Essverhalten, Koerperwahrnehmung und Zyklusstoerungen bei Leistungssportlerinnen

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Bibliographische Detailangaben
Autor:Velde, C.
Herausgeber:Engelhardt, Martin; Franz, Birgit; Neumann, Georg; Pfützner, Arndt
Erschienen in:11. und 12. Internationales Triathlon-Symposium : Hückeswagen 1996 / Losheim 1997
Veröffentlicht:Hamburg: Czwalina (Verlag), 1998, 1998. S. 173-185, Lit., Lit.
Beteiligte Körperschaft:Internationales Triathlon-Symposium
Format: Literatur (SPOLIT)
Publikationstyp: Sammelwerksbeitrag
Medienart: Gedruckte Ressource
Sprache:Deutsch
ISBN:3880203164
Schlagworte:
Online Zugang:
Erfassungsnummer:PU199912406515
Quelle:BISp

Abstract des Autors

Ueber das Auftreten von Essverhaltensstoerungen bei deutschen Leistungssportlerinnen liegt bisher kein Datenmaterial vor. Einzelaussagen von TrainerInnen, BetreuerInnen und SportmedizinerInnen lassen jedoch annehmen, dass die Problematik durchaus gegeben ist und dringend der wissenschaftlichen Aufarbeitung bedarf. Zwar sind Essverhaltensstoerungen im Sportbereich ein Problem, doch steht man diesem keineswegs hilflos gegenueber. Folgende Symptome koennen als Hinweise aufgefasst werden: 1. auffallend starkes Beschaeftigen mit den Themen Essen, Nahrung und Koerpergewicht, waehrend andere Interessen vernachlaessigt werden; 2. heimliche Nahrungsaufnahme, stark kontrolliertes, ritualisiertes Ernaehrungsverhalten; 3. Angst, an Gewicht zuzunehmen; Nahrungsverweigerung; extrem langsames Essen; Bevorzugung ballaststoff- und eiweissreicher, jedoch kalorienarmer Nahrungsmittel; 4. Diskrepanz zwischen aufgenommer Nahrungsmenge und koerperlichem Aussehen und Gewicht; 5. Koerperschemastoerungen (Gefuehl, "zu dick zu sein", trotz offensichtlichen Untergewichts); 6. Leistungseinbruch, erhoehte Verletzungsanffaelligkeit (z.B. Ermuedungsbrueche); 7. Zyklusunregelmaessigkeiten bis hin zur Amenorrhoe; 8. Kontaktstoerungen, Rueckzug aus sozialem Umfeld; 9. uebermaessige koerperliche Aktivitaet. Im

Falle der manifesten Essstoerung: 1. Schwellung der Speicheldruesen; 2. trockene Haut, sproede Haare, unruhiger verkuerzter Schlaf; 3. eingeschraenkte Temperaturtoleranz; 4. Narben an Handruecken und Fingern (Bulimie mit selbstinduziertem Erbrechen). Grundsaetzlich sind folgende Forderungen an das Umfeld der Athletin zu stellen: 1. Die Athletinnen muessen ueber die Folgen von Essstoerungen insbesondere im Hinblick auf den Knochenstoffwechsel (Stressfrakturen, Osteoporose) aufgeklaert werden. 2. Athletin, TrainerIn und SportinedizinerIn sollten gemeinsam ein Konzept erstellen, wie sich ein optimales Gewicht bei gleichzeitig gesunder Ernaehrung einstellen laesst. 3. Koerpergewicht und Aussehen duerfen nicht als Druckmittel eingesetzt werden, wenn die Gesundheit der Sportlerin gefaehrdet ist. 4. TrainerIn und BetreuerIn ebenso wie die Eltern stehen in engem Kontakt zu den Athletinnen und muessen daher geschult werden, Fruehsymptome und Warnsignale zu erkennen. 5. SportmedizinerInnen sollten ebenso wie TrainerInnen und BetreuerInnen auf Fruehsymptome achten (evtl. Screening) und in der Lage sein, die Athletin ueber Folgeschaeden aufzuklaeren, adaequat zu behandeln und/oder in eine entsprechende Therapie weiterzuleiten. 6. Eine staerkere Thematisierung des Essverhaltens, insbesondere pathologischer Formen, wie Anorexia Nervosa, Bulimia Nervosa oder "extrem kontrolliertes Essverhalten" zum Zwecke der Sensibilisierung ist erforderlich, um in der Konsequenz eine erfolgreiche Praevention bzw. Therapie durchfuehren zu koennen und die Athletinnen vor langfristigen Folgeschaeden zu bewahren. 7. Athletin und Betreuer muessen sich der Gratwanderung zwischen Erreichen der optimalen Leistungsfaehigkeit durch Kalorienreduktion und dem AbgIeiten in ein Suchtverhalten bewusst sein. Es geht nicht darum, Athletinnen per se als essgestoert im Sinne einer Anorexia oder Bulimia nervosa einzustufen. Das Vollbild der psychogenen Krankheit kann zumeist gar nicht diagnostiziert werden. Doch es muss klar sein, dass auch subtile Essverhaltensstoerungen langfristig gesundheitliche Risiken mit sich bringen koennen. lm Anschluss an eine Expertentagung in Berlin im Maerz 1996 wurde daher vorgeschlagen, bei Sportlerinnen, die bewusst ihr Koerpergewicht verringern, um so die sportliche Leistung zu steigern und mehr Anerkennung zu erlangen, gleichzeitig aber in der Lage sind, selbstbestimmt ihre Ernaehrung umzustellen und wieder zuzunehmen, zunaechst von einer Anorexia athletica zu sprechen. Erst wenn eine Suchtkomponente hinzukommt, d.h. der Gewichtsverlust Hauptinhalt des Handelns und Denkens wird, und das Koerpergewicht kritische Werte unterschreitet, sollte der Begriff Anorexia nervosa verwendet werden. Verf.-Referat