Getanzte (Gegen-)Öffentlichkeiten. Choreographien tänzerischer Interventionen im öffentl. Raum - Exemplarische/interkulturelle Studie zur transnationalen NGO-Bewegung

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Bibliographische Detailangaben
Leiter des Projekts:Stein-Hinrichsen, Kristina (Universität Hamburg / Institut für Bewegungswissenschaft / Arbeitsbereich Kultur, Medien und Gesellschaft); Klein, Gabriele (Universität Hamburg / Institut für Bewegungswissenschaft / Arbeitsbereich Kultur, Medien und Gesellschaft, Tel.: 040 42838-3525, gabriele.klein at uni-hamburg.de)
Forschungseinrichtung:Universität Hamburg / Institut für Bewegungswissenschaft / Arbeitsbereich Kultur, Medien und Gesellschaft
Finanzierung:Universität Hamburg / Institut für Bewegungswissenschaft / Arbeitsbereich Kultur, Medien und Gesellschaft
Format: Projekt (SPOFOR)
Sprache:Deutsch
Projektlaufzeit:01/2015 - 12/2019
Schlagworte:
Online Zugang:
Erfassungsnummer:PR020160600065
Quelle:Jahreserhebung

Ziel

Die Peking+20 Kampagne der Vereinten Nationen jährt sich zum 20. Mal in diesem Jahr. Dieser Meilenstein globaler Gleichberechtigungsbestrebungen begründete besonders im wissenschaftlichen Diskurs die Debatte um nicht-staatliche AkteurInnen im Hinblick auf konkrete politische Transformationen. Ein praktisches Beispiel ist die frauenrechtbewegte NGO "One Billion Rising", die am 14.02.2013 initiativ zum jährlich sich wiederholenden globalen Protest gegen genderspezifische Gewalt an Mädchen und Frauen aufrief, mit dem Ziel eine Milliarde Menschen zu einer vorgegebenen tänzerischen Protest-Choreographie auf die Straßen zu bewegen. In Form eines Flashmobs tanzen an diesem Tag weltweit zivilgesellschaftliche Akteure verschiedenster Nationen im Zentrum ihrer Städte im Sinne der "dance revolution". Diese besondere Form einer transnationalen Zivilgesellschaft generiert wiederum eine vollkommen neue Dimension einer tänzerisch-politischen Praxis, die nicht auf singulären künstlerisch-intellektuellen oder jugendkulturell motivierten Interpretationen urbaner Erfahrung basiert, sondern eine globale getanzte (Gegen-)Öffentlichkeit herstellt. Das Phänomen tänzerischer Interventionen im öffentlichen Raum der Urbane ist zwar kein neues, doch erstmalig in der Geschichte des Tanzes im öffentlichen Raum vereinigen sich über eine gemeinsame medial verbreitete und lokal, national und transnational aufgeführte Choreographie nicht-professionelle tänzerische Akteure im Kollektiv im Zuge eines weltumspannenden gesellschaftspolitischen Anliegens. So bilden Prozesse im Rahmen von "One Billion Rising", bestehend aus den tänzerischen Praktiken der Flashmobs und der folgenden Medialisierung, kampagnenspezifischer Videos, Blogs, Meldungen und Kommentare ein komplexes Gefüge aus performativen und medialen Inszenierungs- und Verhandlungsweisen, die verschiedenste Merkmale kulturspezifischer Differenzierungen aufweisen. Diese Beobachtungen bilden den Ausgangspunkt dieses interdisziplinären Forschungsvorhabens, in dem die Kampagne exemplarisch, vergleichend und kulturdifferenziert anhand der medial kommunizierten Tanzvideos am Beispiel Deutschland, Indien und Südafrika betrachtet werden soll. Indien und Südafrika gelten in diesem Zusammenhang paradigmatisch für die aufstrebenden Wirtschaftsnationen, die sogenannten BRICS, jener Länder, deren wirtschaftliche Entwicklungs- und politische Demokratieprozesse in Form gesetzlich verankerter Menschrechte in keinem Verhältnis zur Rechtsrealität, der alltäglichen Gewalt gegen Mädchen und Frauen, stehen. Innerhalb des Forschungsvorhabens gilt es die Bedeutung getanzter globaler (Gegen-)Öffentlichkeiten im Kontext von transnationaler Zivilgesellschaft, Demokratieansätzen und Gender dezidiert herauszuarbeiten. Da die performative und mediale Verhandlung von Körpern und Choreographie im Fokus steht, werden vornehmlich Videos analysiert. Innerhalb dieses komplexen Interdependenzgefüges gilt es die Prozesse des "doing public", "doing (social) choreography", "doing gender" und "doing media" aufzuschlüsseln und länderspezifisch zu betrachten. Ziel dieser praxeologischen Studie performativ und medial verhandelter Körper und Choreographien im internationalen Kontext ist die Erkenntnis über die unterschiedlichen Grade der Auswirkungen getanzter (Gegen-)Öffentlichkeiten. Als soziale Figurationen politischer Interventionen im öffentlichen und medialen Raum bilden sie ein hybrides Gebilde, das es in seinen jeweiligen gesellschaftspolitischen Bedeutungen zu erfassen gilt, um Aussagen darüber treffen zu können, welche politische Kraft die getanzte (Gegen-)Öffentlichkeit auf nationaler Ebene im länderspezifischen Kontext jeweils hat und welche Bedeutung ihr als transnationale Bewegung zukommt. Letztendlich soll das Dissertationsvorhaben einen grundlegenden Beitrag hinsichtlich der Frage nach der Herstellung und des Gelingens feministischer tänzerischer (Gegen-)Öffentlichkeiten leisten. Kann eine transnationale (Gegen-)Öffentlichkeit über Tanz funktionieren oder bleibt ein solches Vorhaben eine kosmopolitische Utopie?