Neutrophilenfunktion im kontrollierten Vergleich zwischen Ausdauerbelastungen unterschiedlicher Intensität bei Leistungssportlern

Gespeichert in:
Bibliographische Detailangaben
Leiter des Projekts:Gabriel, Holger Horst Werner (Universität Saarbrücken / Institut für Sport- und Präventivmedizin, Tel.: 0681 3023750); Kindermann, Wilfried
Mitarbeiter:Urhausen, Axel; Schwarz, Lothar
Forschungseinrichtung:Universität Saarbrücken / Institut für Sport- und Präventivmedizin
Finanzierung:Bundesinstitut für Sportwissenschaft (Aktenzeichen: 070115/95)
Format: Projekt (SPOFOR)
Sprache:Deutsch
Projektlaufzeit:01/1995 - 12/1995
Schlagworte:
Erfassungsnummer:PR019950105024

Zusammenfassung

Ziel ist es, anhand eines kontrollierten Studiendesigns und mit einheitlicher Labormethodik die wesentlichen Funktionen der Neutrophilen zu untersuchen. Die Arbeitshypothese lautet, daß körperliche Belastungen in Abhängigkeit von Dauer und Intensität die Neutrophilenfunktion beeinflussen. Die Aussagen sollen bislang nur zu vermutende Zusammenhänge absichern und das allgemeine Verständnis für die Beeinflussung des Immunsystems durch körperliche Belastungen bei Leistungssportlern erweitern.

(Zwischen)Ergebnisse

Nachtrag aus BISp-Jahrbuch 1996: Erstmalig konnte nachgewiesen werden, daß sich extensive im Vergleich zu intensiven Ausdauerbelastungen bzgl. der Funktion neutrophiler Granulozyten unterschiedlich verhalten. Dabei führte die einstündige Fahrradergometerbelastung mit 80% der IAS zu einer Stimulation des oxidativen Burst, die beiden intensiven bzw. hochintensiven Ausdauerbelastungen mit 100 bzw. 110 % der IAS zu einer beeinträchtigten Funktion der NADPH-Oxidase und damit eines entscheidenden Abwehrmechanismus der Neutrophilen. Sowohl die Stimulierbarkeit als auch das Ausmaß der Bildungsfähigkeit von Superoxidanionen waren reduziert (Abb. 1). Der Befund war zur 2. und 6. Stunden nach Belastungsende am ausgeprägtesten und einen Tag nach Ende der Belastung wieder vergleichbar mit der Kontrollsituation. Kein Proband erkrankte während des Studienzeitraums. Im folgenden werden weitere Ergebnisse aus Platzgründen nur kursorisch genannt. Alle Belastungen führten im gleichen Ausmaß zu einer Degranulation der Neutrophilen, eine im Vergleich zu den beiden anderen Belastungen und der Kontrollsituation überproportionale Zunahme des intrazellulären pH nach in vitro-Stimulation mit 1 æM fMLP bei der Belastung mit 100 % der IAS wies auf eine Dysregulation der Energiebereitstellungsprozesse der Neutrophilen hin. Weiterhin kam es während der 2. und 6. Nachbelastungsstunde zu einer Abnahme von Oberflächenantigendichten (CD11a, CD11b, CD18, CD16). Die Belastung mit 100 % der IAS führte zum stärksten Anstieg von Serumcortisol, gefolgt von der Belastung mit 100 % der IAS, während bei 80 % der IAS nur geringe Konzentrationsänderungen gemessen wurden. Diskussion: Es wurde gezeigt, daß Ausdauerbelastungen im Bereich der individuellen anaeroben Schwelle oder darüber die Abwehrbereitschaft eines wesentlichen Teils der ersten Abwehrlinie bei Ausdauersportlern für mehrere Stunden nach Belastungsende beeinträchtigen, wenn die Belastungen bis zur subjektiven Erschöpfung oder annähernd bis dahin durchgeführt werden. Da insbesondere der unspezifische Teil des Immunsystems für die erste Auseinandersetzung mit möglichen pathogenen Keimen verantwortlich und damit quasi wegweisend für den weiteren Ablauf der Infektabwehr ist, liegt eine vom Ausmaß her kleine, jedoch im Falle eines latenten Infektes oder einer Summation intensiver Belastungen wahrscheinlich bedeutsame Dysregulation vor. Die Theorie des "offenen Fensters" zur Entstehung bzw. Begünstigung von Infektionen der oberen Luftwege in den Nachbelastungsstunden wird durch die vorliegende Untersuchung gestützt. Gerade die Kenntnis über die potentielle Infektgefährdung nach intensiven und hochintensiven Ausdauerbelastungen während der Nachbelastungsstunden sollte von Sportlern bzw. Trainern bei der Trainingsgestaltung bzw. Nachbereitung solcher Trainingseinheiten Berücksichtigung finden. Als Schätzwert besteht das "offene Fenster" für etwa 6 (-12) Stunden nach Belastungsende mit einem Maximum eher zur 2. (-4.) Nachbelastungsstunde hin. Erweitert wird die Theorie des "offenen Fensters" in dieser Untersuchung dadurch, daß der negative Effekt auf die Neutrophilenfunktion nur für intensive bzw. hochintensive Ausdauerbelastungen zutrifft. Demgegenüber verhalten sich extensive Ausdauerbelastungen, die bei Ausdauersportlern im weitaus größeren Umfang absolviert werden, zumindest bei einer Dauer - bezogen auf das Radfahren - bis zu 1 Stunde bzgl. der Neutrophilenfunktion eher günstig, d.h. für die Infektabwehr stimulierend. Vielstündige Ausdauerbelastungen können sich hierbei u.U. wiederum ungünstig auswirken (GABRIEL et al. 1994, 1995). Zukünftig wäre es von praxisrelevantem Interesse zu untersuchen, ob regenerative bzw. kurze extensive Ausdauerbelastungen die Immunantwort stärken und damit den Regenerationsprozeß fördern können.