Doping im Spitzensport : sportwissenschaftliche Analysen zur nationalen und internationalen Leistungsentwicklung. Teil 1

Gespeichert in:
Bibliographische Detailangaben
Autor:Singler, Andreas; Treutlein, Gerhard
Veröffentlicht:Berlin: Meyer & Meyer (Verlag), 2000, 384 S., Lit.
Format: Literatur (SPOLIT)
Publikationstyp: Monografie
Medienart: Gedruckte Ressource
Sprache:Deutsch
ISBN:3891246641
Schriftenreihe:Sportentwicklungen in Deutschland, Band 12
Schlagworte:
DDR
Online Zugang:
Erfassungsnummer:PU200108000264
Quelle:BISp

Abstract

Über lange Zeit hieß es, die Dopingszene sei völlig verschlossen und einer wissenschaftlichen Bearbeitung nicht zugänglich. Verf. beweisen das Gegenteil, indem sie auf der Grundlage der Analyse von ca. 13000 Zeitungsartikeln, der wissenschaftlichen Literatur und vor allem ca. 45 Zeitzeugeninterviews, letztlich aber auch auf der Basis der eigenen Erfahrungen relevante Punkte vor allem der westdeutschen Dopinggeschichte zwischen 1960 und 1990 behandeln. In einem ersten Schritt (statistischer Zugang) werden Leistungsentwicklung beschrieben und auf mögliche Zusammenhänge mit der sich entwickelnden Dopingproblematik hin untersucht. Nicht wenige herausragende Leistungsverbesserungen können heute kausal mit Dopingaktivitäten in Verbindung gebracht werden. Da eine solche Zuschreibung oft dennoch problematisch bleibt, haben Verf. ihre Erkenntnisse und Erfahrungen über Zeitzeugeninterviews abgesichert. Vor allem im vierten Kapitel steht eine chronologische Ordnung der Fakten im Mittelpunkt. Nicht selten wird vergessen, daß nicht die Diskussionen über Doping das Problem des modernen Spitzensports sind, sondern Doping. Eine besondere Rolle bei der Problementwicklung spielten Sportärzte. Verf. setzen sich deshalb kritisch mit der Rolle von solchen Ärzten wie Prof. Dr. Hollmann (ehemals Präsident der internationalen Sportmediziner-Vereinigung), Prof. Dr. Keul (ehemals Präsident des Deutschen Sportärztebunds), Prof. Dr. Klümper u.a.m. auseinander. Doping ist kein vorwiegend deutsches Problem; die Geschichte und Soziologie des westdeutschen Dopings gibt aber Anhaltspunkte dafür, wie Doping-Prävention in einer westlichen demokratischen Gesellschaft gestaltet werden könnte. Doping im Westen war gewissermaßen "föderal" organisiert, nicht hierarchisch gegliedert und nicht zentral gesteuert und nicht mit dem hochgradig konspirativen geheimen Doping im Osten vergleichbar. Deshalb konnten Ärzte, Funktionäre und Trainer im Westen auch nicht "effizient" agieren wie im Osten, zu ihrem Leidwesen konnten nicht alle Möglichkeiten der Medizin ausgeschöpft werden. Es ist im Nachhinein blamabel, daß auch im Westen die Dopingablehnung nicht deutlicher ausfiel, Präventionsmöglichkeiten kaum erschlossen wurden und das Problem des unlauteren Wettbewerbs angesichts des ruinösen Ostdopings nicht lauter vorgetragen wurde. Auch in der Bundesrepublik Deutschland existierte das Leitbild des "Humanen Leistungssports" und des "mündigen Athleten" nur theoretisch, das pragmatische Handeln der "Erfolgstrainer" im Alltag sah anders aus. Das westdeutsche Doping wurde weniger durch die Konkurrenz mit dem Osten vorangetrieben als durch die AusSicht, mit Hilfe eines erfolgreichen eigenen Sportsystems die notwendige politische und ökonomische Unterstützung für die rache Entwicklung des eigenen Sportsystems zu erhalten und den Stellenwert des Sports innerhalb dieser Gesellschaft zu erhöhen. In den meisten Ländern gibt es Doping und Dopingbekämpfung; im Gegensatz zur landläufigen Meinung war die Bundesrepublik Deutschland kein Weltmeister der Dopingbekämpfung. Im Interesse der Erhaltung der Konkurrenzfähigkeit wurden Gegenmaßnahmen allzuoft nur zu lasch angegangen. Um zudem zu zeigen, daß Doping nicht primär ein Problem der Leichtthletik, sondern aller Sportarten ist, wurde im zweiten Band ein Kapitel zum Doping im Radsport hinzugefügt. Daß es auch an anderer Stelle engagierte Dopinggegner gibt und diese die gleichen Probleme antreffen wie in Deutschland, zeigt der im Anhang veröffentlichte Beitrag von Alessandro Donati zur Situation in Italien. Zwei Gutachten (im Anhang veröffentlicht) der Professoren Keul und Klümper zu den Ergebnissen eines Forschungsprojekts zu Beginn der 70 Jahre (Pfetsch/Beutel/Stork/Treutlein 1975) zeigen, wie sehr im Konfliktfall die Logik des Spitzensports (Sieg-Niederlage) über die Logik anderer gesellschaftlicher Teilsysteme triumphiert, in diesem Fall über die Logik der Wissenschaft. Beide Gutachter sahen sich offensichtlich mehr dem Spitzensport verpflichtet als ihrer Wissenschaft. Zudem erlaubten sich Mediziner, die die Doping-Thematik immer als Reservat für Mediziner ansahen, eine Beurteilung einer sozialwissenschaftlichen Arbeit, die ihre Kompetenz weit überschritt. Verf.-Referat (leicht abgeändert)