„Olympia als Thema sportwissenschaftlicher Lehre – eine hochschuldidaktische Diskussion zu Lehrveranstaltungen am Beginn des sportwissenschaftlichen Studiums“: Bericht über die Tagung (09.-11. Februar 1994, Deutsches Olympisches Institut, Berlin)

Gespeichert in:
Bibliographische Detailangaben
Autor:Kolb, Michael
Erschienen in:Ze-phir
Veröffentlicht:1 (1994), 1, S. 9-11
Format: Literatur (SPOLIT)
Publikationstyp: Zeitschriftenartikel
Medienart: Gedruckte Ressource Elektronische Ressource (online)
Sprache:Deutsch
ISSN:1438-4132, 1617-4895
Schlagworte:
Online Zugang:
Erfassungsnummer:PU201101000469
Quelle:BISp

Abstract

In den 70er Jahren wurden an den Sportinstituten der Bundesrepublik Deutschland intensive hochschuldidaktische Diskussionen über die Gestaltung sportwissenschaftlicher Studiengänge geführt, die an einigen Einrichtungen insbesondere im Aufbau projektorientierter, einführender Veranstaltungen wie z. B. der POEST in Hamburg, ihren Niederschlag gefunden haben. Seit dieser Aufbau- und Umbruchsphase, in der speziell Lösungen für das im Studium von Sport und Sportwissenschaften angelegte problematische Theorie-Praxis-Verhältnis gesucht und erprobt wurden, scheint das Nachdenken über diese inhaltliche Gestaltung abgebrochen oder zumindest nicht weiter vorangetrieben worden zu sein. Bei der Durchsicht der Lehrveranstaltungen der einzelnen sportwissenschaftlichen Institute fällt auf, dass nur noch ein kleiner Teil übergreifende einführende Veranstaltungen anbietet und die Studiengänge oft das Bild einer eher additiven Zusammenbindung disparater theoretischer und praktischer Anteile bieten. Vor dem Hintergrund einer massiv gewandelten Sportlandschaft, der weiter ausdifferenzierten Sportwissenschaften und veränderter bildungspolitischer Ansprüche an die Universitäten ist es Verf. zufolge unbedingt notwendig, die Diskussion um eine sinnvolle Konzeption sportwissenschaftlicher Studiengänge bzw. hochschuldidaktischer Fragestellungen erneut aufzugreifen. Mit der Tagung „Olympia als Thema sportwissenschaftlicher Lehre – eine hochschuldidaktische Diskussion zu Lehrveranstaltungen am Beginn des sportwissenschaftlichen Studiums“ wurde deshalb versucht, die Mitarbeiter an verschiedenen Instituten anzusprechen, die dort einführende Veranstaltungen in das Studium der Sportwissenschaft betreuen. Ziel war vor allem ein intensiver Informationsaustausch über Rahmenbedingungen, Aufbau, Ziele und Inhalte solcher Veranstaltungen sowie über die persönlichen Einschätzungen der Tragfähigkeit der jeweils zugrundeliegenden Konzepte. In einem einführenden Referat charakterisierte Rüdiger Heim den Studienbeginn als einen krisenhaften psychosozialen Übergang, in dem die Studierenden ihre gesamten Lebensarrangements neu gestalten müssen und zugleich mit der unübersichtlichen Institution Universität konfrontiert sind. Bei Sportstudierenden besteht darüber hinaus oft eine große Diskrepanz zwischen massiv praxisorientierten eigenen Erwartungen und den realen Anforderungen des Studiums. In dieser Phase, die durch eine strukturelle Überforderung gekennzeichnet ist, haben die Einführungsveranstaltungen folgende idealtypische Funktionen: eine Sozial-, eine Informations-, eine Sensibilisierungs-, eine Vermittlungs- und eine Problematisierungsfunktion. Je nach Wichtung dieser Funktionen haben sich daraus verschiedene Modelle für Einführungsveranstaltungen ergeben: ein Beratungs-, ein Betreuungs-, ein Vermittlungs- und ein Orientierungsmodell. Bernd Strauß (Kiel) berichtete über eine mehrere Jahre durchgeführte Befragung zu Motivationen zum Studium und sportbezogenen Einstellungen bei Sportstudierenden zu Beginn ihres Studiums. Auffällig war eine dominierende Gemeinschafts-, Spaß- und Gesundheitsorientierung, die frühere Untersuchungen bestätigt. Aufgrund der Ergebnisse werden Probleme der Studierenden mit dem Sportstudium verständlich, da die auf Eigenrealisation gerichteten Motivationen mit dem Anspruch eines wissenschaftlichen Studiums in Widerspruch geraten. Einführungsveranstaltungen kommt deshalb die wichtige Funktion zu, schon zu Beginn die Perspektive der Studierenden massiv zu verändern. In Round-Table-Gesprächen, in denen Vertreter aus den einzelnen Instituten über die Einführungsveranstaltungen in Greifswald, Kiel, Hamburg, Bremen, Berlin, Potsdam, Münster, Köln, Konstanz und Augsburg berichteten, wurde deutlich, dass in jedem Institut vor dem Hintergrund unterschiedlicher bildungspolitischer Vorgaben, prägender Einzelpersonen, der „Philosophien“ der Institute im Hinblick auf die Lehrerausbildung und institutioneller Besonderheiten im Laufe der Zeit ganz verschiedenartige Konzeptionen entwickelt worden sind. Das Spektrum reicht dabei von einer stärkeren Wissenschaftsorientierung bis zu einer dominierenden Berufsfeldorientierung, von projektorientierten Veranstaltungen mit Einbindung unterrichtspraktischer Studien bis hin zu vorlesungsartigem Unterricht und sogar dem Ausschluss von Sportpraxis-Veranstaltungen im ersten Semester, von der Einbeziehung von Tutorien bis hin zu integrierten theoretischen und praktischen Anteilen in Gruppen- und Plenumsform, von Blockseminaren vor dem Semester bis zu Ringveranstaltungen der Vertreter der einzelnen sportwissenschaftlichen Teildisziplinen. In ihrem Resümee waren die Vertreter der einzelnen Institute sich einig, dass die Einführungsveranstaltungen für die Studierenden eine entscheidende Orientierungsfunktion im Hinblick auf das weitere Studium haben. Betrachtet man die Fähigkeit zum kritischen Umgang mit dem Phänomen Sport auf wissenschaftlicher Grundlage als ein wichtiges Ziel des Studiums von Sport und Sportwissenschaften, so müssen die Studierenden schon früh zur Auseinandersetzung mit ihrer meist traditionellen Sportsozialisation angeregt werden. Die Einführungsveranstaltungen haben somit eine wichtige Brechungsfunktion, die Umlernprozesse initiieren und die Multidimensionalität des Sports bzw. der beruflichen Praxis im Sport bewusst machen soll. In den einzelnen Instituten wird dieser wichtigen Aufgabe auf der Entscheidungsebene oft nicht die entsprechende Bedeutung zugemessen. Schiffer (unter Verwendung wörtlicher Textpassagen)