Trainingsdokumentation und Trainingsbegleitung im Rollstuhlleistungssport

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Bibliographische Detailangaben
Leiter des Projekts:Freiwald, Jürgen (Universität Wuppertal / Fachbereich Bildungs- und Sozialwissenschaften / Sportwissenschaft / Arbeitsbereich Bewegungswissenschaft, Tel.: 0202 439-2094, freiwald at uni-wuppertal.de)
Mitarbeiter:Lange-Berlin, Volker
Forschungseinrichtung:Universität Wuppertal / Fachbereich Bildungs- und Sozialwissenschaften / Sportwissenschaft / Arbeitsbereich Bewegungswissenschaft
Finanzierung:Bundesinstitut für Sportwissenschaft (Aktenzeichen: 070403/07-08)
Format: Projekt (SPOFOR)
Sprache:Deutsch
Projektlaufzeit:08/2007 - 07/2008
Schlagworte:
Erfassungsnummer:PR020070900401
Quelle:Jahreserhebung

Zusammenfassung

Im Behindertenleistungssport (hier: Kugelstoß) fehlen Analysen der Leistungsstruktur sowie Trainingsdokumentationssysteme (Literatur- und Feldanalyse). Das Vorhabenziel besteht in der Aufklärung der Leistungsstruktur sowie der Erstellung von Trainingsdokumentationssystemen und deren trainingsbegleitende Implementation. Neben Fragebögen werden biomechanische Analysen erstellt (Kinematik, Dynamik, EMG). Durch eine 2-jährige trainings- und wettkampfbegleitende empirische Untersuchung (wiederholte Messungen) der Kaderathleten (Kugelstoß) sollen folgende Merkmale erhoben werden: 1. Personale und anthropometrische Merkmale. 2. Psychosoziale Merkmale. 3. Kinematische Merkmale. 4. Kinetische Merkmale. 5. Elektromyographische Merkmale. 6. Trainingsdokumentation 7. Disziplinspezifische sportmotorische Leistung. Erkenntnisse zu den Grundlagen der Leistungsentwicklung und Erkenntnisse über Trainings- und Betreuungsmaßnahmen im Behindertenleistungssport sollen forschungsbegleitend mit Hilfe der Trainer und Athleten in der Praxis umgesetzt werden. Ziel ist u.a. eine optimierte Vorbereitung auf die Paralympics 2008 in Peking.

(Zwischen)Ergebnisse

Teilnehmer an der Untersuchung sind sechs A- und B-Kaderathleten Rollstuhl der leichtathletischen Wurf- und Stoßdisziplinen. Zwei Athleten gehören dem A-Kader an, vier Athleten dem B-Kader. Die Athleten sind unterschiedlichen Wettkampfklassen zugeordnet. Zwei Athleten starten in der Wettkampfklasse F52, je ein Athlet in den Wettkampfklassen F54 und F55 und zwei Athleten in der Wettkampfklasse F56. Im Rahmen des Forschungsprojektes sollen, soweit vorhanden, weitere Athleten (Perspektivkader Peking 2008) integriert werden. Einschlusskriterium stellt die Kaderzugehörigkeit dar. Die Größe der Athleten und Athletinnen (sitzend auf dem Wurfstuhl ) lag zwischen 154 und 173cm (167,8 ± 7,14). Die Armlänge des Stoßarmes (gestreckt, vom Acromion bis zur Fingerkuppe des Mittelfingers) lag zwischen 68 und 80cm (76,2 ± 4,44), die Unterarmlänge (Olecranon bis Fingerkuppe Mittelfinger, Hand gestreckt) lag zwischen 44 und 52cm (48,3 ± 2,79). Die Schulterbreite (Acromion zu Acromion) lag zwischen 42 und 54cm (48,6 ± 5,08) und das Gewicht lag zwischen 56 und 105kg (79,4 ± 19,83). Zwischen Sitzhöhe und Größe besteht eine sehr hohe Korrelation (r=0,91) und der Zusammenhang ist signifikant (p=0,01). Die Korrelation von Sitzhöhe und Armlänge ist hoch (r=0,83) und signifikant (p=0,04), die Korrelation von Sitzhöhe und Unterarmlänge liegt bei r=0,85 (hohe Korrelation) und ist signifikant (p=0,03). Die Korrelation zwischen Sitzhöhe und Schulterbreite liegt bei r=0,75 (hohe Korrelation), ist aber nicht signifikant (p=0,08). Der Abflugwinkel wurde aus der Videographie errechnet. In der Literatur (Ballreich & Kuhlow, 1986; Chow & Mindock, 1999; Jonath, Krempel, Haag, & Müller, 1995) wird bei Nichtbehinderten Leichtathleten ein Abflugwinkel zwischen 37° und 40,0° bei den erreichten Weiten als optimal beschrieben. Alle Athleten und Athletinnen zeigten einen kleineren Abflugwinkel. Neben dem Abflugwinkel stellt die Abflughöhe (bei Nichtbehinderten) einen wichtigen Parameter zur Erreichung einer großen Stoßweite dar. Die Abflughöhe ist von den anthropometrischen Voraussetzungen (Größe im Sitzen, Armlänge) abhängig und daher kaum zu beeinflussen. Die Abflughöhe für die einzelnen Athleten und Athletinnen lag zwischen 1,62m (±0,02) und 1,80m (±0,01). Der Beschleunigungsweg stellt eine weitere wichtige biomechanische Kenngröße zur Erreichen einer hohen Stoßweite dar. Die Beschleunigungswege für die einzelnen Athleten und Athletinnen lagen zwischen 1,03m (±0,11) und 1,55m (±0,01). Die elektromyographischen Aktivierungsmuster der abgeleiteten Muskeln zeigen bei allen Athleten und Athletinnen die höchste Aktivität in der mittleren Ausstoßbewegung (Oberarm-Unterarmwinkel bei ca. 270°). Die Aktivitätsmuster wurden auf 100% normalisiert. Die EMG Muster zeigten zeitliche und von der Amplitudenhöhe intra- und interindividuell große Unterschiede. Als Krafttrainingsübungen setzten die Athleten Bankdrücken und sogenannte Stoß- und Schwungübungen ein. Bei den Stoßübungen wurde eine schwerere (5,00 kg) als die Wettkampfkugel (3,00kg/4,00kg) eingesetzt und die Ausstoßbewegung durchgeführt. Bei den Schwungübungen wurden Gewichtsscheiben mit 5 und 10kg eingesetzt, die vor dem Körper gekreist wurden. Dabei saß der Athlet auf einer Drückbank. Weitere Krafttrainingsübungen wurden von den Athleten und Athletinnen nicht durchgeführt. Im Rahmen des Maximalkraft- und Schnellkrafttrainings wurden Belastungsnormative (Intensität, Umfang, Wiederholungszahl, Pausenlänge) von vier Athleten und Athletinnen nach subjektivem Empfinden ausgewählt. Nur eine Athletin und ein Athlet trainierten nach Belastungsnormativen, welche durch einen Trainingsplan vorgeben wurden. Das disziplinspezifische Training (Kugelstoßen) und das Krafttraining werden nicht periodisiert. Das disziplinspezifische Training wird von fünf Athleten und Athletinnen bei guter Witterung durchgeführt, das Krafttraining nur bei schlechter Witterung. Bei einer Athletin findet eine Unterteilung des Trainings nach Zyklen statt. Hier sind die Zeitpunkte für disziplinspezifisches Training und Krafttraining innerhalb eines Trainingsplanes genau definiert. Zwei Athletinnen und ein Athlet geben die Doppelbelastung von Berufstätigkeit und Leistungssport als negativ beeinflussenden Faktor an. Drei Athleten und Athletinnen geben die „Anreise“ zum Training als aufwendig und negativ beeinflussend an. Alle sechs Athleten und Athletinnen werden medizinisch von ihrem Hausarzt betreut. Nur eine Athletin nutzt zusätzlich die medizinische Versorgung am Olympiastützpunkt. Im Rahmen der physiotherapeutischen Betreuung werden bei allen Athleten und Athletinnen die Einschränkungen im Zusammenhang mit der Behinderung behandelt. Eine sportart-spezifische physiotherapeutische Behandlung zur Regeneration, zur Prävention und im Rahmen des Trainings fand nicht statt.