Adaptationsprozesse und Trainingswirkungen bei schnellen Längsachsendrehungen

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Bibliographische Detailangaben
Leiter des Projekts:Krug, Jürgen (Universität Leipzig / Institut für Allgemeine Bewegungs- und Trainingswissenschaft, Tel.: 0341 97-31670, krug at rz.uni-leipzig.de)
Mitarbeiter:Laßberg, Christoph von; Mühlbauer, Thomas
Forschungseinrichtung:Universität Leipzig / Institut für Allgemeine Bewegungs- und Trainingswissenschaft
Finanzierung:Bundesinstitut für Sportwissenschaft (Aktenzeichen: 070605/01-02)
Format: Projekt (SPOFOR)
Sprache:Deutsch
Projektlaufzeit:01/2001 - 12/2002
Schlagworte:
Erfassungsnummer:PR020020200073

Zusammenfassung

Forschungsdefizit:
Eine hohe Stabilität der Funktionen des Vestibularapparates stellt eine grundlegende Voraussetzung für die erfolgreiche Realisierung ziel- und stützmotorischer Anforderungen dar (Birnbaumer & Schmidt, 1996; Schmidt, 1998). Dieser Umstand gilt sowohl im allgemeinen für die Bewältigung alltäglicher Anforderungen (Schmidt, Thews & Lang, 2000), als auch im speziellen für die Durchführung sportartspezifischer Bewegungen, besonders in den technisch-kompositorischen Sportarten (Iwanowa & Lomow, 1979; de Mareés, 1990; Neumann, 1996). Untersuchungen zur Kennzeichnung von Belastungsreaktionen des Vestibularsystems infolge von Rotationsbewegungen liegen zum einen im Sinne von klinischen Studien (Iwanowa & Lomow, 1979; Poguraev & Panfilov, 1981; Neumann & De Marees, 1990) und zum anderen für ausgewählte Sportarten vor (Stangl & Gollhofer, 1998; Stangl, Fetter & Gollhofer, 2000; Naundorf & Krug, 2000, 2001). Während bei den klinischen Arbeiten vor allem die viel zu geringen Drehgeschwindigkeiten in der Testdurchführung den Hauptkritikpunkt darstellen, sind es für den Bereich der sportartspezifischen Studien die fehlenden Bezüge zu untrainierten Kollektiven bzw. die fehlenden Ableitungen für die Trainingspraxis.
Forschungshypothesen:
(1) Die jahrelange intensive und häufige Durchführung von Rotationsreizen führt im Sinne der natürlichen Habituation zu einer Reaktionsminderung der vestibulo-spinalen bzw. vestibulo-okulären Reflexe.
(2) Ein spezielles, unter Berücksichtigung der sportartspezifischen Anforderungsbedingungen durchgeführtes Rotationstraining führt im Sinne der experimentellen Habituation zu einer Reaktionsminderung der vestibulo-spinalen bzw. vestibulo-okulären Reflexe.
(3) Sowohl der Prozess der natürlichen, als auch der experimentellen Habituation lässt sich mittels der Posturographie und der Elektronystagmographie nachweisen.
Forschungsziele:
Das Forschungsvorhaben soll dazu beitragen, Anpassungsprozesse und Trainingswirkungen bei schnellen Längsachsendrehungen zu analysieren und einen tieferen Einblick bzgl. der dabei auftretenden vestibulo-spinalen bzw. vestibulo-okulären Reflexmechanismen zu gewinnen. Des weiteren sollen spezifische Trainingsmethoden unter Verwendung eines kostengünstigen und einfach zu handhabenden Test- und Trainingsgerätes für Längsachsendrehungen konzipiert und überprüft werden.
Praxisbezug:
Der dargestellte Forschungsansatz stellt eine Zugriffsmöglichkeit für die Analyse von Anpassungsproblemen und Trainingswirkungen unter Feldbedingungen bzw. unter Berücksichtigung sportartspezifischer Beschleunigungs- und Geschwindigkeitsanforderungen dar. Er kann weiterhin als ein wichtiger Beitrag zur inhaltlichen und methodischen Gestaltung der Trainingspraxis im Nachwuchsbereich der technisch-kompositorischen Sportarten angesehen werden.

(Zwischen)Ergebnisse

In einem ersten Teilergebnis konnte die Realisierung von maximalen Drehgeschwindigkeiten im Bereich von 800°/s bis 1200°/s durch die Verwendung des neu entwickelten Test- und Trainingsgerätes für Längsachsendrehungen gezeigt werden. Diese Werte entsprechen den sportartspezifischen Winkelgeschwindigkeitsanforderungen in der Sportart Kunstturnen (Krug, 1996; Krug & Witt, 1996; Knoll, Knoll & Köthe, 2000). In einem zweiten Teilergebnis ergab die statische Überprüfung (t-Test für unabhängige Stichproben) des Einflusses der Drehrichtung (präferierte vs. nicht präferierte) auf die Gleichgewichtsregulation, dass es im Mittel keinen Unterschied in der Dauer und der Stärke der Gleichgewichtsregulation des Kraftangriffspunktes (KAP) in Abhängigkeit der Drehrichtung gibt. In einem dritten und vorerst letzten Ergebnis ergab die inferenzstatistische Prüfung mittels einer Varianzanalyse mit Messwiederholung, dass für die Dauer der Gleichgewichtsregulation keine Unterschiede im Mittel bestehen. Bezogen auf die Stärke der Gleichgewichtsregulation zeigte sich zwar ein Zeiteffekt, aber kein Gruppen- und Interaktionseffekt. Nachtrag aus Erhebung 2002: Die posturographischen Untersuchungen zeigten im Ergebnis für beide Gruppen signifikante Unterschiede in den abhängigen Variablen über die Zeit, jedoch nicht zwischen der Versuchs- (VG) und Kontrollgruppe (KG). Eine Ursache könnten die im speziellen Rotationstraining aufgetretenen hohen Winkelgeschwindigkeiten von mehr als 1000°/s seine, welche für die Nachwuchsleistungssportlerinnen der VG unbekannt waren. Stangl, Fetter & Gollhofer (2000) vermuteten in diesem Zusammenhang eine eingeschränkte vegetative Tolerierung experimentell induzierter hoher Drehgeschwindigkeiten. Weiterhin könnte das bisherige Training der VG zu einer Vorhabituation bzgl. rotatorischer Trainingsreize geführt haben, sodass weitere rotatorische Vestibularisreize zu keinen oder nur geringfügigen Veränderungen des quasi-statische Gleichgewichtsverhalten führen (Gramowski & Unger, 1969). Die nystagmographischen Untersuchungen zeigten bzgl. der sportspezifischen Fragestellungen im Ergebnis tendenzielle Unterschiede in der okulomotorischen Reflexausprägung (VOR-Gain) zwischen den Turnern und den Nichtsportlern sowie zwischen den verschiedenen Sportarten für den Parameter VOR-Gain im Gegensatz zur postrotatorischen Nystagmusausprägung. Im Bezug auf die untersuchten allgemeinphysiologischen Fragestellungen zeigten sich erste Anzeichen für vorliegende Unterschiede bzgl. der Rotationsrichtung (VOR-Gain) bzw. der Rotationsanzahl (Nystagmusdauer). Eine umfassende statistische Aufbereitung der zum Teil noch laufenden Untersuchungen wird mit der Anfertigung des Endberichtes erfolgen. Aus diesem Grund entfällt zunächst eine Diskussion der angeführten Ergebnisse.