Willi Meisl - der "König der Sportjournalisten"

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Bibliographische Detailangaben
Autor:Eggers, Erik
Erschienen in:Davidstern und Lederball. Die Geschichte der Juden im deutschen und internationalen Fußball
Veröffentlicht:Hildesheim: Verl. Die Werkstatt (Verlag), 2003, S. 288-299, Lit.
Format: Literatur (SPOLIT)
Publikationstyp: Sammelwerksbeitrag
Medienart: Gedruckte Ressource
Sprache:Deutsch
Schlagworte:
Online Zugang:
Erfassungsnummer:PU200306001418
Quelle:BISp

Abstract

Willy Meisl wurde am 26. Dezember 1895 in Wien geboren, als jüngster Sohn von jüdischen Kaufleuten. Vieles in seiner Jugend ähnelt der Entwicklung seines 14 Jahre älteren Bruders Hugo, der einflussreichsten Figur des österreichischen Fußballs zwischen den Weltkriegen. Wie dieser begeisterte sich Willy früh für den Sport, wie dieser studierte er in Wien Rechtswissenschaften und promovierte im Jahr 1922. Er war ein vielseitiger Sportler, feierte jedoch seinen größten sportlichen Erfolg als Fußballtorwart. In den frühen 1920er Jahren führte er die "Amateure" als Kapitän und bekam sogar einen Einsatz in der Nationalmannschaft (1920, 2:2 gegen Ungarn). Wie seinerzeit viele aktive Sportler, deren Fachkenntnis im boomenden Tageszeitungsgeschäft der frühen 1920er Jahre gefragt war, rutschte auch Willy Meisl in den Sportjournalismus. Seine ersten Sporen verdiente er sich bei Wiener Zeitungen und als Österreich-Korrespondent des von Walther Bensemann 1920 in Konstanz gegründeten "Kicker". Zum Star seiner Branche wurde Meisl dann durch seine brillanten Reportagen von den Olympischen Spielen 1924 in Paris. Von dort aus berichtete er in einem völlig neuen, geradezu feuilletonistischen Stil über Drama und Tragik des modernen Sports. Insbesondere seine Reportage über die "Sonnenschlacht von Colombes", den Querfeldeinlauf über 10 Kilometer, setzte neue Maßstäbe. Noch vor Vollendung seines 30. Lebensjahres wurde Meisl vom Fachblatt "Fußball" als der "beste Sportjournalist in Centraleuropa" bezeichnet. In den frühen 30er Jahren war er so etwas wie der König der Sportjournalisten in der Reichshauptstadt Berlin. Er war Sportchef der "Vossischen Zeitung", in deren Kolumne "Was die Woche brachte" er seine schriftstellerischen Qualitäten bewies. Hier analysierte er schonungslos den nationalen wie internationalen Fußball, dem trotz seiner Vielseitigkeit zweifellos seine größte Liebe galt. Silvester 1933 schrieb Meisl seine letzte Kolumne für die "Vossische Zeitung", die bald darauf eingestampft wurde. Anfang 1934 emigrierte er mit seiner jüdischen Frau nach London. Bereits 1936 arbeitete er jedoch wieder als "Foreign Editor" bei der renommierten Zeitschrift "World Sports", dem offiziellen Organ des britischen Olympischen Komitees, und außerdem als Korespondent für renommierte Tageszeitungen in Schweden, Norwegen, Dänemark, Österreich und der Schweiz. Für Meisl stand fest, dass das Deutsche Turnen an Hitlers Erfolg große Schuld trug. Die "Deutsche Turnerei", formulierte Meisl etwa 1947 in einem Beitrag für die Göttinger Universitätszeitung, "war von jeher ein Hort schärfsten Nationalismus, die Volksschule des Chauvinismus. Ich bin überzeugt, dass gerade das "teutsche Turnen" das deutsche Volk überhaupt erst dem Nationalsozialismus erschlossen hat". Auch in der Nachkriegszeit war Meisl eine journalistische Kapazität. Von größtem Einfluss waren Meisls Texte seinerzeit auf den Fußball, vor allem diejenigen, die er als "Chief Forein Correspondent" von "World Sports" verfasste. Diese Zeitung kündigte ihn anno 1954 stets (und unwidersprochen) als "The Wiorld´s No. 1 Soccer Critic" an. Seine außergewöhnliche Fähigkeit, die internationale Entwicklung des Fußballs zu lesen und zu interpretieren, sprach auch aus seinem 1955 publizierten Buch "Soccer Revolution", in dem er gleichzeitig einen historischen Überblick über den Fußball und Momentbeschreibungen dieser Sportart ablieferte. Ende der 50er Jahre bekam Willy Meisl erstmals größere gesundheitliche Probleme. Obwohl angeschlagen, kämpfte er auch während seiner letzten Lebensjahre weiter für die Ideale des Sports. So forderte er etwa 1966 in einer Fernsehsendung des ZDF ein Boxverbot. Während des WM-Halbfinalspiels zwischen England und Portugal 1966 erlitt Willy Meisl einen Zusammenbruch, von dem er sich nicht mehr erholte. Er starb am 12. Juni 1968 in Lugano. Schiffer