Charakteristik der Koordinationsstruktur zyklischer Bewegungen bei unterschiedlicher psycho-physischer Beanspruchung im Schwimmen

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Bibliographische Detailangaben
Leiter des Projekts:Blaser, Peter (Universität Magdeburg / Institut für Sportwissenschaft, Tel.: 0391 33666)
Mitarbeiter:Stucke, Christine; Witte, Kerstin
Forschungseinrichtung:Universität Magdeburg / Institut für Sportwissenschaft
Finanzierung:Bundesinstitut für Sportwissenschaft (Aktenzeichen: 070602/94)
Format: Projekt (SPOFOR)
Sprache:Deutsch
Projektlaufzeit:01/1993 - 12/1995
Schlagworte:
Erfassungsnummer:PR019950104957

Zusammenfassung

1. Stabilität und Variabilität der Bewegungsregulation bei unterschiedlicher psycho-physischer Beanspruchung
2. Charakteristik der Relationen zwischen den Merkmalen der Koordination und der Kondition im Verlaufe eines gezielten Einwirkens durch sportliches Training.
Diese Problemkreise werden aus multitheoretischer Sicht bearbeitet. Aus der Sicht einer deterministischen Betrachtungsweise stehen handlungstheoretische Konzeptionen, der "motor approaches" sowie Adaptationstheorien im Mittelpunkt. Des weiteren werden unter dem Stichwort "action approaches" chaostheoretische Zugänge erprobt.
Die Untersuchungen werden exemplarisch am Beispiel des Sportschwimmens durchgeführt mit dem Ziel, Hinweise zur Trainingssteuerung geben zu können.

(Zwischen)Ergebnisse

- Zunehmende Beanspruchungen führen zu Veränderungen in der zeitlichen Struktur der Schwimmbewegung. Das "relative timing" (SCHMIDT 1973) ist abhängig vom Beanspruchungsgrad des Organismus, nicht jedoch von der oftmals postulierten Bewegungs- bzw. Schwimmgeschwindigkeit. - Mit Hilfe von Effektivitätskriterien wie beispielsweise der "Beschleunigungsfaktor" und der "Phasenstrukturquotient" kann die Veränderung der Technikrentabilität bei zunehmender psycho-physicher Beanspruchung abgebildet werden. - Die Veränderungen in der Koordinationsstruktur können des weiteren mit Methoden der Chaostheorie beschrieben werden. Für die Zyklusgeschwindigkeit, Bewegungsfrequenz und für den Zyklusweg werden drei charakteristische Trends im Phasenraum nachgewiesen. Es konnte aufgezeigt werden, daß während einer Beanspruchung einzelne biomechanische Kennwerte unterschiedliche Ordnungs- und Unordnungsgrade aufweisen. - Für die Einschätzung konditioneller Sachverhalte erwies sich die Bestimmung der Laktat-Leistungskurve als günstig. Zur Aufklärung des emotional-motivationalen Zustandes vor, während und nach der Beanspruchung wurde ein sogenanntes Polaritätsprofil durchgeführt. Es konnte im Untersuchungszeitraum eine Erhöhung der aeroben Leistungsfähigkeit des Probanden sowie eine der Adaptation angepaßte Verbesserung der subjektiven Befindlichkeit nachgewiesen werden. Nachtrag aus BISp-Jahrbuch 1997: Eine Zusammenführung der Komponenten der Handlungsfähigkeit ist nur auf einer phänomenologischen Ebene möglich. Die Ursachen liegen in der kompetenzbezogenen methodologischen Vorgehensweise. Die gewonnenen Daten lassen keine Quantifizierung der Relationen zwischen den Komponenten zu, so daß mittels des Vier-Komponten-Ansatzes Trainingswirkungen nur teilweise beschrieben werden können. Vorrangig bezieht sich diese Beschreibung auf funktionelle Veränderungen in den einzelnen Komponenten. Eine Analyse der Veränderungen im Zusammenwirken der Komponenten erweist sich aufgrund der großen Komplexität der sportlichen Leistung als kaum möglich. Des weiteren können keine Aussagen zu Veränderungen in einer eventuell existierenden Komponentenhierarchie getroffen werden. Aus den Ergebnissen lassen sich jedoch komponentenbezogene Erkenntnisse und Schlußfolgerungen für die Trainingspraxis ableiten: 1. Zunehmende Beanspruchungen führen zu Veränderungen in der zeitlichen Struktur der Bewegung. Zunehmende Beanspruchung vergrößert die relativen Anteile der Antriebsphasen, die der vorbereitenden Bewegungsphasen nehmen jedoch ab. Die Zeitstruktur ist unter Belastung folglich keine invariante Größe, wie dies beispielsweise durch die Schema-Theorie postuliert wird. Als Kriterium für eine zeitlich effektive Bewegung kann der Phasenstrukturquotient herangezogen werden. 2. Die zeitliche Charakteristik einer Schwimmbewegung verändert sich nicht nur mit zunehmender Beanspruchung, sondern kann infolge eines entsprechenden Trainings Adaptationsphänomene aufweisen. Im Verlauf des Trainings wird bei gleichen Belastungsvorgaben die unter 1. dargestellte Vergrößerung der Antriebsphasen bzw die Verkürzung der vorbereitenden Phasen reduziert. Der Phasenstrukturquotient weist demzufolge bei gleicher Belastung am Ende der Trainingsperiode kleinere Werte auf als zu Beginn derselben. 3. Bewegungsfrequenz, Zyklusweg und Zyklusgeschwindigkeit sind Repräsentanten der koordinativ-energetischen Beanspruchung und geben aus dieser Sicht Auskunft über die Effektivität der Bewegung innerhalb der modellierten Trends. Zu Beginn einer Belastungsbewältigung wird mittels geringer Bewegungsfrequenz und durch Zunahme des Zyklusweges ein entsprechendes Geschwindigkeitsniveau aufgebaut (Trend 1). Die weitere Steigerung der Geschwindigkeit ist mehrheitlich durch eine Erhöhung der Bewegungsfrequenz bei relativer Konstanz des Zyklusweges möglich (Trend 2). In der Abbruchsituation verringert sich sowohl die Frequenz als auch der Zyklusweg (Trend 3). Durch Anpassung kann insbesondere der 2. Trend zeitlich verlängert und der 3. Trend verkürzt werden. 4. Dimensionsmaße können Stabilität und Variabilität der Schwimmbewegung unter Belastung aus ganzheitlicher Sicht charakterisieren. Diese dienen dazu, die Bereiche einer individuell-optimalen Bewegungsvariabilität in Abhängigkeit von der Belastung zu ermitteln und aus dieser Sicht Aussagen zum Trainingszustand zu treffen. Gleichzeitig spiegeln sich in den Dimensionsmaßen Veränderungen im Trainingszustand im Verlaufe einer Trainingsperiode wider. 5. Indikatoren der KONDITION, EMOTION/MOTIVATION und KOGNITION bilden notwendige Referenzgrundlagen für die Einschätzung des jeweiligen Niveaus der Bewegungskoordination. Für eine Trainingssteuerung im Rahmen der Periodisierung des sportlichen Trainings von Schwimmsportlern ist aus der Sicht der Handlungsfähigkeit die Hinzuziehung der genannten Indikatoren unerläßlich, da erst dadurch der Stellenwert koordinativ bedingter Veränderungen in der Handlungsstruktur interpretierbar wird sowie Korrespondenzen im Handlungsgefüge erkannt werden können. Nur so ist es beispielsweise erklärbar, daß höhere Belastungen auf gleichem Stoffwechselniveau in einer Zone der "Optimalen Variabilität" realisiert werden und gleichzeitig eine emotional-motivational größere Belastungsverträglichkeit in Erscheinung tritt. Der Trainer hat dadurch die Möglichkeit, seine eingesetzten Mittel und Methoden auf Praxisrelevanz zu überprüfen.