"Das waren alles gute Leute" - der FC Bayern und seine Juden

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Bibliographische Detailangaben
Autor:Schulze-Marmeling, Dietrich
Erschienen in:Davidstern und Lederball. Die Geschichte der Juden im deutschen und internationalen Fußball
Veröffentlicht:Hildesheim: Verl. Die Werkstatt (Verlag), 2003, S. 54-81, Lit.
Format: Literatur (SPOLIT)
Publikationstyp: Sammelwerksbeitrag
Medienart: Gedruckte Ressource
Sprache:Deutsch
Schlagworte:
Online Zugang:
Erfassungsnummer:PU200306001404
Quelle:BISp

Abstract

Die Fußballer des FC Bayern begannen als rebellische Minderheit des Männerturnvereins München von 1879 (MTV 1879). Bereits 1897, drei Jahre vor der Geburt des FC Bayern, hatte sich eine Fußballabteilung im MTV konstituiert, die zur stärksten Kraft im Münchener Fußball avancierte. Zu den Gründern gehörte auch der jüdische Fußballpionier und spätere Gründer der Fußballzeitung "Kicker", Walther Bensemann. Bensemann lebte damals in der Nähe der Universität und in Schwabing, der Heimat des späteren FC Bayern. Der FC Bayern war, seinem Namen zum Trotze, alles anderer als ein rein bayerischer Verein. Seine Gründer waren ein buntes Gemisch aus Sachsen, Hanseaten und Preußen, darunter auch Juden. Der Klub handelte sich deshalb schon recht bald den Vorwurf ein, ein Sammelbecken so genannter "Zuagroaster" zu sein. Tatsächlich waren die Mitglieder des FC Bayern hauptsächlich Studenten, Künstler, Kaufleute und Selbständige. Nicht zuletzt aufgrund dieser Mitgliederstruktur erwarb der FC Bayern recht bald den Ruf einer elitären Adresse. Er verstand sich nicht als Sportverein, sondern eben als "Club". Jüdische Bürger haben in der Geschichte des FC Bayern in drei entscheidenden Phasen ein wichtige Rolle gespielt. Seine Gründung hatte der Klub ganz wesentlich den jüdischen Freunden Josef Pollack und Gustav Rudolf Manning zu verdanken. Bei seinem Aufstieg in die nationale Spitze und zum ersten nationalen Meistertitel war Kurt Landauer, der bereits von 1913 bis 1933 der Präsident des Klubs gewesen war, federführend. Und Landauer war es auch, der dem Klub in den Nachkriegsjahren aufgrund seiner Biografie bei den Verhandlungen mit der Stadt oder der amerikanischen Militärverwaltung einen Startvorteil gegenüber dem lokalen Konkurrenten TSV 1860, dem die Behörden wegen dessen Kollaboration mit dem NS-Regime reserviert begegneten, verschaffen konnte. Ein offensives Bekenntnis zur Geschichte der Juden in seinen Reihen hat der FC Bayern bislang nur einmal abgelegt. Anfang 2001 erreichte die Diskussion über die Entschädigungszahlungen an ehemalige NS-Zwangsarbeiter auch den Profifußball. Als erster Verein sagte der FC St. Pauli seine Beteiligung an der Stiftungsinitiative zu. Auch beim FC Bayern stand das Thema auf der Tagesordnung. Man plädierte für eine einheitliche Regelung und Absprache der Bundesliga. Ein einseitiges Vorpreschen à la St. Pauli wurde abgelehnt. Schließlich, so Geschäftsführer Karl Hopfner, sei der Klub "selbst vom Nazi-Regime betroffen gewesen". Eine Einladung zu einer Tagung an der Universität München mit dem Titel "Juden und Sport. Zwischen Integration und Exklusion" im Jahr 2002, organisiert vom Lehrstuhl für jüdische Geschichte und Kultur, mochte der FC Bayern indes nicht annehmen. Schiffer