Sport als Literatur : zur Theorie und Praxis einer Inszenierung im 20. Jahrhundert ; Traumhelden, Sportgirls und Geschlechterspiele

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Bibliographische Detailangaben
Autor:Fischer, Nanda
Veröffentlicht:Eching: F & B Verl. (Verlag), 1999, 315 S., Lit.
Forschungseinrichtung:Deutsche Sporthochschule Köln
Hochschulschriftenvermerk:Zugl.: Köln, Dt. Sporthochsch., Diss., 1998
Format: Literatur (SPOLIT)
Publikationstyp: Monografie
Medienart: Gedruckte Ressource
Dokumententyp: Hochschulschrift Dissertation
Sprache:Deutsch
ISBN:3980667111, 9783980667111
Schlagworte:
Online Zugang:
Erfassungsnummer:PU199906309892
Quelle:BISp

Vorwort

Der Sport unseres Jahrhunderts ist in seinen unterschiedlichen Auspraegungen als kunstvolle Moeglichkeit der menschlichen Sinnenwelt gepriesen worden. Nach haeufiger aber ist er als kuenstliches Koerperparadies oder als duerres Gerippe der totalen Rationalisierung auch der Koerperlichkeit des Mensch verdammt worden, ohne dass diese oder aehnliche Verdikte sein Weiterleben, ja sein praechtiges Gedeihen in unserer Gesellschaft haetten aufhalten koennen. In der Gegenwart wird vielmehr zu Recht von der "Versportung der Gesellschaft" gesprochen. Diese scheint schon so weit fortgeschritten, dass der Sport als Koerperpolitik zu einem wichtigen Hilfsmittel der Politik geworden ist. So werden gesellschaftliche Moeglichkeiten des Menschen und Erwartungen in bezug auf das private Leben des einzelnen von der Klassifikation und Behandlung seines Koerpers entscheidend mitgepraegt: Mit der Klassifikation des Koerpers als zu einer bestimmten Rasse, einem bestimmten Geschlecht, einer Schicht oder Nationalitaet oder auch Religion zugehoerig beginnen Mechanismen und Zwaenge, von denen das Individuum sich nur schwer befreien kann, seine Identitaet und auch seine gesellschaftliche Karriere zu beeinflussen bzw. zu bestimmen. Hinzu kommt, dass das schon frueh entdeckte inhaltliche und formale dramatische bzw. epische Potential des Sports mit Hilfe der Medien immer mehr ins rechte Licht gerueckt wurde und zu gigantischen Eigen- oder Fremdinszenierungen gefuehrt hat. Als Drama des kleinen Mannes haben sie in der heutigen multimedialen Sportschau ihren vorlaeufigen Hoehepunkt gefunden; sie transportieren nicht nur gaengige Koerperideologien zu einem Grossteil der Bevoelkerung und verfestigen sie weiterhin, sondern erfinden und propagieren auch neue, vor allem wirtschaftlich gewinnversprechende. Die als Bereicherung des sprachlichen Ausdrucks geschaetzten oder als flackernde Irrlichter des Verstandes verdaechtigten Metaphern haben als Sportmetaphern die Bildersprache des Alltags, die der Massenmedien sowie der Politszene erobert und erweitert und somit auf der symbolischen Ebene Koerperpolitik befoerdert. Angesichts dieser Entwicklung, dem Eindringen des Sports in die verschiedenen Sprachen des Menschen und seiner staendig zunehmenden politischen Relevanz, stellt sich einmal die Frage, wie in Kunstsprachen, wie z.B. der Literatur, der Bildenden Kunst oder dem Film, ein Bereich inszeniert wurde und inszeniert wird, der aufgrund seiner weitreichenden kulturellen Praesenz, seiner starken sinnlichen Komponente und seiner aesthetischen Wirksamkeit einerseits eine grosse Naehe zu den verschiedenen kuenstlerischen Formen zu haben scheint, andererseits aber immer wieder als ungeistig abgelehnt und aus der Kunstwelt zeitweise sogar ausgesperrt wurde. Zu verstehen, wie Autoren im Wandel der Kunstformen, kuenstlerischen Stilrichtungen und Lebenswelten des zwanzigsten Jahrhunderts die Erscheinungsformen des Sports ihrer Sprache anverwandelten, inwiefern sie Ideologien verbreiten, Ideologiekritik oder Koerperpolitik betreiben, bedeutet, ein gleichermassen faszinierendes wie irritierendes Kapitel der Kulturgeschichte unseres Jahrhunderts ein wenig erhellen zu helfen. In dieser Arbeit wird vor allem der Frage nachgegangen, wie weit Autorinnen und Autoren die Sportwelten als maennliche Sprache und damit zur Metapher fuer Maennlichkeitskonzeptionen waehlen, welche semantischen Qualitaeten sie bei der Inszenierung weiblicher Figuren dem Bildfeld Sport einraeumen und inwieweit sie im Umgang der Geschlechter das Bildfeld Sport einsetzen. Im Gegensatz und als Gegengewicht zu bisherigen Gepflogenheiten wird bei den Textanalysen der weibliche Blick besonders intensiv untersucht, dem maennlichen gegenuebergestellt und die jeweilige Perspektive bestimmt und hinterfragt, aus der Maennlichkeit oder Weiblichkeit ueber den Sportdiskurs konstruiert wird. Vorbemerkung