Analyse gesellschaftlich-kultureller und körperzentrierter Wertorientierungen

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Bibliographische Detailangaben
Leiter des Projekts:Kleiner, Konrad Nikolaus; Sobotka, Raimund (Universität Wien / Institut für Sportwissenschaft / Abteilung Pädagogik der Leibesübungen, des Sports, Tel.: 0222 9822661208)
Forschungseinrichtung:Universität Wien / Institut für Sportwissenschaft / Abteilung Pädagogik der Leibesübungen, des Sports
Finanzierung:Fonds zur Förderung wissenschaftlicher Forschung
Format: Projekt (SPOFOR)
Sprache:Deutsch
Projektlaufzeit:01/1990 - 01/1994
Schlagworte:
Erfassungsnummer:PR019940100365

Zusammenfassung

Die moderne Gesellschaft hat im Laufe ihrer Entwicklung eine Vielzahl von Subsystemen ausgegliedert. Der Sport als gesellschaftliches "Nachzüglersystem" (BETTE) wurde in den seit rund 200 Jahren ablaufenden Prozeß der funktionalen Differenzierung der modernen Gesellschaft eingegliedert. Sport gilt als ausgeprägt gesellschaftsabhängiges Phänomen, das nur aus seinem gesellschaftlich-soziokulturellen Zusammenhang heraus verstanden werden kann. Seit einigen Jahren zeichnet sich in Problemdiskussionen und Grundsatzerörterungen zum Sport eine Konzentration auf die Werte-Thematik ab. Dem Sport werden Werte zugrundegelegt, die mit der allgemeinen Wertstruktur einer Gesellschaft in wechselseitiger Beziehung stehen. Vor diesem Hintergrund verfolgt das Projekt das Ziel, die Bedeutung gesellschaftlich-kultureller Werte und Wertorientierungen in bezug auf den eigenen Körper und die Bewegung zu erfassen und Wechselwirkungen zu identifizieren. An ausgewählten Gruppen der Bevölkerung wird untersucht, welche Zusammenhänge zwischen der sportlichen Aktivität bzw. Inaktivität und Wertorientierungen festgestellt werden können. Unter Einbeziehung der Ergebnisse zweier Vorstudien (Körperwahrnehmung und -biographie; Wortfeldanalyse) wird ein forschungspragmatisches Design entwickelt, das mehrere thematisch verwandte Konzeptblöcke (Module) vereint. Im einzelnen werden die Konzeptblöcke 'soziodemographischer Basiskatalog' (Modul A), 'Objekt- (Inhalts-) Bereich' (Modul B) mit den Elementen 'Leben und Alltag' (B1), 'Weltanschauung, Politik und Gesellschaft (B2), 'Bildung und Erziehung' (B3), 'Arbeit' (B4), 'Bewegung und Sport' (B5), 'Körper' (Modul C) und 'Anspruchs-Realisierungs-Disparität' (Modul D) in das Projekt eingebunden.

(Zwischen)Ergebnisse

Beispielhaft ausgewählte Ergebnisse sollen Einblick in die untersuchten Themenbereiche des Projekts geben: * Die Einschätzung von Lebens- und Handlungsbereichen nach der subjektiven Wichtigkeit gibt Hinweise auf die Grobstrukturierung des Wertesystems. In der Rangfolge der Wichtigkeitseinstufungen zeigen Frauen im Vergleich zu Männern eine stärkere Familienorientierung und eine geringere Berufsorientierung. Vier Modelle für 'Lebensmuster' konnten isoliert werden (Kultur- und freizeitorientierte Jugendliche; gesellige und erlebnisorientierte Aktive; aufgeschlossene Traditionalisten; leistungs- und erfolgsorientierte Materialisten). * Die Befragten unterscheiden sich in neun von dreizehn bereichsspezifischen Zufriedenheiten (z.B. körperliche Verfassung, berufliche Situation, etc.). Die Zufriedenheit nimmt mit der Anzahl gesundheitsbezogener Probleme überzufällig ab: Die allgemeine Lebenszufriedenheit, die Körperzufriedenheit, und die Beziehungszufriedenheit sind bei Personen mit gesundheitlichen Problemen signifikant geringer. * Das Vertrauen in etablierte Institutionen ist vom Alter abhängig: Je jünger die Befragten sind, umso mehr Vertrauen wird den Medien, dem Sport und der Medizin geschenkt, je älter die Befragten sind, umso mehr wird u.a. der Kirche als Institution vertraut. * Den Kernbereich der Studie stellt die vergleichende Analyse von Werte-Inventaren zur Messung von Werten dar. Damit wird ein in der Literatur nur ansatzweise thematisiertes Problem der empirischen Werteforschung aufgegriffen und bearbeitet. In die vergleichende Analyse werden die Werte-Inventare nach Klages & Herbert Maag und Rokeach einbezogen. Die in der Werteforschung diskutierte Dimensionalität des Werteraumes spiegelt sich über Wertedimensionen wieder. Nach den vorliegenden Analysen repräsentieren die untersuchten Werte-Inventare einen dreidimensionalen Werteraum. Ein Vergleich der empirischen Ergebnisse mit den in der Wertediskussion als kontrovers behandelten Inhalten (z.B. Materialismus und Postmaterialismus: Pflicht/Akzeptanz und Selbstentfaltung) wirft die Frage auf, ob es sich dabei um inhaltlich heterogene Konzepte handelt. * Die Prüfung der Frage, ob geschlechts- und altersspezifische Unterschiede in der Einschätzung der Wichtigkeit von Wertorientierungen (z.B. Sicherheitsorientierung, Selbstentfaltung, Toleranz, Leistung) vorliegen, ergab: Männer und Frauen, Jugendliche und Erwachsene unterscheiden sich in der Wichtigkeitseinschätzung 'alter' und 'neuer' Werte. Auf der Grundlage des 'Sportaktivitätsindex' wurden vier Gruppen unterschiedlichen Sportniveaus gebildet und geprüft, ob 'Sportaktivität' zur unterschiedlichen Einschätzung der Wichtigkeit von Wertorientierungen (z.B. Toleranz) durch die Befragten beiträgt. Die Ergebnisse weisen daraufhin, daß sportlich Inaktive im Vergleich mit sportlich Aktiven einzelne Wertorientierung (z.B. Leistung) unterschiedlich wichtig einstufen. * Werte, die die Mutter bzw. der Vater 'vorleben/fördern', werden von den Befragten unterschiedlich wahrgenommen und bewertet. Die vom Vater geförderten Wertorientierungen, nähmlich Hilfsbereitschaft, Selbständigkeit, Gehorsam und Disziplin stehen den durch die Mutter geförderten Wertorientierungen, nähmlich Hilfsbereitschaft, Ordentlichkeit, Toleranz, Moral und Beziehung gegenüber. * Die Entwicklung von Körperbewußtsein, die Achtung des eigenen Körpers und die Entwicklung von Gesundheitsbewußtsein ist nach Meinung der Befragten dann gegeben, wenn die Eltern ein 'gutes' Verhältnis zu ihrem Körper haben und 'sportiv' sind. * Die Befragten sind mit Körperregionen und -funktionen unterschiedlich zufrieden. Bereiche mit denen die Befragten sehr zufrieden sind, werden z.T. äußerst unwichtig eingestuft. * Im letzten Abschnitt der Studie wird das 'Moralbewußtsein' der Befragten (z.B. zum 'Schwarzfahren in öffentlichen Verkehrsmitteln', zum 'Sporttreiben nach Verletzungen') im Vergleich mit dem persönlichen Verhalten im Alltag in ähnlichen Situationen untersucht. Die Ergebnisse belegen, daß das persönliche Alltagshandeln der Befragten nur zum Teil ihren moralischen Ansprüchen stand hält. 'Moral' scheint dann wirksam zu sein, wenn die 'Kosten' einen individuell variierenden 'Grenzwert' nicht überschreiten.