten sich mehr und mehr Fanklubs als soziale (Männer-)Gemeinschaften, mit eigenen Festen, Fahrten, Rundbriefen, Abzeichen und Satzungen. Seit Anfang der 1990er Jahre nahm die Bedeutung der Fanklubs ab. Mit einigen Ausnahmen stellen sie bis heute nur noch ca. 15 Prozent des Stadionpublikums. Mit der größer werdenden Distanz zwischen Zuschauer und Verein kam es zu ersten größeren Ausschreitungen. Die Bindung zu den früheren „Local Heroes“ ging so weit verloren, dass Fans heutzutage sogar protestieren, damit die Spieler nach dem Match zum sog. Abklatschen in die Kurve kommen. Seitdem der Begriff „Hooligan“ seinen Siegeszug in den alltäglichen Sprachgebrauch angetreten hat, überhäufen Staatsgewalt, DFB und Vereine den Fußball mit sog. repressiven Maßnahmen. Nach der Katastrophe im Brüsseler Heysel-Stadion und dem Tribünenbrand von Bradford im Jahr 1985 entwickelte sich im Hinblick auf die EM 1988 in Deutschland eine medial aufgebauschte Hysterie. Die Polizei verurteilte in Zeitungsinseraten und Faltblättern die Fantribünen pauschal als „Sammelplätze von Rowdies“. Das Verhalten der Polizei wurde bereits früh von den ersten Fan-Projekten kritisiert. Bis heute drehen sich die Aktionen der Fan-Bewegungen um die Reduzierung der Fans zum Sicherheitsrisiko, ihre Pauschalierung zu potenziellen Gewalttätern und den separierenden Gesamtcharakter von eigentlichen Fußballfesten. Schiffer (unter Verwendung wörtlicher Textpassagen)Fußball hat eine Tradition als Publikumssport, die noch über das vergangene Jahrhundert zurückreicht. Das besetzen der Ränge durch die Zuschauer stand zu Beginn des modernen Fußballs nicht zuletzt für die Aneignung eines eigenen, selbstkontrollierten Freiraumes. Fluchen, Trinken, Spucken, Faustrecht und andere betont männliche Attitüden fanden hier ihr Ventil. Das Erkämpfen autonomer, sozialer Freiräume spielte schon im massenaktiven „Folk Football“ eine nicht unwesentliche Rolle. Denn der sog. Volksfußball war auch ein Ersatz für Jagen und Fischen, das den „unteren Schichten“ verboten blieb. Wurden zuvor Feste zum Anlass von Spielen, so begannen die Stadtbewohner schließlich, das Spiel selbst zu einem Fest zu machen. Fußball entwickelte sich zu einem Ort, an dem sich das Bedürfnis nach ausgelassener Unordnung genauso wie angestaute Gefühle entladen konnten. Die Bedeutung des Zuschauersports stieg dermaßen schnell, dass schon 1881, anlässlich eines Cup-Finales, der erste Sonderzug durch Schottland fuhr: Startschuss einer Reisekultur, die die sog. Schlachtenbummler bis heute nicht nur an den Auswärtsspielort bringt, sondern auch ein Ritual der sich ständig neu konstituierenden Fanszenen ist. In Deutschland gelang der massenhafte Durchbruch des Fußballsports erst in den 1920er Jahren, als sich vermehrt Arbeiter diesem Spiel widmen konnten. Der Acht-Stunden-Tag machte es möglich und auch die Einführung von Fußball in den Schulsport spielte eine Rolle. Sahen 1903 nur 1200 Zuschauer das erste Endspiel um die Deutsche Meisterschaft, so waren es 1920 schon 35.000 und 1922 sogar 58.000. Wie nach dem Ersten, so erlebte auch nach dem Zweiten Weltkrieg der Fußball einen sozialen Massenboom. Im mühseligen Aufbau des Spielbetriebs bis zu den applaudierenden Zuschauern spiegelte sich die Suche nach eine Ausweg aus Orientierungslosigkeit genauso wie der Wunsch nach Wiederaufbau und Ablenkung vom schwierigen Alltag. Mit der WM 1974 in Deutschland drängten sich die Fans durch bauliche und preisliche Veränderungen erstmals regelmäßig in die Stadionkurven. Dort auf den Stehplätzen sammelten sich ungeordnet vorwiegend männliche Jugendliche, um sich und ihren Verein zu inszenieren. Es gründeten sich mehr und mehr Fanklubs als soziale (Männer-)Gemeinschaften, mit eigenen Festen, Fahrten, Rundbriefen, Abzeichen und Satzungen. Seit Anfang der 1990er Jahre nahm die Bedeutung der Fanklubs ab. Mit einigen Ausnahmen stellen sie bis heute nur noch ca. 15 Prozent des Stadionpublikums. Mit der größer werdenden Distanz zwischen Zuschauer und Verein kam es zu ersten größeren Ausschreitungen. Die Bindung zu den früheren „Local Heroes“ ging so weit verloren, dass Fans heutzutage sogar protestieren, damit die Spieler nach dem Match zum sog. Abklatschen in die Kurve kommen. Seitdem der Begriff „Hooligan“ seinen Siegeszug in den alltäglichen Sprachgebrauch angetreten hat, überhäufen Staatsgewalt, DFB und Vereine den Fußball mit sog. repressiven Maßnahmen. Nach der Katastrophe im Brüsseler Heysel-Stadion und dem Tribünenbrand von Bradford im Jahr 1985 entwickelte sich im Hinblick auf die EM 1988 in Deutschland eine medial aufgebauschte Hysterie. Die Polizei verurteilte in Zeitungsinseraten und Faltblättern die Fantribünen pauschal als „Sammelplätze von Rowdies“. Das Verhalten der Polizei wurde bereits früh von den ersten Fan-Projekten kritisiert. Bis heute drehen sich die Aktionen der Fan-Bewegungen um die Reduzierung der Fans zum Sicherheitsrisiko, ihre Pauschalierung zu potenziellen Gewalttätern und den separierenden Gesamtcharakter von eigentlichen Fußballfesten. Schiffer (unter Verwendung wörtlicher Textpassagen)