Die rechtliche Bewertung von Fitness-Getränken anhand von Carnitin- und Taurin-haltigen Fitness-Drinks im Hinblick auf ihre medizinisch-pharmakologische Wirkung

Gespeichert in:
Bibliographische Detailangaben
Leiter des Projekts:Parzeller, Markus (Privat:, Tel.: 06104 971991)
Mitarbeiter:Raschka, Christoph
Forschungseinrichtung:Privat:
Finanzierung:Eigenfinanzierung
Format: Projekt (SPOFOR)
Sprache:Deutsch
Projektlaufzeit:04/2000 -
Schlagworte:
Erfassungsnummer:PR020000106644

Zusammenfassung

In einer neuen oberlandesgerichtlichen Entscheidung (OLG Nürnberg, Urt. v. 8.6.1999 - 3 U 1115/99) wurde zur Abgrenzung zwischen Arznei- und Lebensmittel bei einem L-Carnitin-haltigen Fitness-Getränk Stellung bezogen und das betroffene Produkt als Arzneimittel gewertet. Diese Entscheidung könnte weitere Urteile nach sich ziehen, bei denen Fitness-Getränke Gegenstand einer rechtlichen Bewertung im Hinblick auf das Arzneimittel - oder Lebensmittelgesetz sind. Beklagte durch die Werbung für einen L-Carnitin-haltigen Drink, dessen Inhaltsstoff auch in anderen Darreichungsformen durch die Beklagte vertrieben wurde, gegen Vorschriften der aufgeführten Gesetze verstoßen hätte. Aufgrund dieser gerichtlichen Entscheidung könnten auch weitere Fitness-Getränke, wie z. B. Taurin-haltige Getränke, einer anderen rechtlichen Zuordnung unterliegen. Die Entscheidung des OLG Nürnberg bietet somit einen aktuellen Anlass, sich mit der rechtlichen Differenzierung von Arznei- und Lebensmitteln bei Getränken im Fitness- und Sportbereich auseinanderzusetzen.

(Zwischen)Ergebnisse

Die Abgrenzung zwischen Arzneimitteln und Nahrungs- und Nahrungsergänzungsmitteln gilt inzwischen als Klassiker der pharmarechtlichen Literatur und Rechtsprechung. Gerade bei ambivalenten Produkten, die sowohl als Arznei- als auch als Nahrungsergänzungs- oder Lebensmittel Verwendung finden können, ist eine Abgrenzung nicht ohne weiteres möglich. Eine Einstufung als Arzneimittel kann zu erheblichen Beeinträchtigungen bei der Vermarktung und dem Vertrieb des Fitness-Getränks führen. Demzufolge könnten auch die Hersteller in Zukunft daran interessiert sein, dass wissenschaftliche Aussagen und Behauptungen an kleineren Untersuchungskollektiven mit einer gewissen Zurückhaltung interpretiert werden. Moeller und Niess bemängeln zu Recht, dass im Bereich der Sportgetränke die Qualitätskontrolle durch kontrollierte Studien fehlt, die in anderen medizinischen Gebieten Standard ist. Dabei muß aber bedacht werden, dass über den zukünftigen Umgang mit Fitness-Getränken, denen umfangreiche pharmakologische bzw. medizinische Wirkungen, wie z. B. deutliche Leistungssteigerungen, zugesprochen werden, bei gegebenem Anlass die Instanzgerichte in Zusammenarbeit mit wissenschaftlichen Sachverständigen entscheiden könnten. Wie weitere Urteile zu Carnitin zeigen, besteht eine Tendenz, Produkte mit pharmakologischer Wirkung als Arzneimittel einzustufen. Von diesen Produkten sind jedoch solche Fitness-Getränke zu unterscheiden, deren unmittelbarer Zweck im Ausgleich eines physiologischen Defizits, wie z. B. der Substitution von Wasser, Kohlenhydraten, Mineralstoffen, Spurenelementen, Proteinen und Vitaminen besteht und die folglich als Lebensmittel zu werten sind. Jedoch gilt zu bedenken, dass der Selbstmedikationsmarkt in erheblichem Maße zugenommen hat und gerade im "health food"-Bereich ein zunehmend mündiger und informierterer Verbraucher bereit ist, Eigenverantwortung zu übernehmen. Dieses geänderte Verbraucherverhalten könnte demnach auch dazu führen, dass bei der Abgrenzung zwischen Arznei- und Nahrungsergänzungs- bzw. Lebensmitteln den neuen Entwicklungen auch bei der gerichtlichen Beurteilung der allgemeinen Verkehrsauffassung Rechnung getragen wird.