Trainingsbegleitende Analyse und Steuerung von Schrittmerkmalen bei Sprints und Sprunglauf im Nachwuchstraining

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Bibliographische Detailangaben
Leiter des Projekts:Mattes, Klaus (Universität Hamburg / Fachbereich Bewegungswissenschaft / Abteilung Bewegungs- und Trainingswissenschaft, Tel.: 040 42838-3391 , klaus.mattes at uni-hamburg.de)
Mitarbeiter:Habermann, Nele; Manzer, Stefanie
Forschungseinrichtung:Universität Hamburg / Fachbereich Bewegungswissenschaft / Abteilung Bewegungs- und Trainingswissenschaft
Finanzierung:Bundesinstitut für Sportwissenschaft (Aktenzeichen: 070702/08)
Format: Projekt (SPOFOR)
Sprache:Deutsch
Projektlaufzeit:01/2008 - 06/2009
Schlagworte:
Erfassungsnummer:PR020080300086
Quelle:Jahreserhebung

Zusammenfassung

Im Forschungsprojekt wurden kinematische Merkmale von Sprints und Sprungläufen in den Trainingsperioden (TP) einer Doppelperiodisierung (DP), sowie Sprungläufe in Abhängigkeit von der Anlaufgeschwindigkeit untersucht. Ausgangspunkt bildet die zentrale These: „Im Sprint und Sprung hat der/diejenige das größere Entwicklungspotenzial, der/die bei gleicher Laufschnelligkeit bzw. Mehrfachsprungweite die kürzeren Stützzeiten aufweist“ (Killing, Stahl & Mattes, 2005, S. 35). Für diese These sprechen Erfahrungen
aus der Trainings- und Wettkampfpraxis, die kurze Bodenkontaktzeiten von unter 90-100ms für maximale Sprints und disziplinspezifische Absprungzeiten für die leichtathletischen Sprünge fordern. Kurze Bodenkontaktzeiten zeigen die Fähigkeit explosiv-reaktiv-ballistische Krafteinsätze unter Zeitlimit zu realisieren
an, was mit erhöhten Reaktivkraftfähigkeiten im kurzen Dehnungs-Verkürzungs-Zyklus (DVZ) und hohem Anteil an schnellen Muskelfasern (Typ IIx) in Verbindung gebracht wird. Innerhalb einer DP waren zyklische Steigerungen der Sprintgeschwindigkeiten bei gleichzeitiger Verkürzung der Bodenkontaktzeiten und beim Sprunglauf erhöhte Sprunggeschwindigkeiten und/ oder Sprungschrittlängen bei vergleichbaren Bodenkontaktzeiten zu erwarten. Mit Steigerung der Anlaufgeschwindigkeit bei Sprungläufen wurde eine Annäherung an Wettkampfabsprünge angenommen, die sich in veränderten Sprunggeschwindigkeiten, Schrittlängen und Bodenkontaktzeiten abbildet. Anhand von vier Berliner Trainingsgruppen (Sprint und Sprung, AK SchülerA bis AK Frauen/ Männer), darunter waren B- und C-Kaderathleten, wurden fliegende
Sprints aus mindestens 20-m-Anlauf und Sprungläufe mit und ohne Anlauf über eine Strecke von 30m mittels Optojump vermessen. Die Messdaten wurden einer Varianzanalyse mit Messwiederholung unterzogen. Für den Zeitraum von Oktober 2007 bis Juni 2008 wurde eine zyklische Erhöhung der Sprintgeschwindigkeit mit nachvollziehbarer DP festgestellt. Die Steigerung der Sprintgeschwindigkeit von der 1.aVP zur 2.WP betrug im Mittel 0,42±0,08m/s, dabei nahmen die Schrittlängen (4,4±3,7cm) und Schrittfrequenzen (0,1±0,05Hz) zu, sowie die Bodenkontaktzeiten (-3±1ms) und Flugzeiten (-2±3ms) nicht signifikant ab. Die Sprungläufe wurden im Vergleich 2.WP zur 1.aVP mit signifikant höheren Schrittgeschwindigkeiten (0,22±0,08m/s) und -frequenzen (0,08±0,03Hz), aber kürzeren Flugzeiten (-19±5ms), flacheren Abflugwinkeln (-1,4±0,33°) und nicht signifikant kürzeren Bodenkontaktzeiten (-3±4ms) absolviert. Bei Sprunglaufvarianten nahmen signifikant mit der Anlaufgeschwindigkeit die Schrittgeschwindigkeiten, Schrittweiten zu und die Bodenkontaktzeiten ab. Innerhalb der Sprungläufe mit und ohne Anlaufgeschwindigkeit näherten sich die kinematischen Kennwerte der Einzelsprünge an. Ab dem fünften Sprung waren keine signifikanten Unterschiede mehr festzustellen. Für die Sicherung der Trainingswirkung ist eine klare Festlegung der Trainingsziele, deren systematische Ansteuerung unter Berücksichtigung der Periodisierung und die Möglichkeit der Feinsteuerung dieses Optimierungsprozesses über die kinematischen Kennwerte entscheidend. Von der durchschnittlichen Entwicklung von Sprints und Sprungläufen wird im Einzelfall abgewichen, da sich Anpassungsreaktionen individuell verschieden einstellen. Das betrifft nicht nur die Leistungsverbesserung, sondern auch deren Zustandekommen aus den kinematischen Kennwerten. Sportliche Talente können nach Trainingsausfall mit hohen Leistungssteigerungen reagieren, da noch beträchtliche Kompensationsmöglichkeiten innerhalb der Leistungsvoraussetzungen bestehen. Diese kurzfristige Leistungsentwicklung sollte jedoch vor dem Hintergrund des langfristigen Zieles bewertet und im nachfolgenden Trainingszyklus berücksichtigt werden. Das Messen der kinematischen Kennwerte unterstützt die Bewegungsbeobachtung und -bewertung, weil dadurch ein resultatsorientierter Bewertungsund Optimierungsrahmen für die Bewegungsmerkmale gegeben wird. Sprungläufe besitzen eine hohe Ausführungsvariabilität, die durch Orientierung auf Sprunggeschwindigkeit, Sprungweite und/oder kurze Bodenkontaktzeiten zur Veränderung der Trainingswirkung gezielt genutzt werden sollte. Bei
Sprungläufen ohne Anlauf sollte stärker auf kurze Bodenkontaktzeiten orientiert werden, da im Durchschnitt Zeiten an der Grenze des kurzen DVZ gemessen werden. Mit der Anlaufgeschwindigkeit reduzieren sich die Bodenkontaktzeiten und nähern sich Wettkampfabsprüngen an, deshalb sollten Sprungläufe
mit mittlerer Anlaufgeschwindigkeit offensiver im Training eingesetzt werden. Innerhalb von Sprungläufen mit mittlerer Anlaufgeschwindigkeit sollten nicht mehr als fünf Einzelsprünge absolviert werden. Die zentrale These des Projektes zum Entwicklungspotenzial von Talenten kann nun ergänzt werden. Die systematische Talentförderung und Wirksamkeit des Trainings wird zunehmend besser, desto mehr es gelingt, die Zusammenhänge zwischen Sprintgeschwindigkeit bzw. Mehrfachsprungweite und kinematischen Schritt- bzw. Sprungmerkmalen variabel, aber zugleich zielorientiert für die individuelle Planung und Steuerung nutzbar zu machen.