Optimierung der Trainingsbelastung und Vervollkommnung der Leistungs- und Trainingsstruktur im Biathlon der Damen und Herren

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Bibliographische Detailangaben
Leiter des Projekts:Wick, Jürgen (Institut für Angewandte Trainingswissenschaft, Tel.: 0341 4945195)
Forschungseinrichtung:Institut für Angewandte Trainingswissenschaft
Format: Projekt (SPOFOR)
Sprache:Deutsch
Projektlaufzeit:01/1994 - 12/1998
Schlagworte:
Erfassungsnummer:PR019950104939

Zusammenfassung

1. Zur wissenschaftlichen Begleitung des Trainingsprozesses gehören alle Aufgaben, die auf die Unterstützung der Athleten und Trainer in der täglichen Trainingspraxis durch Sofortinformation über verschiedene Parameter der konditionellen und technischen Leistungsfähigkeit in der Lauf- und Schießausbildung Aufschluß geben. Das beinhaltet:
- Teilstreckenanalysen im komplexen Biathlontraining,
- Objektivierung des Anlaufverhaltens an den Schießstand,
- Analysen der Bewegungsstruktur zur Beurteilung der Lauftechnik (v. Schrittlänge, Frequenz),
- Beurteilung des Handlungsablaufes am Schießstand (Zeitstruktur, Handlungsreihenfolge),
- Bereitstellung und Auswertung von Videoaufnahmen zur Lauf- und Schießtechnik,
- Treffer-/Fehleranalyse beim Schießen,
- Schulung von Schießtechnikelementen nach individuellen Schwerpunkten.
Hypothese:
Die gezielte wissenschaftliche Betreuung leistet einen wesentlichen Beitrag zur Individualisierung des Trainingsprozesses im Biathlon und trägt somit maßgeblich zur positiven Leistungsentwicklung bei.
2. Zur mittel- und langfristigen Steuerung des Trainings ist es notwendig, in folgenden Richtungen wirksam zu werden:
- Durchführung und Auswertung der Leistungsdiagnostik im Bereich des Biathlonschießens. Das Ziel ist es dabei, die entscheidenden Parameter der Schießtechnik zu diagnostizieren und individuelle Schwerpunkte für die folgende Trainingsperiode zur Verbesserung der Schießtechnik abzuleiten.
- Die Bedingungen der Austragungsorte der WM 1997 und der OWS 1998 sind bisher nicht bekannt. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit, im Rahmen des WC 1996 und 1997 eine Analyse hinsichtlich der Profilierung der Strecke, der Bedingungen am Schießstand incl. Anlaufverhalten sowie der zweckmäßigsten Lauftechniken anzufertigen.
- Durch umfassende Wettkampfanalysen der WC-Wettbewerbe und der WM 1996 und 1997 wird das Ziel verfolgt, die Leistungsentwicklung der DSV-Auswahlmannschaften sowie der weltbesten Biathlonnationen zu bestimmen und daraus trainingsmethodische Schlußfolgerungen für die Vorbereitung der OWS 1998 zu ziehen.
Hypothese:
Die Leistungsentwicklung im Biathlon der Herren wird bestimmt durch Verbesserungen in allen Teilleistungskomponenten. Die optimale Synthese zwischen dem Erreichen einer hohen Laufgeschwindigkeit und eines fehlerfreien Schießergebnisses in kürzester Zeit ist notwendig für das Erreichen von Weltspitzenleistungen. Die Leistungsentwicklung bei den Damen wird noch dynamischer verlaufen als bei den Herren. Zum Ende des Olympiazyklusses 1994-1998 sind Aussagen zur Entwicklung der Laufgeschwindigkeit und der Schießzeit auch für die Damen möglich.
3. Bestehende Leistungsreserven in der Schießleistung sollen zielgerichtet ausgeschöpft werden. Diese werden insbesondere in der Verbesserung der Anschlagsstabilität sowie des Abzugsverhaltens gesehen.
Hypothese:
Das System "Rechneranalyse Biathlon" schafft die Grundlage für die Diagnostik und Schulung des Abzugsverhaltens und der Anschlagsstabilität unter biathlonspezifischen Bedingungen. Es können Unterschiede hinsichtlich der Abzugstechnik festgestellt und individuelle Ableitungen für die Gestaltung des Trainingsprozesses getroffen werden:
- zwischen dem Schießen unter Labor- und Feldbedingungen (Trockenschießen und Schießen mit scharfem Schuß),
- in Abhängigkeit verschiedener Belastungssituationen (Ruhe, submaximale oder maximale psychophysische Beanspruchung),
- entsprechend des Schwierigkeitsgrades des Techniktrainings (Teilelementetraining oder komplexes Schießen mit Koordination aller Teilelemente).

(Zwischen)Ergebnisse

Die Weltstandsanalyse in Auswertung der Olympiazyklen 1988-1992 und 1992-1994 erbrachte folgende Erkenntnisse: 1. Die Einführung der freien Skilauftechnik hatte im Zeitraum 1985 - 1989 nachhaltigen Einfluß und führte zur sprunghaften Entwicklung der Laufgeschwindigkeit und der Komplexzeit. Unter Einbeziehung der nachfolgenden Wettkampfhöhepunkte (OWS und WM) bis 1994 wurden die Steigungen geringer und die prognostizierten jährlichen Entwicklungsraten nicht erreicht. 2. Die jährliche Verkürzung der Schießzeit unter Beibehaltung des Trefferergebnisses stößt in absehbarer Zeit insbesondere im Sprint-Wettkampf an Grenzen, ihre Entwicklung wird langsamer verlaufen. 3. Im 10 km-Sprintwettbewerb sind fehlerfreie Schießleistungen für die Siegleistung notwendig, im 20 km-Einzelwettkampf bedarf es einer überdurchschnittlichen Laufleistung, um ein bis maximal zwei Schießfehler auszugleichen. 4. Die optimale Synthese aller Teilleistungen entscheidet zunehmend über Sieg oder Niederlage. Vorteile nur im Laufen oder nur im Schießen bieten keine ausreichende Gewähr zur Erringung von Spitzenleistungen im Biathlon der Herren und Damen. 5. Sowohl die Komplexzeit als auch die Teilleistungskomponenten Laufgeschwindigkeit, Schießergebnis und Schießzeit weisen im Biathlon der Damen größere Entwicklungsraten auf als bei den Herren. Im Biathlon der Herren ist bereits eine solche Leistungsspitze und -dichte erreicht, daß die jährlichen Steigerungsraten in Vorbereitung der Olympischen Winterspiele 1998 in Nagano geringer sein werden als noch in den achtziger Jahren. Die Leistungen der Damen entwickeln sich momentan deutlich schneller. Sie werden in absehbarer Zeit ein den Männer-Leistungen vergleichbares Niveau erreichen. Für den Olympiazyklus bis 1998 und auch noch darüber hinaus muß im Damen-Biathlon mit hohen Zuwachsraten in allen Teilleistungskomponenten gerechnet werden. Im Rahmen der leistungsdiagnostischen Untersuchungen am OSP Thüringen/Oberhof wurde im vergangenen Jahr damit begonnen, eine umfassende Datenbank zur Beurteilung der Biathlon-Schießtechnik anhand ausgewählter Parameter zur Anschlagsstabilität, zum Zielbildaufbau und zum Abzugsverhalten für alle A-/B- und C-Kader aufzubauen. Daraus lassen sich im unmittelbaren Anschluß an die Leistungsdiagnostik individuelle Schwerpunkte für das Techniktraining ableiten. Da die Verbesserung der Schießtechnik (insbesondere das Abzugsverhalten und die Anschlagsstabilität) als eine wesentliche Leistungsreserve erkannt wurde, lag der Schwerpunkt der Forschungstätigkeit auf der Erarbeitung zweckmäßiger Objektivierungstechnik. In Zusammenarbeit mit dem Diagnosetrainer des Deutschen Schützenbundes entstand eine erste Ausbaustufe der "Rechneranalyse Biathlon". Damit wird es erstmals möglich, Schießtechnikparameter unter Feldbedingungen zu diagnostizieren. Mit der Zusammenfassung des wissenschaftlichen Erkenntnisstandes zum Nachwuchstraining wurde dem Deutschen Skiverband in Form des Rahmentrainingsplanes für die Disziplin Biathlon ein Dokument übergeben, daß die wissenschaftliche Grundlage für die Gestaltung des Grundlagen- und Aufbautrainings bildet.