Fußball im Prozess der Zivilisierung und Nationalisierung

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Autor:Krüger, Michael Fritz
Erschienen in:Die lokal-globale Fußballkultur - wissenschaftlich beobachtet
Veröffentlicht:Münster: Waxmann (Verlag), 2004, S. 121-136, Lit.
Format: Literatur (SPOLIT)
Publikationstyp: Sammelwerksbeitrag
Medienart: Gedruckte Ressource
Sprache:Deutsch
Schlagworte:
Online Zugang:
Erfassungsnummer:PU200501000230
Quelle:BISp

Abstract

In diesem Beitrag geht es nicht nur um Fußball, sondern zentral auch um die auf Norbert Elias zurückgehende „Zivilisations- und Staatsbildungstheorie“ bzw. die „Prozess- und Figurationstheorie“. Verf. geht zunächst auf die für den Zusammenhang zwischen „Fußball“ und „Zivilisationstheorie“ wesentlichen Grundlagen dieser soziologischen Zentraltheorie ein, wobei die Fragestellung lautet, warum der Sport eine elementare Rolle in diesem Konzept spielt. Im zweiten Teil geht es dann um die vor allem von Eric Dunning zusammen mit Elias betriebenen Forschungen zum Fußball im Zivilisationsprozess. Im dritten Teil kommt Verf. auf die Entwicklung des Fußballs im Prozess der Zivilisation in Deutschland bzw. der Zivilisierung des Verhaltens und Empfindens der Deutschen zu sprechen. Im Mittelpunkt steht dabei besonders ein Abschnitt der Geschichte der Deutschen, der gewöhnlich als Zeitalter des Nationalismus bezeichnet wird. Dabei spielt auch die Frage eine Rolle, ob und wie Fußball und der Habitus der Deutschen miteinander zusammenhängen. Dieser Habitus besteht nach Elias aus zwei wesentlichen Elementen: erstens aus einem relativ hohen Standard von Zivilität, Bildung, Disziplin und Selbstkontrolle und zweitens aus einer ausgeprägten Tendenz zur Aggressivität und Gewaltanwendung, die in der Geschichte der Deutschen immer wieder dominant wurde. Zivilisationstheoretisch lässt sich Verf. zufolge die Verbreitung des Fußballspiels in Deutschland um die Jahrhundertwende und bis in die 1920er Jahre hinein als Teil und Ausdruck eines Informalisierungsschubes interpretieren; das heißt, die Menschen in Deutschland lösten sich in ihrem Denken, Fühlen und Handeln von starren Regeln, gesellschaftlichen Konventionen und äußeren Zwängen. Auch im Fußballspiel fanden sie eine Möglichkeit, ihren aggressiven Leidenschaften freieren Raum zu lassen, ohne dass dies jedoch im Regelfall die gesellschaftlich noch akzeptierten Grenzen überschritten hätte. Vor dem Hintergrund der Tatsache, dass das Akzeptieren-Können von Niederlagen ein grundlegendes Merkmal zivilisierten Verhaltens ist, sind Fußballplätze nicht nur Schauplätze von Ersatzkriegen, sondern auch Übungs- und Trainingsgelände für soziales und faires Verhalten. Jedes Fußballspiel und alles, was heute dazu gehört, ist ein Gradmesser für das Niveau der Staats- und Gewissensbildung, der Zivilisierung einer Gesellschaft und ihrer Mitglieder. Schiffer (unter Verwendung wörtlicher Textpassagen)