Körperkonzept von Spitzensportlerinnen

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Bibliographische Detailangaben
Leiter des Projekts:Seiler, Roland (Schweiz / Bundesamt für Sport, roland.seiler at baspo.admin.ch)
Forschungseinrichtung:Schweiz / Bundesamt für Sport
Format: Projekt (SPOFOR)
Sprache:Deutsch
Projektlaufzeit:04/2001 - 12/2001
Schlagworte:
Erfassungsnummer:PR020030200063
Quelle:ARAMIS - CH - Forschungsinformationssystem

Zusammenfassung

In den letzten Jahren stieg die Zahl der Frauen, die auf hohem Niveau Leistungssport betreiben, kontinuierlich an. Parallel zu dieser Entwicklung ist ein Symptomkomplex zunehmend aufgetreten, der aus gestörtem Essverhalten, Amenorrhoe und Osteoporose besteht. Dieses Syndrom wird unter dem Namen "Female Athlete Triad" beschrieben und zunehmend vor allem aus medizinischer Sicht untersucht. Dabei ist die beginnende oder bereits manifeste Essstörung das für die Diagnostik und die Intervention schwierigste Problem. Ausserhalb des Sports wird mit Hilfe von Fragebogen zum Körperkonzept und zu Ernährungs- und gewichtsbezogenen Einstellung und Verhaltensweisen versucht, Essstörungen frühzeitig zu erkennen. Die Normen dieser Fragebogen (z.B. FKKS, Deusinger, 1998) sind jedoch nicht sportspezifisch und insbesondere für Spitzensportlerinnen nicht überprüft. Eine korrekte Beurteilung des Essverhaltens oder des Körperkonzepts ist in dieser Population also eher problematisch. Es stellt sich die Frage, wo die Grenze zwischen einem durch den Leistungssport bedingten, ausgeprägterem Körperbewusstsein und entsprechendem Essverhalten (funktionelle Norm) und einer athologischen Ausprägung in Richtung Essstörung liegt.
Zielsetzung:
Konzeptuelle Entwicklung der Instrumente, Kontakte mit anderen Fachstellen und der Lizenziandin, Durchführen der Datenerhebung mit der Population der Spitzensportlerinnen.
Erste Überprüfung von Normwerten. Verfassen eines Abschlussberichts.

(Zwischen)Ergebnisse

Untersuchungen zeigen einen generellen Zusammenhang zwischen sportlicher Aktivität und Körperkonzept auf (z.B. Sonstroem & Morgan, 1989; Alfermann, Lampert, Stoll, & Wagner-Stoll, 1993). Die Bedeutung des Körperkonzepts im Spitzensport, wo der Körper eine instrumentelle und in vielen Sportarten auch eine repräsentative Funktion besitzt, ist hingegen kaum bekannt. Ebenfalls unklar ist die Bedeutung des Körperkonzepts für die Ausprägung des Selbstwerts, welchem im Hochleistungssport eine wichtige Rolle bei der optimalen Leistungserbringung zukommt. In der vorliegenden Studie interessierte, ob Spitzensportlerinnen grundsätzlich ein anderes Körperkonzept aufweisen als Freizeitsportlerinnen und in welchen Dimensionen allfällige Unterschiede auftreten. Weiter sollte geprüft werden, ob sich hinsichtlich des Körperkonzepts innerhalb der Spitzensportlerinnen Unterschiede nachweisen liessen. Ausserdem wurde überprüft, inwiefern die Ausprägung des Körperkonzepts den Selbstwert beeinflusst. Als weiterer möglicher Einflussfaktor auf Körperkonzept und Selbstwert wurde der Perfektionismus erfasst. Methode: Untersucht wurden 161 deutschsprachige Athletinnen der höchsten Kaderstufe aus 11 Schweizer Sportverbänden. Die Befragung erfolgte postalisch mittels Fragebogen. Zur Anwendung kamen die Freiburger Körperkonzeptskalen (Deusinger, 1998), die deutsche Übersetzung der Rosenberg Selbstwertskala (Rosenberg, 1965; Ferring & Filipp, 1996), sowie die Frost- Perfektionismus-Skala (Frost et al., 1990; Stöber, 1998). Die Daten der Spitzensportlerinnen wurden mit Daten aus einer Paralleluntersuchung, bestehend aus 190 Freizeitsportlerinnen verglichen. Ergebnisse: Spitzensportlerinnen wiesen im Vergleich mit den Freizeitsportlerinnen ein signifikant besseres Gesamtkörperkonzept auf (p<0.05). Der Vergleich von Subgruppen innerhalb des Kollektivs der Spitzensportlerinnen zeigte nur auf den Skalen "Gesundheit und körperliches Befinden" sowie "dissimilatorische Körperprozesse" signifikante Unterschiede, jedoch nicht bezüglich des Gesamtkörperkonzepts. Aufgrund einer subjektiven Bewertung des eigenen Körpergewichts, welche ein Mass für die Zufriedenheit mit dem Körpergewicht ist, wurden die Athletinnen in Extremgruppen aufgeteilt und bezüglich des Körperkonzepts verglichen. Es zeigten sich signifikante Unterschiede hinsichtlich des Gesamtkörperkonzeptes. Spitzensportlerinnen wiesen gegenüber Freizeitsportlerinnen einen erhöhten Selbstwert auf. Innerhalb der Spitzensportlerinnen zeigte sich ein starker Zusammenhang zwischen dem Selbstwert und der Ausprägung des Gesamtkörperkonzepts (r=0.7). Bezüglich des Perfektionismus ergab sich zwischen dem Gesamtkörperkonzept sowie der Subskala "Sorgen über Fehler und Zweifel" ein mittlerer negativer Zusammenhang (r=-0.52), ausserdem zeichneten sich die Spitzensportlerinnen im Vergleich zu den Freizeitsportlerinnen durch höhere persönliche Standards aus. Diskussion: Der Unterschied im Gesamtkörperkonzept von Spitzen- und Freizeitsportlerinnen gibt Anlass zur Vermutung, dass der Umfang sportlicher Aktivität eine positive Auswirkung auf das Gesamtkörperkonzept hat. Innerhalb der Stichprobe der Spitzensportlerinnen scheint die Ausübung einer bestimmten Sportart die Ausprägung des Körperkonzepts nicht wesentlich zu beeinflussen. Athletinnen, welche mit ihrem Körpergewicht zufrieden waren, wiesen im Vergleich mit unzufriedenen sowohl eine höhere Selbstakzeptanz, als auch positivere Einstellungen und Bewertungen zur körperlichen Erscheinung auf. Die Schlussfolgerung liegt daher nahe, dass kognitive Bewertungen wie die Einschätzung des eigenen Körpergewichts, (welche durch das Umfeld einer Sportlerin mitgeprägt werden), das Körperkonzept entscheidend beeinflussen. Die Ausprägung des Körperkonzepts hat einen starken Einfluss auf den Selbstwert. Da angenommen werden kann, dass ein guter Selbstwert entscheidend ist für eine optimale Leistungserbringung, ist ein positives Körperkonzept bei Spitzensportlerinnen eine Notwendigkeit. Die Ergebnisse der Perfektionismusskala weisen ausserdem darauf hin, dass eine gewisse Anspruchshaltung bezüglich von der Athletin selber verursachter Fehler besteht. Diese Anspruchshaltung hat ebenfalls einen Einfluss auf das Körperkonzept.