Individuenbezogene biomechanische Analyse des Langstreckenlaufs unter Berücksichtigung der Bewegungsstruktur, des mechanischen Arbeitsaufwands und physiologischer Parameter des Energieverbrauchs.

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Bibliographische Detailangaben
Leiter des Projekts:Ballreich, Angela (Universität Frankfurt am Main / Fachbereich Psychologie und Sportwissenschaften / Institut für Sportwissenschaften / Arbeitsbereich Bewegungswissenschaften, Tel.: 069 79824523)
Mitarbeiter:Simon, Christian
Forschungseinrichtung:Universität Frankfurt am Main / Fachbereich Psychologie und Sportwissenschaften / Institut für Sportwissenschaften / Arbeitsbereich Bewegungswissenschaften
Finanzierung:Bundesinstitut für Sportwissenschaft (Aktenzeichen: 070507/95)
Format: Projekt (SPOFOR)
Sprache:Deutsch
Projektlaufzeit:01/1995 - 07/1996
Schlagworte:
Erfassungsnummer:PR019950104774

Zusammenfassung

Forschungsdefizite liegen vor hinsichtlich:
(1) der Identifikation und meßtechnischen Bestimmung von Effizienzkriterien der Lauftechnik
(2) ermüdungsbedingter Änderungen der Lauftechnik bei Spitzenläufern und untrainierten Läufern;
(3) der Unterschiede in der Lauftechnik zwischen Spitzenläufern und untrainierten Läufern;
Forschungsziel:
Anhand des mechanischen Arbeitsaufwands und Parameter des physiologischen Energieverbrauchs sollen Effizienzkriterien der Lauftechnik bestimmt werden.
Nachtrag aus BISp-Jahrbuch 1996:
Beim Mittel-/Langstreckenlauf ist die Energiebereitstellung ein leistungslimitierender Faktor, d.h., der Läufer kann seine Laufgeschwindigkeit nur so lange aufrechterhalten bzw. erhöhen, wie er in der Lage ist, seiner Muskulatur die dazu benötigte Energie bereitzustellen. Aus der Sicht der Biomechanik stellt sich daher die praktische Frage, wie man sich bei hoher Geschwindigkeit mit möglichst geringem Energieverbrauch fortbewegen kann. Eine Beantwortung dieser Frage setzt die Analyse der Energetik der Bewegung voraus, d.h., es ist zu klären, wofür die mechanische Energie verbraucht wird, welche die Muskelkontraktionen freisetzen (vgl. Saziorski et al. 1987, 9).
Energetisch gesehen handelt es sich bei der Laufbewegung um eine Umwandlung von chemischer Energie in mechanische Arbeit. Um eine bestimmte Laufgeschwindigkeit zu erreichen und zu erhalten, muß der Läufer mechanische Arbeit verrichten, die eine Erhöhung bzw. Erhaltung der kinetischen Energie des Körperschwerpunkts (KSP) bewirkt. Aufgrund von physiologischen, mechanischen und anatomischen Randbedingungen treten bei der Umwandlung chemischer Energieträger in mechanische Arbeit Energieverluste auf, denen hinsichtlich der Effizienz eine Schlüsselstellung zukommt. Eine effiziente Lauftechnik sollte durch ein relatives Minimum dieser "Energieverluste" gekennzeichnet sein.
Grundgedanke der Untersuchung ist ein Vergleich von zwei unterschiedlichen Leistungsgruppen (trainierte Mittel-/Langstreckenläufer u. Sportstudenten). Ausgehend von einer Selbstoptimierung der Lauftechnik durch hohe Trainingsumfänge (MARTIN/COE 1992, S. 16; WILLIAMS 1990, S. 279), wählten wir den Ansatz, die Lauftechnik von Spezialisten und Sportstudenten zu analysieren, um anhand der Relation von Segmentarbeit zur effektiven KSP-Arbeit (in Laufrichtung) Aussagen über die Effizienz der Lauftechnik machen zu können. Zielvorstellung ist die Identifizierung von Effizienzkriterien, welche die Lauftechnik der beiden Gruppen unterscheiden.
Untersuchungsmethodik:
(1) Versuchsplan
- Feldstufentest 3-5x2000 m auf einer 200-m-Bahn in der Halle
- letzte Stufe mit maximaler Geschwindigkeit (Ausbelastung)
(2) Meßmethodik
- 3D-Kinematographie mit 2 Kameras (LOCAM - Bildfrequenz 150 Hz)
- Aufnahme eines Laufschritts (rechter bis linker Fußkontakt) in jeder Stufe
- Anthropometrische Vermessung der Probanden
(3) Merkmalstichprobe
- Hubarbeit, translatorische u. rotatorische Beschleunigungsarbeit der Körpersegmente
- Winkelmerkmale
- Laktat u. Herzfrequenz

(Zwischen)Ergebnisse

Die Gruppe der trainierten Mittel-/Langstreckenläufer zeichnet sich durch geringere vertikale und transversale Segmentarbeit sowie geringere interne Arbeit im Vergleich zur Gruppe der Sportstudenten aus. Ein Vergleich der kinematischen Bewegungsstruktur mit Hilfe der Verlaufsformen von Körperwinkel (u. -geschwindigkeiten) führt zu einer Clustereinteilung der Bewegungsmuster in individuelle Laufstile. Die Gruppe der Sportstudenten weist im Vergleich zur Gruppe der Spezialisten eine größere Variabilität der kinematischen Bewegungsstruktur auf. Extrem effiziente bzw. ineffiziente Lauftechniken lassen sich auf Unterschiede in den Verlaufsformen der mechanischen Segmentarbeit und damit auf Unterschiede in der mechanisch-energetischen Bewegungsstruktur zurückführen. Die physiologische Beanspruchung (Ermüdungseffekte) wirkt sich nur in Einzelfällen auf die Effizienz der Lauftechnik aus. Unter der generalisierbaren Annahme, daß sich Spezialisten aufgrund ihrer großen Trainingsumfänge durch eine effizientere Lauftechnik im Vergleich zu den Sportstudenten auszeichnen, erscheint es zweckmäßig, die Effizienz der Lauftechnik durch verschiedene Formen der mechanischen Arbeit zu beschreiben. Eine effizientere Lauftechnik ist durch geringere interne sowie geringere relative vertikale und transversale Arbeit gekennzeichnet. Die unterschiedliche Effizienz der Lauftechnik läßt sich auf bewegungsstrukturelle Unterschiede zurückführen. In weitergehenden Analysen sind diejenigen Bewegungsmerkmale zu identifizieren, welche die Unterschiede in der Effizienz der Lauftechnik determinieren. Trainingsmethodisch erscheint eine stärkere Ausrichtung des Laufkoordinationstrainings auf geringere vertikale und transversale Bewegungen der Körpersegmente zweckmäßig.